Umsatzbesteuerung von Gutscheinen in der Praxis
Wieviel Klarheit bringt das BMF-Schreiben vom 2.11.2020?
I. Gutscheine als Vertriebsinstrument
Gutscheine, Coupons oder Voucher erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Sie sind ein bedeutendes Marketing- und Vertriebsinstrument für Unternehmer (zu betriebswirtschaftlichen Grundlagen vgl. Koss, DB 2019, S. 2593).
Gutscheine haben sich insbesondere als Maßnahme zur Absatzförderung, als Instrumente zur Kundenbindung sowie -gewinnung (vgl. Knöfel, WM 2017, S. 834 m. w. N.) und als Mittel im Rahmen der Personalgewinnung und -motivation (z. B. im Rahmen der Nutzung der einkommensteuerlichen 44 €-Freigrenze - § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG - oder der 60 €-Freigrenze zu persönlichen Anlässen im Sinne der R 19.6 LStR (vgl. Eichholz, BC 2018, S. 231 ff.; Foerster, SteuK 2010, S. 446 ff.; Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 10)) etabliert.
Sie sind heute in nahezu jeder Branche erhältlich und sind insbesondere beim Online-Handel von wesentlicher Bedeutung. Besonders populär ist hierbei das sog. „Couponing“. Dabei werden Gutscheine von Unternehmen auf spezialisierten Online-Plattformen (vgl. bspw. www.groupon.de) vertrieben und den Käufern häufig im Rahmen sog. „Deals“ angeboten (vgl. Dienst/Scheibenpflug, VuR 2013, S. 83 ff.; zu den speziellen ustl. Risiken im Amazon-Handel vgl. Denker/Trinks, UStB 2017, S. 54-57).
Insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung des E-Commerce und dem damit verbundenen stärkeren Wettbewerb ist nicht davon auszugehen, dass Gutscheine als Marketinginstrument in Zukunft an Bedeutung verlieren werden. Sie dienen zudem neben der Kundenbindung, aufgrund von Vorfinanzierungseffekten und ggf. nicht vollständigen Einlöseraten, zusätzlich der Umsatzsteigerung (vgl. Thiele/König, UR 2018, S. 933; Völkel, DB 2018, S. 1952).
II. Bisherige (Nicht-)Regelung der Besteuerung von Gutscheinen
Trotz geschätzter Umsätze in der EU im mittleren zweistelligen Milliardenbereich war die umsatzsteuerliche Behandlung der Gutscheine auf europäischer Ebene weder geregelt noch harmonisiert. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthielt keine hinreichend klaren Regelungen zur Einordnung der Ausgabe, Übertragung, Einlösung oder aus dem Verfall von Gutscheinen als Lieferung oder sonstige Leistung (vgl. Erwägungsgrund 1 der Gutschein-Richtlinie - Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen, ABl. L 177 vom , S. 9-12.).
Zudem waren insbesondere bei grenzüberschreitenden Umsätzen systemwidrige Mehr- oder Minderbelastungen möglich, weil Mitgliedstaaten nationale Lösungen entwickelten, die nicht aufeinander abgestimmt waren (vgl. Hechl/Henning, UStB 2013, S. 120).
Auch die mehrfache Befassung des Europäischen Gerichtshofs führte schlussendlich nicht zu einer einheitlichen und konsistenten Behandlung dieser Rechtsmaterie (vgl. Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 9 f. m. w. N.).
Auf diesen Umstand reagierte der europäische Gesetzgeber mit der sog. Gutschein-Richtlinie. Ihr Ziel ist es insbesondere, eine einheitliche Behandlung zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen zu gewährleisten, Wettbewerbsverzerrungen, Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung zu vermeiden und die Gefahr von Steuerumgehung zu vermindern (vgl. Erwägungsgrund 2 der Gutschein-Richtlinie). Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie mit Wirkung zum im Rahmen des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. (BGBl 2018 I S. 2338) in das nationale Umsatzsteuerrecht umgesetzt.
Nach der Rechtslage für vor dem ausgestellte Gutscheine wurde auf Basis der Art des ausgegebenen Gutscheins differenziert. Hierbei wurde unterschieden zwischen
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Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheinen (Rabattgutscheinen),
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(Nenn-)Wertgutscheinen und
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Waren- oder Sachgutscheinen (vgl. hierzu Nattkämper/Scholz, EU-UStB 2012, S. 66 f.; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, 185. Lfg. 01.2020, § 3 UStG, Rz. 630).
Die bisherige umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen kann noch nicht vollständig vernachlässigt werden, da die Neuregelung erst auf nach dem ausgestellte Gutscheine anwendbar ist (vgl. § 27 Abs. 23 UStG).
III. Umsatzbesteuerung von nach dem ausgestellten Gutscheinen
1. Allgemeines
Die gesetzliche Umsetzung der Gutschein-Richtlinie in nationales Recht ist durch
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§ 3 Abs. 13 UStG: Allgemeine Definition,
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§ 3 Abs. 14 UStG: Legaldefinition und Behandlung von Einzweck-Gutscheinen,
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§ 3 Abs. 15 UStG: Legaldefinition und Behandlung von Mehrzweck-Gutscheinen und
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§ 10 Abs. 1 Satz 6 UStG: Sonderregelung für die Bemessungsgrundlage bei Mehrzweck-Gutscheinen
erfolgt. Die neue Rechtslage gilt für nach dem ausgestellte Gutscheine (§ 27 Abs. 23 UStG). Die Finanzverwaltung hat hierzu weitere Erläuterungen, insbesondere in Abschn. 3.17 UStAE, veröffentlicht.
Art, Systematik und Zeitpunkt der Besteuerung von Gutscheinen haben maßgebliche Änderungen erfahren. Durch die Neuregelung wurde erstmals eine Legaldefinition des „Gutschein-Begriffs“ gesetzlich festgeschrieben. Innerhalb des neu definierten Gutscheinbegriffs wird zwischen Einzweck-Gutscheinen und Mehrzweck-Gutscheinen unterschieden. Begrifflich wird der Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern als Übertragung und der Verkauf an den Endverbraucher als Ausgabe bezeichnet (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 1 Sätze 10 u. 11 UStAE).
2. Legaldefinition von Gutscheinen
Nach dem Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 13 Satz 1 UStG ist ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ein Instrument, bei dem
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die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
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der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Der Einzweck-Gutschein wird von § 3 Abs. 14 UStG, der Mehrzweck-Gutschein von § 3 Abs. 15 UStG näher definiert. Gemäß § 3 Abs. 13 Satz 2 UStG gilt die Neuregelung nicht für Preisnachlassgutscheine. Unschädlich für das Vorliegen eines Gutscheines ist, wenn der auf dem Gutschein aufgedruckte Nennwert nicht zur vollständigen Begleichung einer Leistung ausreicht und eine Zuzahlung geleistet werden muss (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Die Art des Gutscheins soll seitens des Ausstellers klar auf dem jeweiligen Dokument vermerkt werden. Grundlage für diese Angabe ist die rechtliche Einordnung des leistenden Unternehmers. Auf diese Einordnung dürfen der Aussteller des Gutscheins sowie die in der Leistungskette gegebenenfalls folgenden Unternehmer vertrauen, sofern sie keine Kenntnis hatten und auch nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns keine Kenntnis darüber hätten haben müssen, dass die Einordnung zu Unrecht erfolgt ist (vgl. für Einzweck-Gutscheine: Abschn. 3.17 Abs. 2 Satz 6 ff. UStAE; für Mehrzweck-Gutscheine: Abschn. 3.17 Abs. 9 Satz 6 ff. UStAE).
Nach Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 6 UStAE ergibt sich aus der Neuregelung für die Behandlung von Fahrscheinen, Eintrittskarten für Kinos und Museen, Briefmarken und vergleichbare Instrumente keine Änderung.
Trotz der gesetzlichen Legaldefinition ergeben sich in der Praxis im Einzelfall Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen zu bloßen Zahlungsmitteln, Preisnachlassgutscheinen, Eintrittskarten und ähnlichen Instrumenten:
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Gutscheine sind nach Abschn. 3.17 Abs. 1 UStAE solche Instrumente, welche als vollständiges oder teilweises Surrogat für eine Geldzahlung bei Erwerb einer Lieferung oder sonstigen Leistung verwendet werden und vom Unternehmer akzeptiert werden müssen (vgl. auch Huschens, DB 2019, S. 450). Sie können in körperlicher oder elektronischer Form vorliegen (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
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Demzufolge stellen Zahlungsmittel, wie z. B. Bargeld oder Schecks, keine Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 13 UStG dar. Gleiches gilt, wenn der Gutschein jederzeit und voraussetzungslos gegen den ursprünglichen Betrag zurückgetauscht werden kann (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 7 UStAE; Erwägungsgrund 6 der Gutschein-Richtlinie). Ebenso werden Zahlungsdienste i. S. d. Richtlinie 2007/64/EG, beispielsweise Dienste, mit denen Barabhebungen von einem Zahlungskonto erfolgen, nach Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 8 UStAE vom Gutscheinbegriff nicht erfasst.
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Preisnachlassgutscheine berechtigen im Gegensatz zu Einzweck- oder Mehrzweck-Gutscheinen noch nicht dazu, die Leistung auch tatsächlich zu erhalten (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Die Neuregelung findet, wie bereits ausgeführt, für Preisnachlassgutscheine keine Anwendung (vgl. § 3 Abs. 13 Satz 2 UStG). Es gelten die unter III.5. dargestellten Grundsätze.
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Bei Eintrittskarten sind umgekehrt bereits entsprechende, über die bloße Annahmeverpflichtung hinausgehende Leistungsansprüche entstanden, weshalb es sich hierbei vorrangig um Zahlungsnachweise handelt (vgl. ; , BStBl 2010 II S. 857).
3. Einzweck-Gutscheine
3.1. Anwendungsbereich und Definition
§ 3 Abs. 14 Satz 1 UStG enthält die Legaldefinition für einen Einzweck-Gutschein. Hierbei handelt es sich demnach um einen Gutschein, bei dem
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der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht und
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die für diese Umsätze geschuldete Steuer
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bereits zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen (vgl. auch Abschn. 3.17 Abs. 2 UStAE).
Bei der Bestimmung des Ortes der beinhalteten Leistung ist es hierbei ausreichend, wenn der steuerberechtigte Mitgliedstaat feststeht. Die Identität des leistenden Unternehmers sowie die geschuldete Umsatzsteuer müssen sich jedoch zweifelsfrei bestimmen lassen (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 2 Satz 2 UStAE; Huschens, DB 2019, S. 451; Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 20). Berechtigt der Gutschein zum Erhalt einer sonstigen Leistung und ist die Ortsbestimmung von dieser Tatsache abhängig, muss zusätzlich feststehen, ob es sich bei dem Leistungsempfänger um einen Unternehmer handelt und ob er diese Leistung für sein Unternehmen bezieht (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Ein Einzweck-Gutschein kann auch zur Inanspruchnahme mehrerer Einzelleistungen berechtigen. In diesem Fall ist der Nennwert des Gutscheins entsprechend dem Verhältnis der Einzelleistungen aufzuteilen (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 2 Sätze 10 u. 11 UStAE).
Inhaltlich erscheint der Einzweck-Gutschein auf den ersten Blick weitgehend deckungsgleich mit dem nach alter Rechtslage definierten Warengutschein. Jedoch ist zu beachten, dass der Leistungsort und die geschuldete Umsatzsteuer bereits bei Ausstellung feststehen müssen, damit es sich um einen Einzweck-Gutschein handelt. Insoweit liegt ein engerer Anwendungsbereich vor. Daneben ist es aber auch möglich, dass es sich bei einem „Wertgutschein“ nach alter Rechtslage nunmehr um einen Einzweck-Gutschein handelt (vgl. Heinrichshofen/Kupke, UVR 2017, S. 147).
3.2. Besteuerung von Einzweck-Gutscheinen
Die Vorschrift des § 3 Abs. 14 UStG differenziert zunächst danach, ob der Gutschein von einem Unternehmer im eigenen Namen (§ 3 Abs. 14 Satz 2 UStG) oder von einem Unternehmer im Namen eines anderen Unternehmers (§ 3 Abs. 14 Satz 3 UStG) übertragen wird.
Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt diese Übertragung nach § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG als Lieferung oder sonstige Leistung, abhängig von der Leistung für die der Gutschein ausgestellt wird. Wird ein Gutschein im Rahmen einer Vertriebskette an einen Zwischenhändler übertragen, der den Gutschein wiederum im eigenen Namen ausgibt oder überträgt, gilt auch der Zwischenhändler als leistender Unternehmer der im Gutschein enthaltenen Leistung. Demnach liegt, abweichend von der regelmäßig zivilrechtlichen Sichtweise, keine Vertriebsleistung gegen Gewährung einer Provision vor (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 3 Sätze 1 u. 4 UStAE; Heinrichshofen/Kupke, UVR 2017, S. 142). Auch in Fällen von Vertriebsketten ist auf dem Einzweck-Gutschein der Name des leistenden Unternehmers anzugeben. Dieser ist auch bei Weiterveräußerungen nicht zu ändern (vgl. Huschens, UVR 2020, S. 51).
Erfolgt die Erbringung der im Gutschein enthaltenen Leistung durch einen anderen als den ausstellenden Unternehmer, der den Gutschein im eigenen Namen ausstellt, wird der leistende Unternehmer nach § 3 Abs. 14 Satz 4 UStG so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht.
Erfolgt eine Übertragung eines Einzweck-Gutscheins durch einen Unternehmer im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung gemäß § 3 Abs. 14 Satz 3 UStG als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Der Unternehmer, der den Gutschein in fremdem Namen ausgibt, wird demnach nicht Teil der Leistungskette. Folglich hat eine Mitteilung des ausgebenden Unternehmers an den leistenden Unternehmer zu erfolgen. Diese Mitteilung muss so erfolgen, dass der leistende Unternehmer den Umsatz fristgerecht erklären kann. Eine spezifische Form der Mitteilung ist nicht festgelegt (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 UStAE). Bei dem in fremdem Namen handelnden Unternehmer liegt gegebenenfalls eine Vermittlungsleistung vor (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 4 Sätze 1 u. 5 UStAE; BeckOK, UStG, § 3, Rn. 608; Rennar, USt direkt digital 22/2019, S. 18).
In der Praxis ist entscheidend, dass gegenüber dem aus dem Gutschein verpflichteten Unternehmer eine Mitteilung über die Ausgabe oder Übertragung des Gutscheins erfolgt (vgl. Huschens, DB 2019, S. 449). Der UStAE sieht jedoch für ein Unterbleiben einer solchen Mitteilung keine konkrete Rechtsfolge vor. Gegebenenfalls könnte unter analoger Anwendung der Grundsätze zur sog. Ladenrechtsprechung (vgl. Heinrichshofen/Kupke, UVR 2017, S. 175 f.; zur Ladenrechtsprechung vgl. Martin in: Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, 87. Erg.-Lfg. 09.2019, § 3 UStG, Rn. 553; , BStBl 2000 II S. 361; a. A. wohl Huschens, UVR 2020, S 51 f.) der Gutschein-Vermittler als leistender Unternehmer anzusehen sein, wonach für ihn die in § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG genannten Rechtsfolgen eintreten würden.
Soweit nicht nach den bisherigen Rechtsgrundsätzen eine Anzahlungsbesteuerung vorlag, wird die Steuerentstehung nunmehr vorverlagert. Ausgangspunkt ist nunmehr nach § 3 Abs. 14 UStG die Ausgabe bzw. Übertragung eines Einzweck-Gutscheins als maßgeblicher steuerlicher Anknüpfungspunkt.
Ob die in § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG enthaltene Leistungsfiktion zu einer Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG oder zu einer sonstigen Leistung i. S. d. § 3 Abs. 9 UStG führt, ist von der Leistung abhängig, zu der der Gutschein berechtigt. Diese Einordnung determiniert folglich auch die Leistungsortbestimmung und den anzuwendenden Steuersatz.
Der Leistungsort bei Einzweck-Gutscheinen richtet sich zunächst danach, ob er bei Einlösung zu einer Lieferung oder sonstigen Leistung berechtigt. Berechtigt der Einzweck-Gutschein zu einer Lieferung, bestimmt sich der Ort der fiktiven Lieferung im Ausgabe- oder Übertragungszeitpunkt nach entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG, da zum Zeitpunkt der fiktiven Leistung keine Warenbewegung stattfindet. Bezieht sich der Einzweck-Gutschein auf eine sonstige Leistung, finden die allgemeinen Ortsvorschriften Anwendung (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 5 Sätze 1 bis 5 UStAE; Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 76 f.). Sofern die Ortsbestimmung jedoch vom Status des Empfängers abhängt, muss nach Abschn. 3.17 Abs. 5 Satz 4 UStAE feststehen, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht. Unklar ist die Behandlung sonstiger Leistungen, bei deren Ortsbestimmung Vorschriften in Betracht kommen, die neben dem Status des Leistungsempfängers von weiteren Voraussetzungen abhängen.
Im Ergebnis entscheidet sich das korrekte Vorgehen bei diesen Fallgestaltungen durch die Beantwortung der Frage, welche Reichweite die Fiktion nach § 3 Abs. 14 Sätze 2 und 5 UStG entfaltet. Geht man von einer vollständigen Fiktion aus, wäre in der Konsequenz die Ortsvorschrift maßgeblich, welche bei Ausführung der im Gutschein enthaltenen Leistung einschlägig wäre. Bei Einzweck-Warengutscheinen in Kaufhäusern beispielsweise wäre dies also bei Lieferungen i. d. R. der sog. Abholfall (vgl. Abschn. 3.12 Abs. 1 Satz 2 UStAE), demnach § 3 Abs. 6 Sätze 1 und 2 UStG. Um zu vermeiden, dass entgegen des Willens des europäischen Gesetzgebers – in der Folge dieser Interpretation – überwiegend Mehrzweck-Gutscheine vorliegen würden (da z. B. das Verhalten des den Gutschein Einlösenden nicht vorhergesagt werden kann), könnte hierbei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abgestellt werden (vgl. Prätzler, StuB 2019, S. 316; ). Die Finanzverwaltung geht im Gegensatz dazu bei Lieferungen jedoch offenbar von einer teilweisen Fiktion aus, d. h. lediglich die grundsätzliche Ausführung der Lieferung bei Übertragung oder Ausgabe des Gutscheins wird fingiert und anschließend durch die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gegebenheiten, bspw. der Ort an welchem sich die Ware bei Ausstellung oder Übertragung des Gutscheins befindet, ergänzt, weshalb es sich hier nach Abschn. 3.17 Abs. 5 Satz 1 UStAE stets um ruhende Lieferungen handeln soll (vgl. zustimmend: Huschens, UVR 2020, S. 52; ablehnend: Prätzler, DB 2020, S. 2492; Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 76 f., der sich im Ergebnis bei Lieferungen für eine vollständige Fiktion ausspricht).
Bei sonstigen Leistungen soll gem. Abschn. 3.17 Abs. 5 Satz 3 UStAE im Gegensatz dazu scheinbar dem Gedanken einer vollständigen Fiktion gefolgt werden. So wird beispielsweise die Anwendung von § 3b UStG bei Gutscheinen in Abschn. 3.17 Abs. 5 Satz 3 UStAE ausdrücklich erwähnt, obwohl im Zeitpunkt der Übertragung oder Ausgabe des Einzweck-Gutscheins keine Beförderung bewirkt wird. Aus praktischer Sicht ist die Verwaltungsauffassung ausdrücklich zu begrüßen, würden sonst für eine Vielzahl von Einzweck-Gutscheinen der Ort einer enthaltenen sonstigen Leistung bei Ausgabe oder Übertragung nach § 3a Abs. 1 oder 2 UStG bestimmt werden. Dies würde zu erheblichem Gestaltungspotenzial und zu unsystematischen Verwerfungen führen.
Da im Rahmen von Einzweck-Gutscheinen nach der Verwaltungsauffassung gem. Abschn. 3.17 Abs. 5 Satz 1 UStAE keine bewegten Lieferungen in Betracht kommen, sind Steuerbefreiungen für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 lit. b i. V. m. § 6a UStG) oder Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 lit. a i. V. m. § 6 UStG) in diesen Fällen nicht anwendbar (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 5 Satz 2 UStAE).
Für die Bemessungsgrundlage und den Steuersatz bei Einzweck-Gutscheinen existieren keine speziellen Regelungen. Sie bestimmen sich demnach nach den allgemeinen Grundsätzen in § 10 Abs. 1 und § 12 UStG (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 UStAE). Zur Nichteinlösung von Einzweck-Gutscheinen vgl. IV.2.
4. Mehrzweck-Gutscheine
4.1. Anwendungsbereich und Definition
Gemäß der in § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG enthaltenen Legaldefinition sind Mehrzweck-Gutscheine alle Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 13 UStG, bei denen es sich nicht um Einzweck-Gutscheine handelt. Im Gegensatz zu Einzweck-Gutscheinen dürften Mehrzweck-Gutscheine im Geschäftsverkehr deutlich häufiger anzutreffen sein, da sie immer dann vorliegen, wenn der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung oder die geschuldete Umsatzsteuer am Ausgabezeitpunkt noch nicht zweifelsfrei bestimmbar sind. Hiervon sind insbesondere Gutscheine erfasst, die sich sowohl gegen Leistungen, welche dem ermäßigten, als auch solche, welche dem Regelsteuersatz unterliegen, eintauschen lassen (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 9 Satz 4 UStAE).
4.2. Besteuerung von Mehrzweck-Gutscheinen
Für Mehrzweck-Gutscheine regelt § 3 Abs. 15 Satz 2 UStG, dass nur die tatsächliche Lieferung oder Erbringung der sonstigen Leistung bei Einlösung des Gutscheins einer Umsatzbesteuerung unterliegt.
Bei Ausgabe und Übertragung des Gutscheins liegt im Ergebnis ein umsatzsteuerlich unbeachtlicher Tausch von Zahlungsmitteln vor (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 9 Sätze 2 u. 3 sowie Abs. 10 Satz 1 UStAE; Rennar, USt direkt digital 22/2019, S. 18). Aus diesem Grund hat beim Verkauf eines Mehrzweck-Gutscheins keine Rechnungsstellung mit Umsatzsteuerausweis zu erfolgen (vgl. Feil/Kupke/Greisl, BB 2012, S. 3120). In der Folge resultieren auch aus der Nichteinlösung eines Mehrzweck-Gutscheins keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen.
Auch aus einer (endgültigen) Nichteinlösung eines Mehrzweck-Gutscheins resultieren keine umsatzsteuerlichen Folgen, da dem Gutschein keine Leistungserbringung zugrunde liegt (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 13 Satz 1 UStAE; Rennar, USt direkt digital 22/2019, S. 18).
Die Besteuerung von Mehrzweck-Gutscheinen entspricht bereits der vor der Umsetzung der Gutschein-Richtlinie geltenden Rechtslage für die Besteuerung von Wertgutscheinen.
Da eine Besteuerung erst bei Einlösung von Mehrzweck-Gutscheinen erfolgt, richtet sich der Ort nach der jeweiligen Lieferung oder sonstigen Leistung, zu welcher der Gutschein berechtigt.
Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich bei Einlösung der Mehrzweck-Gutscheine nach den allgemeinen Regelungen nach § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG, mithin nach dem Entgelt. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG enthält darüber hinaus eine spezielle Regelung für den Fall, dass dem Unternehmer, bei dem der Gutschein eingelöst wird, keine Informationen über die Höhe der für den Gutschein erbrachten Gegenleistung vorliegen. In diesem Fall bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert, jeweils abzgl. der in diesem Wert enthaltenen Umsatzsteuer.
Bei Mehrzweck-Gutscheinen bemisst sich die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Regelungen und nur in Ausnahmefällen nach dem Gutscheinwert. Grundsätzlich ist das für den Gutschein aufgewendete Entgelt maßgeblich (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 12 Satz 1 UStAE).
Auch bei Vertriebsketten ist die Übertragungen von Gutscheinen umsatzsteuerlich grundsätzlich unbeachtlich. Wenn das Vertriebsunternehmen mit der Übertragung oder Ausgabe des Mehrzweck-Gutscheins bestimmbare Dienstleistungen, wie etwa eine Vertriebs- oder Absatzförderungsleistung erbringt, unterliegt diese insofern als sonstige Leistung der Umsatzsteuer (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 10 Satz 2 u. Abs. 12 Satz 3 UStAE).
5. Preisnachlass- und Preiserstattungsgutscheine (Rabattgutscheine)
Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheine gewähren dem Einlösenden gegen Vorlage des Gutscheins einen mittelbaren oder unmittelbaren Nachlass auf den Verkaufspreis, führen also zu einer unmittelbaren Minderung des Entgelts.
Ein Gutschein, der direkt beim Erwerb der Leistung zu einem sofortigen Preisnachlass führt, ist ein Preisnachlassgutschein (vgl. Abschn. 17.2 Abs. 4 UStAE; Thiele/König, UR 2018, S. 934). Beispiele für Preisnachlassgutscheine sind die Einlösung von gesammelten Treuepunkten oder Rabatt-Coupons.
Ein Preiserstattungsgutschein liegt vor, wenn der Abnehmer eine nachträgliche Preiserstattung seitens des Leistungserbringers, oder eines anderen in die Leistungskette eingeschalteten Unternehmers (z. B. dem Hersteller), erhält (vgl. Abschn. 17.2 Abs. 4 UStAE; Thiele/König, UR 2018, S. 934). Preiserstattungsgutscheine liegen beispielsweise bei Erstattungen nach Einsendung der Rechnung oder der Warenverpackung vor.
Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheine bzw. Rabattgutscheine werden nicht vom Anwendungsbereich der Neuregelung erfasst (§ 3 Abs. 13 Satz 2 UStG; Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Für die umsatzsteuerliche Behandlung gelten daher weiterhin die hier genannten Grundsätze.
Aus zivilrechtlicher Sicht stellen diese Gutscheine eine Einladung des ausgebenden Unternehmers dar, ein Kaufangebot zu einem reduzierten Bruttopreis abzugeben („invitatio ad offerendum“) (vgl. Koss, DB 2019, S. 2594). Die Ausgabe oder Übertragung von Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheinen - etwa bei Rabattkarten - ist umsatzsteuerlich unbeachtlich. Die Gutscheine beinhalten nicht das Recht, eine bestimmte Leistung zu erwerben. Sie führen in der Folge erst bei tatsächlicher Ausführung eines Umsatzes zu einer Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage.
Bei nachträglicher Inanspruchnahme des Rabatts handelt es sich i. d. R. um eine nachträgliche Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG (vgl. Abschn. 17.2 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 UStAE; Thiele/König, UR 2018, S. 934). Die Minderung der Bemessungsgrundlage muss hierbei nicht auf allen Stufen einer Leistungskette erfolgen und ist unabhängig von der Position des Unternehmers und des begünstigen Abnehmers (vgl. Abschn. 17.2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStAE).
IV. Ausgewählte praktische Problemfelder
Die Regelung einer Reihe von Anwendungsfragen durch das und die damit verbundene Anpassung des Umsatzsteueranwendungserlasses ist begrüßenswert. Im Folgenden sollen einige aus Sicht der Autoren dort geregelte besonders relevante praktische Fragestellungen dargestellt und diskutiert werden.
1. Nachträgliche Änderung der Verhältnisse
Sowohl bei Einzweck-, als auch bei Mehrzweck-Gutscheinen können sich Fallgestaltungen als problematisch erweisen, in denen sich nach Ausgabe oder Übertragung die umsatzsteuerlich relevanten Verhältnisse eines Sachverhaltes ändern, auf deren Basis die Einordnung des Gutscheins oder die Besteuerung vorgenommen worden ist (vgl. Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 23 f.; Prätzler, StuB 2019, S. 320 f.; Thiele/König, UR 2018, S. 939; Robisch/Greif, NWB 2018, 2685).
Werden beispielsweise bei Erwerb eines Einzweck-Gutscheins zunächst nur Leistungen zu einem bestimmten Steuersatz angeboten, das Angebot jedoch noch vor Einlösung um Leistungen erweitert, die einem abweichenden Steuersatz unterliegen, liegt ein sog. Sortimentswechsel vor. Läge ein Fall der Anzahlungsbesteuerung vor, wäre bei tatsächlicher Ausführung der angezahlten Leistung nach einer Änderung des Steuersatzes nunmehr der aktuelle Steuersatz maßgeblich. Dies gilt aufgrund der gesetzlichen Fiktion jedoch ausdrücklich nicht bei Einzweck-Gutscheinen (vgl. Vobbe, BB 2018, S. 2845). Nach neuer Rechtslage käme eine entsprechende Anwendung von § 17 UStG in Betracht, wonach die entsprechenden Folgen aus der jeweiligen Umqualifizierung des Gutscheins umsatzsteuerlich erfasst werden (vgl. Prätzler, StuB 2019, S. 320). In der Folge könnte bei Einlösung des umqualifizierten Gutscheins eine Rücknahme nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG angenommen werden (vgl. Korn, DStR 2019, S. 11 f.; Huschens, DB 2019, S. 452; für eine entsprechende Anwendung bei der „zweckwidrigen“ Einlösung eines Einzweck-Gutscheins: Korn in: Bunjes, UStG-Kommentar, 18. Aufl. 2019, § 17 UStG, Rn. 79). Andererseits wird argumentiert, dass ausschließlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Gutscheinausgabe oder -übertragung abzustellen sei (vgl. Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 23 f.). Sofern eine Änderung nach § 17 UStG verneint wird, kommt darüber hinaus auch eine Änderung nach § 175 AO in Betracht (ablehnend jedoch Koss, DB 2019 S. 2597; zum Verhältnis von § 17 UStG zu § 175 AO vgl. Korn in: Bunjes, UStG-Kommentar, 18. Aufl. 2019, § 17 UStG, Rn. 10). Die Finanzverwaltung hat sich zu dieser Thematik im geäußert. Demnach ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Besteuerung der Leistungsfiktion die Gutscheinausgabe des ausgebenden Unternehmers an den Kunden. Eine Änderung der Verhältnisse im Nachhinein ist irrelevant (vgl. BStBl 2020 I S. 584, Rz. 30). Im Zweifel ist in der Praxis der Verwaltungsauffassung zu folgen.
Gleiches gilt auch bei Änderungen der Verhältnisse, welche zwar zwischen Ausstellung und Einlösung eines Einzweck-Gutscheins auftreten können, jedoch nicht die grundsätzliche Einordnung der Gutscheinart betreffen. In Betracht kommen Fallgestaltungen, in dem der Gutscheinaussteller im Zeitpunkt der Ausgabe noch Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG ist und somit keine Umsatzsteuer erhoben wird, die Kleinunternehmereigenschaft bei Gutscheineinlösung jedoch nicht mehr besteht.
Darüber hinaus ist es ebenfalls denkbar, dass sich das umsatzsteuerliche Regelungsgeflecht, wie zum Beispiel die maßgebende Vorschrift für den Ort der Leistung oder der Steuersatz, ändert (vgl. Prätzler, StuB 2019, S. 316). Änderungen des Steuersatzes sind derzeit insbesondere auch aufgrund der generellen Absenkung der Steuersätze in der Zeit vom 1.7. bis zum sowie der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen vom bis zum von Bedeutung (vgl. § 28 Abs. 1 u. 2 UStG; § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG).
2. Nichteinlösung von Einzweck-Gutscheinen
Im Abschn. 3.17 Abs. 7 UStAE wurde klargestellt, dass sich aus der Nichteinlösung eines Einzweck-Gutscheins keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen ergeben, da die ursprüngliche Leistung bereits bei Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins als erbracht gilt und demzufolge in diesem Zeitpunkt zu versteuern ist (vgl. Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 64; Feil/Polok, MwStR 2017, S. 67; Robisch/Greif, NWB 2018, 2685). Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG kommt demnach nur dann in Betracht, wenn das Entgelt ausnahmsweise zurückgezahlt wird.
Wird ein Einzweck-Gutschein endgültig nicht eingelöst, ergeben sich hieraus keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG kommt nur in Betracht, wenn das Entgelt ausnahmsweise zurückgezahlt wird (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 7 UStAE).
3. Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens und bestimmter Ortsvorschriften
Nicht speziell geregelt ist, wie bei Umsätzen zu verfahren ist, bei denen es zu einer Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens kommen kann (vgl. Robisch/Greif, NWB 2018, 2686). Unseres Erachtens ist hier danach zu differenzieren, ob für die im Gutschein enthaltene Leistung die Voraussetzungen für einen Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger feststehen oder nur bei einem Teil der wählbaren Leistungen in Betracht kommen. Im ersten Fall geht die Steuerschuldnerschaft entsprechend der Fiktion in § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG bereits zum Erwerbszeitpunkt des Gutscheins auf den Leistungsempfänger über (so wohl auch Huschens, DB 2019, S. 452). Im zweiten Fall handelt es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein, da die geschuldete Steuer entgegen § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG nicht endgültig bestimmt werden kann.
4. Vorsteuerabzug beim Erwerb von Einzweck-Gutscheinen
Unsicherheit bestand bislang beim unternehmerischen Kauf eines Einzweck-Gutscheins hinsichtlich des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Dieser setzt eine ordnungsgemäße Rechnung i. S. d. § 14 Abs. 2 UStG voraus, wonach gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG die Menge und Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder der Umfang und die Art der sonstigen Leistung ausgewiesen werden muss (vgl. Huschens, DB 2019, S. 455). Bei einem Einzweck-Gutschein sind diese Angaben im Ausgabezeitpunkt jedoch gegebenenfalls noch nicht bestimmbar.
Abschn. 14.5 Abs. 15 Satz 5 UStAE regelt, dass in einer Rechnung über die Übertragung bzw. Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins nach § 3 Abs. 14 UStG die Bezeichnung der Gutscheinart (Einzweck-Gutschein) sowie eine kurze Beschreibung der Lieferung oder der sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, ausreichend sei.
5. Gutscheine als unentgeltliche Wertabgaben
Die bisherige Ungewissheit, ob die Grundsätze der unentgeltlichen Wertabgabenbesteuerung nach den §§ 3 Abs. 1b u. 9a UStG und der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG Anwendung finden (vgl. Prätzler, StuB 2019, S. 318; Thiele/König, UR 2018, S. 939; Englisch, ifst-Schrift 515 2017, S. 54 ff.), hat die Anpassung des UStAE nun erfreulicherweise beseitigt. Demnach sind die bekannten Grundsätze auch auf Gutscheine anzuwenden.
Bei Einzweck-Gutscheinen liegt aufgrund der Leistungsfiktion bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine unentgeltliche Wertabgabe vor, die mit dem Einkaufs- bzw. subsidiär mit dem Selbstkostenpreis zu bewerten ist (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 6 Satz 4 UStAE).
Bei der unentgeltlichen Übertragung bzw. Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins ist erst im Zeitpunkt der Einlösung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen von einer unentgeltlichen Wertabgabe auszugehen. Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 4 Satz 1 UStG der im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins maßgebende Einkaufspreis, subsidiär der Selbstkostenpreis des leistenden Unternehmers. Gibt ein Unternehmer, der nicht personenidentisch mit dem leistenden Unternehmer ist, einen Gutschein aus eigener Entscheidung unentgeltlich aus, richtet sich dessen Bemessungsgrundlage ebenfalls nach § 10 Abs. 4 Satz 1 UStG. Die Bemessungsgrundlage des leistenden Unternehmers soll in diesem Fall davon abhängig sein, ob er Kenntnis von der unentgeltlichen Ausgabe gehabt hat (vgl. Abschn. 3.17 Abs. 12 Satz 4 ff. UStAE).
Die Grundsätze der unentgeltlichen Wertabgabenbesteuerung sind sowohl bei Einzweck- als auch bei Mehrzweck-Gutscheinen anzuwenden. Bei Mehrzweck-Gutscheinen kommt eine unentgeltliche Wertabgabe jedoch erst bei Einlösung des Gutscheins in Betracht.
6. Übergangsregelung
Da die Neuregelung zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen bereits fast zwei Jahre in Kraft ist und sich die Routinen in den Unternehmen entsprechend eingestellt haben dürften, ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass das eine Übergangsregelung (Nichtbeanstandungsfrist) enthält.
Es wird nicht beanstandet, wenn die nunmehr im UStAE eingefügten Grundsätze erst für Gutscheine angewendet werden, die nach dem ausgestellt werden. Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug.
V. Fazit
Zusammenfassend ist die unionsweite Regelung dieser äußerst praxisrelevanten Thematik begrüßenswert. Noch erfreulicher wäre es, wenn auch die Regelungen zu Preisnachlassgutscheinen unionsweit harmonisiert würden. Ebenfalls erfreulich ist die Klärung einer Reihe von Anwendungsfragen durch das die damit verbundene Anpassung des Umsatzsteueranwendungserlasses und die geltende Übergangsregelung. Hiermit wurde den Unternehmen und Beratern ausreichend Reaktionszeit eingeräumt. Einige Anwendungsfragen sind jedoch weiterhin klärungsbedürftig. Sofern in praktischen Einzelfällen eine umsatzsteuerrechtliche Eingruppierung (z. B. in Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen) ernsthaft zweifelhaft ist, ist aufgrund unterschiedlicher Rechtsfolgen die Einholung einer verbindlichen Auskunft i. S. des § 89 AO weiterhin zu empfehlen.
Fundstelle(n):
USt direkt digital 23 / 2020 Seite 14
NWB DAAAH-64488
Autoren
ist als Betriebsprüfer in der niedersächsischen Finanzverwaltung und als Gastdozent an der Steuerakademie Niedersachsen tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.
ist im Bundesministerium der Finanzen, Berlin, tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.