Das Steueroasen-Abwehrgesetz gilt bald auch für Russland
Denn mit den Änderungen dieses Jahres werden die spezifischen Anti-Missbrauchsregelungen auch im Verhältnis zu Geschäftspartnern in Russland gelten. Hinzu kommen 15 weitere Länder und Gebiete, die man nicht nur geografisch leichter den „Steueroasen“ zugerechnet hat.
Ausgangspunkt ist eine Vereinbarung der EU
Der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) überarbeitet zweimal im Jahr die EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (zuletzt Mitte Oktober 2023, s. ABl EU 2023 Nr. C 437). Diese EU-Blacklist enthält damit aktuell im zentralen Anhang I 16 Staaten, neu dabei Antigua und Barbuda, Belize sowie die Seychellen, zudem bereits wie zuvor die Amerikanischen Jungferninseln, Amerikanisch-Samoa, Anguilla, die Bahamas, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Russland, Samoa, Trinidad und Tobago, die Turks- und Caicosinseln sowie Vanuatu. Zwischenzeitlich wurde Costa Rica auf die Liste genommen; der mittelamerikanische Staat wurde jedoch auf der jüngsten EU-Liste wieder gestrichen – ebenso die Britischen Jungferninseln und die Marschallinseln.
Die russische Föderation wurde bereits bei der letzten Aktualisierung der EU-Liste am 14.2.2023 neu aufgenommen. Die schwarze Liste benennt die jeweiligen Defizite in der international vereinbarten Steuercompliance (z. B. Begünstigung von Holding- oder Offshore-Strukturen oder die Freistellung ausländischer Einkünfte) und in Transparenzfragen (also die fehlende Bereitschaft oder Umsetzung des automatischen Austausches von finanziellen Informationen zwischen den Steuerbehörden).
Umsetzung in Deutschland durch das StAbwG und eine Verordnung
Nun setzt die EU-Listung unmittelbar nur eingeschränkt Recht; so in Bezug auf die sog. DAC6-Meldezwecke nach der EU-Amtshilferechtlinie. Für die rechtliche Geltung für Steuerpflichtige im Inland bedarf eines deutschen Gesetzes (§ 3 Abs. 1 Steueroasen-Abwehrgesetz - StAbwG). Die Maßnahmen des Steueroasen-Abwehrgesetzes werden in Bezug auf die neu hinzugekommenen Staaten zudem erst durch eine Änderung der Steueroasen-Abwehrverordnung (StAbwV) wirksam.
Diese Verordnung aktualisiert das BMF zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf Grundlage des § 3 StAbwG. Diese schafft als „Scharnier“ die Überleitung in deutsches Recht mit Geltung für Geschäftsbeziehungen in konkrete Staaten. Dabei wird der jeweilige Stand der EU-Liste berücksichtigt. Die Aktualisierung erfolgt einmal jährlich zum Ende des Jahres. Der aktuelle Referentenentwurf für die aktualisierte Verordnung hat das Datum v. 10.10.2023. Die Verkündung des Inhalts im Dezember gilt als sicher.
Die unmittelbaren Folgen
Im Grundsatz gelten damit mit Wirkung zum 1.1.2024 Nachteile für Unternehmen und natürliche Personen in Deutschland, soweit sie mit den oben benannten Staaten und Territorien Geschäfte tätigen oder Beteiligungen dorthin bestehen. Betroffen sind Geschäftsvorgänge, sowohl schuldrechtliche Beziehungen als auch gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen (§ 7 StAbwG). Es muss sich nicht um typische Finanztransaktionen handeln (die auf Geldwäsche oder Steuerdumping zielen können).
Die konkreten Auswirkungen:
- Da die Bestimmungen des Steueroasen-Abwehrgesetzes Vorrang vor etwaigen Doppelbesteuerungsabkommen haben, stehen klassische Abkommensvorteile mit DBA-Staaten mit einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet nicht mehr zur Verfügung (§ 1 Abs. 3 StAbwG).
- Es gilt ein Verbot für den Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug (§ 8 StAbwG) ab Beginn des vierten Jahres nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung (also ab 2027).
- Es gilt die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG).
- Es gilt ein erweiterter Katalog beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte gem. § 49 EStG, z. B. für Erträge aus Finanzierungsbeziehungen, aus der Erbringung von Dienstleistungen oder aus dem Handel mit Waren. Hierfür gilt eine Quellensteuer von 15 % (§ 10 StAbwG).
- Die Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsverkäufen (§ 11 StAbwG) werden drei Jahre nach Inkrafttreten der StAbwV angewendet.
- Insbesondere bestehen unmittelbar gesteigerte Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten über Geschäftsbeziehungen, Vertragsbedingungen oder Vermögenswerte, die über § 90 AO hinausgehen (§ 12 StAbwG). Die Aufzeichnungen sind spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres zu erstellen und automatisch zu übermitteln. Hinzu kommt eine Vorlagepflicht innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung.
Da mit fast allen kleinen Destinationen in der Karibik und im Pazifik kein spürbarer Handel oder Dienstleistungsaustausch besteht, betreffen auch die erheblich höheren Dokumentationspflichten (entsprechend der Amtshilferichtlinie und den Vorgaben zum Country-by-Country Reporting) bislang nur einen kleinen Kreis von Unternehmen.
Doch mit Russland treiben deutsche Unternehmen trotz der Sanktionen und der russischen Gegensanktionen noch Handel in einem zweistelligen Milliardenvolumen – wenn auch stark rückläufig. Der Abbruch der Geschäfte und Verkauf etwaiger Beteiligungen und Betriebsstätten sind derzeit erheblich erschwert. Hier sind kurzfristig weitere Nachteile zu erwarten.
Vor der Änderung im Dezember müssen Unternehmen jetzt ggf. noch kurzfristig handeln. Unternehmen und deren Berater müssen sich außerdem Überblick über alle insbesondere mit Russland bestehenden Geschäftsbeziehungen verschaffen, wozu in dieser Tiefe bislang oft kein Anlass bestand. Zu den offenen Fragen haben sich das BMF und das BZSt noch nicht geäußert. Einige Aufsätze in der IWB zum Steueroasen-Abwehrgesetz und den Folgen der Änderung der Verordnung dazu haben wir in einem Themen-Special gebündelt. Auch ein Podcast des NWB Tax Quartetts (Folge #30) griff das Thema auf.