Neue Chancen und Instrumente in der Sanierungsberatung

Gerät ein Unternehmen in die Krise, ist schnelles Handeln geboten. Abhängig vom jeweiligen Krisenstadium und den Handlungsspielräumen werden dabei unterschiedliche Anforderungen an den Berater des Krisenunternehmens gestellt. Eine professionelle Sanierungsberatung bietet angeschlagenen Unternehmen oftmals eine zweite Chance für einen Neuanfang – und dem Steuer- oder Wirtschaftsberater ein zusätzliches Betätigungsfeld.

I. Auftragsgestaltung

1. Wer kann Sanierungsberater sein?

Sowohl Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte können als Sanierungsberater tätig sein. Neben den Berufsträgern können grundsätzlich auch Unternehmensberater oder sonstige Sachverständige beauftragt werden. Lediglich in Einzelfällen werden Einschränkungen formuliert. Nach § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO kommen als Gutachter beim sog. Schutzschirmverfahren nur in Insolvenzsachen erfahrene Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Personen mit vergleichbaren Qualifikationen in Betracht. Aus dem Zusatz „in Insolvenzsachen erfahrenen“ lässt sich schließen, dass die Berufsträgerschaft des Gutachters allein nicht für die Aufgabe qualifiziert. Der Standard IDW S 9 macht eine mehrjährige Befassung mit deutschen Insolvenz- oder Sanierungsfällen zur notwendigen Voraussetzung für den Gutachter. Das Feld der Sanierungsberatung ist nicht nur herausfordernd, sondern auch haftungsträchtig. Daher sollte es gut überlegt sein, in dem Geschäftsfeld tätig zu werden und einen entsprechenden Auftrag anzunehmen.

Das StaRUG stellt mit §§ 94 ff. dem Schuldner eine weitere Person an die Seite: den Sanierungsmoderator. Als eine vom Schuldner und den Gläubigern unabhängige Person soll der Sanierungsmoderator zwischen den Parteien vermitteln und bei der Ausarbeitung von Sanierungsmöglichkeiten unterstützen.

2. Beratervertrag

Auch wenn grundsätzlich Formfreiheit besteht und damit ein Beratervertrag auch mündlich geschlossen werden kann, sollte auf eine schriftliche Vereinbarung nicht verzichtet werden. Diese bildet die Grundlage für die Beratung. Zum Auftragsinhalt sollten insbesondere die Festlegung der wesentlichen Bestandteile und konkreten Ziele, die mit dem Auftrag erreicht werden sollen, die erwarteten Kosten sowie die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers gehören.

3. Haftung

Der Berater haftet bei Pflichtverletzung. Als pflichtverletzende Handlungen gelten insbesondere eine falsche Beratung bzw. unbrauchbare und/oder wertlose Beratungsleistungen. Ob eine Pflichtverletzung vorliegt, muss im Einzelfall beurteilt werden und ist vom Auftragsgegenstand und -umfang abhängig. Insbesondere Insolvenzverwalter haben neuerdings Sanierungsberater als potenzielle Anspruchsgegner ins Auge gefasst. Während bei den verantwortlichen Geschäftsführern häufig nicht viel zu holen ist, fokussieren Insolvenzverwalter immer wieder auf die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der Berater.

II. Krisenstadien

Der IDW S 6 definiert fünf Krisenstadien, die jeweils den Inhalt und den zeitlichen Umfang des Auftrags determinieren:

  1. Stakeholderkrise
  2. Strategiekrise
  3. Produkt- und Absatzkrise
  4. Erfolgskrise
  5. Liquiditätskrise

III. Sanierungskonzepte

In der Regel bestimmen das konkrete Krisenstadium oder vorliegende Insolvenzgründe die dem Unternehmen und dem Sanierungsberater zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume und Instrumente.

1. Schutzschirmverfahren nach IDW S 9

Gemäß § 270d Abs. 1 InsO (vormals: § 270b Abs. 1 InsO ) kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist – höchstens drei Monate – zur Vorlage eines Insolvenzplans bestimmen, wenn das betroffene Unternehmen einen Antrag auf Insolvenzeröffnung aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt hat (sog. Schutzschirmverfahren). Dieser Antrag wird um eine Bescheinigung eines Gutachters ergänzt, aus der hervorgeht, dass zwar drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nach der ersten Einschätzung des Gutachters nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Praxishinweis
Der Vorteil des Schutzschirmverfahrens: Es gewährt die Chance, das Unternehmen mit den Instrumenten des Insolvenzrechts zu sanieren, ohne dass das Management die Kontrolle über das Unternehmen an einen Insolvenzverwalter verliert.

2. Sanierungskonzept nach IDW S 6

Der Inhalt eines Sanierungskonzepts ist nicht gesetzlich festgeschrieben, vielmehr orientiert sich die Praxis an der Rechtsprechung der vergangenen Jahre und dem IDW Standard „Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6)“, der die entsprechenden Entscheidungen des BGH berücksichtigt und umsetzt. Die Erfolgsaussichten von Sanierungsbemühungen sind untrennbar mit der Qualität des zugrunde liegenden Sanierungskonzepts verbunden.

Der Standard definiert und beschreibt sieben Kernanforderungen eines Sanierungskonzepts, die die Grundlage für die Aussage zur Sanierungsfähigkeit bilden.

3. Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

Ab 1.1.2021 erhalten angeschlagene Unternehmen über das StaRUG ein weiteres Instrument an die Hand. Damit soll es der Geschäftsleitung zukünftig möglich sein, die Nachteile einer Insolvenz, insbesondere den damit verbundenen Reputationsschaden, zu vermeiden und gleichzeitig dennoch die Sanierungsinstrumente des Insolvenzrechts für sich in Anspruch nehmen zu können. Das Instrument bleibt jedoch nur Unternehmen vorbehalten, bei denen zum Zeitpunkt der Anzeige keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt; somit lediglich eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht.

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gestaltet sich nicht als starres Verfahren mit festgeschriebenen Abläufen, sondern als ein Rahmen von Verfahrenshilfen, welche das betroffene Unternehmen in Abhängigkeit des verfolgten Restrukturierungsvorhabens in Anspruch nehmen kann. Es wird somit regelmäßig kein umfangreiches Gutachten benötigt. Es reicht aus, wenn eine schriftliche Dokumentation dem Gericht vorgelegt werden kann, aus der sich die Notwendigkeit und Umsetzung der Restrukturierung aufgrund eines nachhaltigen und funktionierenden Geschäftsmodells des Unternehmens ergibt.

Kernelement des StaRUG bildet der Restrukturierungsplan, dessen Aufbau und Inhalt stark an den Vorgaben eines Insolvenzplans orientiert ist. In den Restrukturierungsplan brauchen jedoch nicht alle Gläubiger einbezogen zu werden. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ermöglicht es, dass nur bestimmte Gläubigerforderungen in den Restrukturierungsplan involviert werden, weil sich beispielsweise die Restrukturierung nur auf die Forderungen der Kreditgläubiger erstrecken soll. Für die Zustimmung zum Plan werden mindestens 75 % der Stimmen der Gruppenmitglieder benötigt. Dabei richtet sich das Stimmrecht nach dem Betrag der Gläubigerforderung. Es wird die Möglichkeit geschaffen, die Zustimmung einzelner Gläubigergruppen zu ersetzen und damit den Plan auch gegen den Willen einzelner durchzusetzen. Mit Hilfe der gerichtlichen Stabilisierungsanordnung können für die Dauer von drei Monaten beispielsweise Vollstreckungsmaßnahmen oder die Durchsetzung von Ab- und Aussonderungsrechten ausgesetzt werden.

IV. Checkliste

Zu Beginn der Sanierungsberatung muss eingeordnet werden, in welcher Phase sich das Unternehmen befindet und welche Maßnahmen notwendig sind, um die Krise zu beseitigen. Die nachfolgende Checkliste soll einen ersten Überblick geben.

 

1. Gibt es ein Problem? Feststellung der Sanierungsbedürftigkeit

 

  1. Liegen Anhaltspunkte für eine Krise vor, die sich aus dem Jahresabschluss oder der laufenden Finanzbuchhaltung ergeben?
  2. Weist die GuV wesentliche Abweichungen gegenüber Vorjahr und/oder der Planung auf?
  3. Gibt es Hinweise auf Liquiditätsengpässe – kein Ausnutzen von Skonto, hohe Altersstruktur bei den Verbindlichkeiten, (dauerhaft) überzogene Kreditlinien, Lieferanten fordern Vorkasse, nicht bezahlte Beraterrechnungen?
  4. Stellen sich Banken quer bei Kreditbeschaffungen oder -erweiterungen?

 

2. Die schwierige Situation hat sich verfestigt: Insolvenzprüfung

 

  1. Liegt ein Insolvenzeröffnungsgrund – Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – vor?
  2. Verfügt das Unternehmen im Falle einer Überschuldung über stille Reserven?
  3. Ist für das aktuelle und folgende Geschäftsjahr die Fortführung der Unternehmenstätigkeit nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB gegeben?
  4. Ergreifen Gesellschafter eigene Sanierungsschritte – Kapitalerhöhung, (harte) Patronatserklärung, Gesellschafterdarlehen, Forderungsverzicht (mit Besserungsschein), Rangrücktritt?
  5. Wird – bei Bejahen der Insolvenzantragspflicht – die Frist für den Antrag gewahrt?

 

3. Worst-Case-Szenario ist eingetreten: Ist das Unternehmen sanierungsfähig?

  1. Welche Ursachen haben zur Krise geführt?
  2. Ist das Geschäftsmodell des Unternehmens noch geeignet?
  3. Können positive Liquiditätseffekte erreicht werden – Kapitalerhöhung, Tilgungsaussetzung, Zinsanpassung, Factoring, Sale-and-lease-back?
  4. Können Kosten eingespart werden – durch Rationalisierung von Prozessen, Personalabbau, Neuverhandlung von Verträgen?
  5. Tragen die Gesellschafter die Sanierungsbemühungen mit?
  6. Bestätigt die Unternehmensplanung die Fortführungsfähigkeit?

 


 

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