Allgegenwart des Familien- und Erbrechts

Das Familien- und Erbrecht säumt permanent den Weg. Zwei aktuelle und gleichzeitig zeitlose Beispiele aus dem Bereich des Güterrechts und der Testamentsvollstreckung in Kombination mit dem Steuerrecht verdeutlichen dies.

Beispiel 1: Ehegatten leben seit mehreren Jahrzehnten in der Zugewinngemeinschaft und wirtschaften gemeinsam. Durch Vermögensverschiebungen zwischen ihnen beiden in den letzten Jahrzehnten liegen steuerrelevante Sachverhalte vor, für die keine Schenkungsteuerdeklaration erfolgte. Ohne vertiefte Kenntnis des Güterrechts lässt sich diese Thematik nicht optimal lösen.[1]

Beispiel 2: Erblasser E verstarb im Herbst 2020. Witwe W verstarb im Sommer 2022. Testamentsvollstreckung ist angeordnet. Schlusserbin ist eine gemeinnützige Stiftung. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit und lässt sich zurückfordern.

Steuerliche Berater tun gut daran, das Familien- und Erbrecht zumindest im Überblick zu kennen, und rechtliche Berater tun gut daran, das Steuerrecht zumindest im Überblick zu kennen, um zu gelingenden Gestaltungen bzw. Lösungen zu gelangen.

Die Lösung des Beispiels 1 allein mit dem steuerlichen Handwerkszeug würde dazu führen, dass eine vollständige und richtige Nachdeklaration der freigiebigen Zuwendungen der letzten Jahrzehnte erfolgen müsste. Zudem dürfte in diesem Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit die Festsetzung von Hinterziehungszinsen erfolgen. Der Weg über die Güterstandsschaukel vermeidet – sofern die rechnerischen Voraussetzungen vorliegen – die ansonsten festzusetzende Schenkungsteuer und minimiert die Risiken der Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Der steuerliche Berater, der nicht über den Tellerrand schauen würde, hätte seiner Mandantschaft einen „Bärendienst“ erwiesen.

Bei Fall 2 verhält es sich umgekehrt: Würde hier der zivilrechtliche Berater nicht über seinen Tellerrand schauen, würde erstattungsfähige Schenkungsteuer beim Fiskus verbleiben und weniger Nachlass dort landen, wo er nach dem gemeinsamen Wunsch der Erblasser landen sollte: In der Gemeinnützigkeit.

Sowohl das Familienrecht, vor allem das Adoptionsrecht und das Güterrecht, als auch das Erbrecht sind hochrelevant für den steuerlichen Berater. Im Erbrecht ist die umfassende Kenntnis erforderlich bzw. zumindest hilfreich. Die gesetzliche Erbfolge (die wiederum durch das Güterrecht beeinflusst wird) ist für die Erbschaftsteuerdeklaration bedeutsam, gleichsam das Recht der Ausschlagung, die testamentarische Erbfolge und das flexible Vermächtnisrecht (z. B. das sog. „Supervermächtnis“[2]) zur Steueroptimierung. Eine Sonderstellung nimmt die Testamentsvollstreckung[3] ein, die auch dem steuerlichen Berater als Tätigkeitsfeld offensteht. Dies bedingt nicht nur die umfassende Kenntnis der Vorschriften zur Testamentsvollstreckung, sondern auch gestalterisches Wissen.

Ziel muss es sein, eine transparente Aufgabenstellung und Vergütungsregelung zu haben, damit am Ende die Testamentsvollstreckung nicht nur im besten Sinne des Erblassers durchgeführt werden kann, sondern sie auch zufriedene Begünstigte und einen zufriedenen Berater hinterlässt.


[1] Zur Berechnung des Zugewinnausgleichs vgl. Schellenberger, Familien- und Erbrecht im Überblick, Rz. 612 ff. Zur Güterstandsschaukel vgl. a. a. O. Rz. 797 ff.

[2] Schellenberger, Familien- und Erbrecht im Überblick, Rz. 1559.

[3] Schellenberger, Familien- und Erbrecht im Überblick, Rz. 1598 ff.

NWB Buch Familien- und Erbrecht im Überblick

 

Familien- und Erbrecht im Überblick

Rechtsanwalt Dr. Michael Schellenberger

1. Auflage. 2024. XLIV, 432 Seiten. Broschur.
ISBN: 978-3-482-68301-5

Preis: 74,00 €

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