Was Steuerberater zur Kassenführung ab 2020 wissen müssen – Grundlagen und Hinweise für die Beratung in den Bargeld-Branchen
Es bleiben jetzt nur noch neun Monate, um einen großen Teil des Bestands an Kassensystemen in Deutschland umzurüsten. Das ist keine rein technische Angelegenheit, da – spätestens jetzt – Buchführung und Kassentechnik eng verzahnt sind.
Die Herausforderung für den steuerlichen Berater besteht nun darin, seine Mandanten bei der Umsetzung zu begleiten. Der in der Vergangenheit gerne gegebene reine Hinweis auf den Lieferanten der Kassensysteme reicht hier keinesfalls mehr aus. Der Beitrag soll dem steuerlichen Berater daher nicht nur wichtiges Hintergrundwissen zum Gesetz, sondern auch Informationen zur technischen Umsetzung sowie den praktischen Fragen vermitteln.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Grundlagen
1. Ausgangslage
Seit dem gilt das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, im Folgenden kurz „Kassengesetz 2020“. Es hat die Regeln zur Kassenführung deutlich verschärft mit dem Ziel, die „Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die rechtsstaatlichen Erfordernisse des Steuervollzugs“ zu sichern.1 Kern ist die Einführung einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE).
Betroffen sind nach § 1 KassenSichV „elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen.“ Eine Abgrenzung von ähnlichen Systemen erfolgt über eine Negativliste: „Fahrscheinautomaten, Fahrscheindrucker, elektronische Buchhaltungsprogramme, Waren- und Dienstleistungsautomaten, Geldautomaten, Taxameter und Wegstreckenzähler sowie Geld- und Warenspielgeräte gehören nicht dazu.“
Sobald von einem System Grundaufzeichnungen erstellt werden und bare Zahlungsvorgänge erfasst und abgewickelt werden können (bereits die Möglichkeit reicht aus), fällt es unter die TSE-Pflicht. Das gilt auch für Software-Komponenten, die Funktionen für den Barverkauf abbilden und Teil eines größeren Systems wie z. B. einer Warenwirtschaft sind. In diesem Fall muss die TSE nur vom entsprechenden Modul genutzt werden.
Auch bestehende Kassensysteme müssen nachträglich mit einer TSE ausgestattet werden, sofern diese Nachrüstung technisch grundsätzlich („bauartbedingt“) möglich ist. Wenn keine Nachrüstung möglich ist und weitere Voraussetzungen vorliegen, dürfen die Geräte noch bis Ende 2022 weiterverwendet werden.
Obwohl das Gesetz bereits im Dezember 2016 verabschiedet wurde, ist es offenbar erst jetzt in den Fokus der Medien gelangt. Nicht nur die Belegausgabepflicht wird von fast allen Beteiligten kritisch und oft leider wenig sachkundig diskutiert, es gibt auch weitaus vernichtendere Urteile. Die Wirtschaftswoche etwa vermutet, dass das Gesetz das Problem der Kassenmanipulation nicht lösen wird.2
Diese Bewertung erscheint jedoch zu hart, da das vorliegende System zwar nicht besonders elegant, aber dank der„Nachbesserungen“ im Anwendungserlass doch praktisch umsetzbar ist.
Nachdem erst im August 2019 alle Anforderungen bekannt waren, konnten TSE- und Kassen-Anbieter zum Ende 2019 passende Lösungen anbieten. Das BMF musste darauf mit einer bis zum verlängerten Frist für Nachrüstungen reagieren.3 Neue Kassensysteme müssen jedoch seit dem eine TSE unterstützen, da dies die Voraussetzung für ein legales Inverkehrbringen ist.4
Mittlere und größere Unternehmen benötigen für Umstellungen bei den Kassensystemen meist viele Monate. Höchste Zeit also, sich als Praktiker in der Steuerberatung genauer mit den neuen Regeln auseinanderzusetzen.
Steuerliche Berater werden ihre Mandanten bei der Umsetzung des Kassengesetzes 2020 begleiten müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH5 besteht jedenfalls bei einem Dauermandat die Verpflichtung, entsprechende Hinweise auch ungefragt bzw. auch ohne gesonderten Auftrag an den Mandanten zu geben, um ggf. spätere Haftungsansprüche zu vermeiden.
2. Grundkonzept
2.1 Bisherige Situation
Grundsätzlich können Manipulationen an Aufzeichnungen elektronischer Kassensysteme auf drei Arten erfolgen:
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Nachträgliche Manipulation, also Veränderung von bestehenden, bereits aufgezeichneten Daten.
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Erfassung eines Teils der Geschäftsvorfälle parallel zum regulären System, z. B. durch Verwendung einer „Zweitkasse“ oder auch durch fallweise unterschiedliche Behandlung in der Kassensoftware.
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Nichterfassung von Geschäftsvorfällen im Aufzeichnungssystem.
Erfahrungsgemäß wird meistens der einfachste Weg gewählt, aufwändige Angriffe auf technische Sicherheitsmechanismen finden eher nicht statt.6 Bisher war die Datenmanipulation „das Mittel der Wahl“, da sie leicht durchzuführen und – wenn geschickt implementiert – schwer zu erkennen war. Technische Sicherungen führen dann zum Ausweichen auf die anderen Methoden.
Die Nichterfassung ist prinzipiell sehr einfach, schafft jedoch viele Mitwisser und provoziert Personaldiebstahl.
2.2 Konzept des Kassengesetzes
Das Kassengesetz 2020 wurde so konzipiert, dass alle Typen von Manipulationen deutlich erschwert werden. Dafür wurden folgende Maßnahmen umgesetzt:
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Einführung der TSE: nachträgliche Manipulationen von Daten sind dadurch mit praktisch 100%iger Sicherheit erkennbar;
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Meldepflicht der eingesetzten Kassen: „Zweitkassen“ sind damit erkennbar;
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Belegausgabepflicht: Sie erlaubt eine einfache und schnelle Kontrolle der korrekten Erfassung.
Die Maßnahmen werden abgerundet durch die neu eingeführte Kassen-Nachschau, die ein gewisses Entdeckungsrisiko für die Nichteinhaltung der genannten Regelungen (insbesondere Nr. 2 und 3) sicherstellen soll. Das oben genannte Ziel des Gesetzgebers ist nur durch ein Zusammenspiel aller Maßnahmen erreichbar.
Zu Beginn waren sowohl die steuerfachlichen Anforderungen des BMF als auch die technischen Vorgaben des BSI sehr abstrakt und außerdem nicht aufeinander abgestimmt. Eine ausreichende Konkretisierung erfolgte erst im Rahmen der Ausarbeitung des Anwendungserlasses zu § 146a AO. Hierbei wurden auch noch grundsätzliche, konzeptionelle Änderungen vorgenommen. So war etwa ursprünglich vorgesehen, alle prüfungsrelevanten Daten vollständig in der TSE zu speichern, was jedoch überhaupt nicht praktikabel gewesen wäre.
3. Reaktion des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung
3.1 Kassenführung als stetiger Streitpunkt und unklare gesetzliche Grundlage
In der steuerberatenden Praxis ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen um die formelle Ordnungsmäßigkeit von Kassenaufzeichnungen gekommen. Die BMF-Schreiben aus den Jahren 19967 und 20108 haben zwar die Meinung der Finanzverwaltung wiedergegeben, halfen dem Praktiker aber nur begrenzt weiter. So ist bis heute beispielsweise ungeklärt, ob, wie und in welchem Umfang Aufzeichnungen zur Programmierung der Kasse zu machen sind und was damit überhaupt geprüft werden soll.9
Mit anderen Worten: Jedenfalls vor Inkrafttreten des Kassengesetzes 2020 bestanden keine gesetzlichen Regelungen zu digitalen Grundaufzeichnungen, so dass sich mit Blick auf den grundgesetzlich verankerten Gesetzesvorbehalt10 Diskussionen mit der steuerlichen Betriebsprüfung zur Ordnungsmäßigkeit von digitalen Grundaufzeichnungen eigentlich erledigt haben müssten. Und dies, obwohl der Gesetzgeber lange über die Regelungslücken Bescheid wusste.
So schrieb der Bundesrechnungshof (BRH) bereits 2003: „Die Prüfungsmöglichkeiten haben sich mit Einführung neuer Registrierkassen und Kassensysteme drastisch verschlechtert“. Weiter stellte der BRH fest, dass die Systeme erlauben, die „eingegebenen Daten als auch die in der Kasse erzeugten Registrier-/Kontrollnummern nachträglich zu verändern, ohne dass Änderungen dokumentiert oder sonst kenntlich gemacht werden.“11
3.2 Gelungener Versuch einer gesetzlichen Grundlage ab 2020?
Schlussendlich hat der Gesetzgeber den Ball aufgenommen – und so heißt es in der Gesetzesbegründung zum Kassengesetz 2020: „Bislang bestehen keine gesetzlichen Vorgaben zur Gewährleistung der Integrität, Authentizität und Vollständigkeit von digitalen Grundaufzeichnungen.“12
Wer nun meint, dass zukünftig endlich eine ordnungsgemäße gesetzliche Grundlage besteht, sei auf Folgendes hingewiesen:
Die neuen gesetzlichen Regelungen finden sich in §§ 146, 146a und 146b AO. Im Wesentlichen ist dort eine Ermächtigung für das BMF enthalten, in einer Verordnung zu regeln, welche Aufzeichnungssysteme überhaupt vom Gesetz betroffen sind und wie die Protokollierung und Speicherung der Aufzeichnungen auszusehen hat.
Die Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) ist die insoweit entstandene Verordnung. Bereits hier ist festzuhalten, dass ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie vorliegt, da die an die Exekutive delegierte Verordnung den wesentlichen Kern des Gesetzes beinhaltet.13
Damit aber nicht genug: Die KassenSichV enthält kaum konkrete Vorgaben, sondern delegiert die Ausgestaltung der TSE und der steuerfachlichen Anforderungen an das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und das BMF. Die eigentlichen und für die Praxis relevanten Regelungen zu Art und Umfang der Aufzeichnungen finden sich
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in technischen Richtlinien,14
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dem AEAO15 und
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in der sog. DSFinV-K (Digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme).16
Inwieweit diese Regelungen einer parlamentarischen Diskussion standgehalten hätten, bleibt – gelinde gesagt – fraglich.
Unabhängig von der Frage nach der gesetzestechnischen Wirksamkeit der DSFinV-K wird man bei der Suche nach abschließenden rechtsverbindlichen Aussagen zur Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der digitalen Kassenführung enttäuscht, denn unter Tz. 1.3 der Dokumentation der DSFinV-K heißt es:
„Der nachfolgende Datenkranz beschreibt den Mindestumfang für eine standardisierte Datenaufbereitung und einen Prüfungseinstieg. Keinesfalls ist damit eine abschließende Aufzählung der für Zwecke der Außenprüfung oder der Nachschau vorzuhaltenden Daten aus elektronischen Kassensystemen verbunden.“
Weiterhin ungeklärt ist im § 146a AO der Begriff der „anderen Vorgänge“, die neben den Geschäftsvorfällen aufzuzeichnen sind. Diese sind im Gesetz nicht weiter definiert und daher nicht hinreichend bestimmt. Das wirft Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und damit der Wirksamkeit der Norm auf.17
Man mag dem Gesetzgeber zugutehalten, dass die Intention eine gute war: Es soll alles automatisch protokolliert werden, so dass „der Unternehmer keine Entscheidung darüber treffen muss, welche Vorgänge der Protokollierung unterfallen. Dies dient der Rechtssicherheit.“18 Der Gedanke, „alles“ protokollieren zu wollen, ist leider völlig praxisfern.
Diese ungeklärten Fragen bieten dem steuerlichen Berater erhebliche Beratungs- und Verteidigungspotenziale, sofern es künftig zu Diskussionen um die formelle Ordnungsmäßigkeit kommen sollte.
Bedauerlicherweise hat es aber ein wesentlicher Satz aus der Gesetzesbegründung nicht ins Gesetz selbst geschafft: „Es besteht eine gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der Kassenaufzeichnungen, wenn eine zertifizierte TSE vorhanden ist und ordnungsgemäß genutzt wird.“19
Der Vollständigkeit halber sei außerdem noch erwähnt, dass es auch mit dem Kassengesetz 2020 keine gesetzliche Registrierkassenpflicht gibt.
II. Technik für Nicht-Techniker
Für die steuerlichen Berater sind nur einige wenige grundlegende Punkte zur Funktionsweise wichtig:
1. Grundlegende Funktionsweise der TSE
Eine wesentliche Komponente des Kassengesetzes 2020 ist die Einführung der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE). Die TSE besteht nach ihrer gesetzlichen Definition in § 146a Abs. 2 Satz 3 AO aus drei Bestandteilen:
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Sicherheitsmodul: Es hat die Aufgabe, die abzusichernden Daten mit Zusatzinformationen zu versehen (insbesondere Zeitinformationen, Zähler und Signatur), die eine Erkennung von nachträglichen Änderungen und Löschungen ermöglichen.
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Speichermedium: Hier werden die von der TSE abgesicherten Daten abgelegt. Aufgrund der Arbeitsweise des Sicherungsverfahrens sind die Daten außerhalb der TSE jedoch genauso gut geschützt, d. h. Änderungen sind sicher erkennbar.
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Einheitliche digitale Schnittstelle: Hier ist die gesetzliche Definition sehr unscharf – klar ist jedoch, dass die Schnittstelle einen herstellerunabhängigen Datenaustausch mit dem Finanzamt erlauben soll.
Die momentan lieferbaren TSE integrieren die Komponenten in einer (micro-)SD-Karte oder einem USB-Gerät. Andere Bauformen wie z. B. Cloud-basierte Systeme befinden sich in der Entwicklung bzw. Zertifizierung.
Immer wieder ist die Vorstellung anzutreffen, dass die TSE das gesamte elektronische Aufzeichnungssystem automatisch sicher macht. Nur wie soll die TSE verhindern, dass Daten komplett an ihr vorbei erfasst werden? Denn die TSE kann lediglich die Daten schützen, die an sie übergeben wurden.
Genau aus diesem Grund ist die Belegausgabepflicht für ein wirksames Funktionieren des Gesetzes notwendig: Ohne prüfbare Belege ist die Erkennung von nicht eingegebenen oder von nach der Eingabe veränderten Geschäftsvorfällen nicht praktikabel – Kontrollen im Rahmen einer Kassen-Nachschau wären dann immer mit einem Datenzugriff verbunden.
Für eine einfachere Überprüfung enthält der mithilfe einer TSE erstellte Beleg zusätzliche Informationen, insbesondere die Transaktionsnummer, die Seriennummer und den Prüfwert.
2. Schnittstellen – endlich einheitliche Daten
In der Vergangenheit haben Kassenhersteller vielfach mit einer sog. GDPdU- bzw. GoBD-Zertifizierung geworben. Dies, obwohl die Finanzverwaltung stets betont hat, dass sie keine Zertifikate oder ähnliches ausstellt und dass Zertifizierungen Dritter keine Bindungswirkung entfalten können.
Letztlich waren diese „Zertifizierungen“ nur eine Bestätigung, dass ein Aufzeichnungssystem Daten in ein mit der Prüfsoftware der Finanzverwaltung kompatibles Format exportieren konnte. Allerdings war hierbei nur das Datenformat vorgegeben, nicht aber die Inhalte. Die Folge war, dass jeder Hersteller unterschiedlichste Exportdateien generiert hat und sich der Prüfer jeweils die für ihn notwendigen Daten mithilfe einer Herstellerbeschreibung „zusammensuchen“ musste.
Wie bereits erwähnt, sind die gesetzlichen Vorgaben für die Datenschnittstellen mehr als vage. Eine erste Konkretisierung erfolgte durch die technischen Richtlinien des BSI, allerdings ohne inhaltliche Vorgaben und mit dem nicht praktikablen Konzept, alle Daten in der TSE selbst zu speichern.
Durch den Anwendungserlass wurden diese Punkte dann korrigiert. Herausgekommen sind dabei folgende Schnittstellen:
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Datenexport aus der TSE: Diese Daten, die aufgrund des Formats auch „TAR-Dateien“ genannt werden, enthalten nur die wesentlichen Informationen der abgesicherten Vorgänge wie z. B. die Gesamtbeträge pro USt-Satz.
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DSFinV-K: Dabei handelt es sich um die kompletten Einzelaufzeichnungen, die grundsätzlich den Daten nach der Kassenrichtlinie des BMF von 2010 entsprechen.20 Es werden jedoch genaue inhaltliche Vorgaben gemacht. Außerdem gibt es Datenfelder, die von der TSE generiert werden und so die Prüfung auf nachträgliche Manipulationen erlauben.
Damit existiert im Bereich der Kassenführung jetzt erstmalig eine Vorgabe nicht nur für die Form, sondern auch für den Inhalt der zu liefernden Daten. Auf über 100 Seiten wird in der Beschreibung der DSFinV-K fein säuberlich geregelt, in welche Datensätze und Datenfelder die vom Aufzeichnungssystem erstellten Daten zu exportieren sind.
Die Herausforderung für den steuerlichen Berater wird dabei weniger das korrekte Daten-Mapping sein, also die Frage, wie technisch aus den Gegebenheiten des Kassensystems die korrekten Datenfelder gefüllt werden.
Es geht vielmehr um die Begleitung und Beratung des Mandanten dahingehend, dass überhaupt die geforderten Geschäftsvorfälle Eingang in das Aufzeichnungssystem finden. Wie bereits oben angesprochen wird die Hauptaufgabe darin liegen, sämtliche relevanten Geschäftsvorfälle bzw. Transaktionen im Betrieb zu identifizieren und im Aufzeichnungssystem abzubilden.
3. Transaktionen und Vorgänge
3.1 Was sind Vorgänge?
Die betroffenen Systeme müssen zunächst alle Geschäftsvorfälle einzeln unmittelbar nach ihrem Abschluss aufzeichnen.21 Doch damit nicht genug: Auch die bereits erwähnten „anderen Vorgänge“ sind aufzuzeichnen. Dabei handelt es sich um Vorgänge, die „unmittelbar durch Betätigung der Kasse erfolgen (z. B. Tastendruck, Scanvorgang eines Barcodes), unabhängig davon, ob sich daraus ein Geschäftsvorfall entwickelt.“22
Der Oberbegriff aus Sicht des Aufzeichnungssystems für Geschäftsvorfälle und andere Vorgänge ist insoweit der Begriff „Vorgang“. Beispiele für Vorgänge liefert die Finanzverwaltung im AEAO zu §146a AO.23
Geschäftsvorfälle
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Andere Vorgänge
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Eingangs-/Ausgangs-Umsatz
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Trainingsbuchungen
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nachträgliche Stornierung eines Umsatzes
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Sofort-Stornierung eines unmittelbar zuvor erfassten Vorgangs
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Trinkgeld (Unternehmer, Arbeitnehmer)
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Belegabbrüche
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Gutschein (Ausgabe, Einlösung)
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erstellte Angebote
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Privatentnahme und -einlage
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nicht abgeschlossene Geschäftsvorfälle, z. B. Bestellungen
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Wechselgeld-Einlage
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Lohnzahlung aus der Kasse
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Geldtransit
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Das BMF stellt klar, dass für die Erreichung der Schutzziele nicht erforderliche Vorgänge nicht abgesichert werden müssen, z. B. die Bildschirmeinstellung heller/dunkler oder die Überwachung der Prozessor-Temperatur.
Das vermittelt zwar eine ungefähre Vorstellung, lässt aber leider weiterhin die Diskussion offen, welche anderen Vorgänge nun aufzuzeichnen sind und welche nicht. In Zweifelsfällen wird die Finanzverwaltung nun aber begründen müssen, warum eine geforderte Information für die Erreichung der Schutzziele benötigt wird.
Der steuerliche Berater wird sich eher weniger mit der technisch geprägten Diskussion um die Speicherung der anderen Vorgänge auseinandersetzen, die beim Kassenhersteller zu beleuchten ist, sondern vielmehr mit der ordnungsgemäßen Darstellung der Geschäftsvorfälle. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass in der Praxis gerade in kleineren Unternehmen aktuell meistens nur die Einnahmen in der Registrierkasse erfasst werden und die übrigen „Geschäftsvorfälle“ erst im Kassenbuch. Nach strenger Lesart der DSFinV-K wären damit die über die TSE abgesicherten Vorgänge nicht vollständig.
Um sich derartige Diskussionen zu ersparen, empfiehlt es sich aus Sicht des steuerlichen Beraters, die Gelegenheit zu nutzen, die Kassenführung insgesamt zu digitalisieren und damit aus der Not eine Tugend zu machen: Sofern sämtliche o. g. Geschäftsvorfälle im elektronischen Aufzeichnungssystem erfasst werden, erübrigt sich im Regelfall ein manuelles Kassenbuch,24 was zunächst zu Arbeitserleichterungen auf Seiten des Mandanten führt.
Im nächsten Schritt können die insofern bereits vorliegenden Daten elektronisch in die Finanzbuchführung übernommen werden, was wiederum zur Einsparung von Doppelerfassungen beim steuerlichen Berater bzw. bei der Buchführungskraft führt.
3.2 Was sind Transaktionen?
Aus Sicht der technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) löst jeder Vorgang mindestens eine Transaktion aus. Nach den Vorgaben des § 2 KassenSichV enthält jede Transaktion folgende Daten:
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den Zeitpunkt des Vorgangsbeginns,
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eine eindeutige und fortlaufende Transaktionsnummer,
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die Art des Vorgangs,
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die Daten des Vorgangs,
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die Zahlungsart,
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den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung oder des Vorgangsabbruchs,
-
einen Prüfwert sowie
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die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.
Das Sicherheitsmodul sorgt nach den Vorgaben der KassenSichV automatisch dafür, dass alle Daten mit Ausnahme der Nr. 3 bis 5 automatisch generiert werden. Die verbleibenden Nr. 3 bis 5 sind vom eingesetzten Aufzeichnungssystem zu erzeugen.
Die Art des Vorgangs (Nr. 3, Geschäftsvorfall oder anderer Vorgang) wurde im vorhergehenden Abschnitt erläutert.
Zu den Daten des Vorgangs (Nr. 4) gehören die Inhalte des konkreten Geschäftsvorfalls, also die Artikel samt Umsatzsteuer-Satz und Menge. Die Finanzverwaltung fordert insofern eine artikelgenaue Programmierung des Aufzeichnungssystems.
Die bislang häufig anzutreffende Vorgehensweise, nur mit Warengruppen zu arbeiten, ist nach den Vorstellungen der Finanzverwaltung nicht mehr zulässig. Nur am Rande sei dabei angemerkt, dass das Gesetz bei der Einzelaufzeichnung im § 146a Abs. 1 AO nur vom Geschäftsvorfall im Sinne einer Kasseneinnahme bzw. Kassenausgabe spricht, aber nicht von einzelnen Artikeln.
Zu den Geschäftsvorfällen ist ferner unter Nr. 5 eine Zahlart zu speichern. In der DSFinV-K können als Zahlarten ausgewählt werden: bar, unbar, keine, EC-Karte, Kreditkarte, Zahlungsdienstleister, Guthabenkarte; dabei ist die Zahlart „unbar“ gedacht für Aufzeichnungssysteme, die bei den unbaren Zahlarten nicht weiter differenzieren können.
Es wird deutlich, dass für eine ordnungsmäßige Kassenführung spätestens jetzt mit der in der Praxis immer noch anzutreffenden Vorgehensweise, alles auf „bar“ zu bonieren, Schluss sein sollte.
Ein praktisches Problem wird es immer dann geben, wenn Fehlbuchungen zu korrigieren sind. Das könnte bei der Zahlart durchaus öfter vorkommen. Da die Daten mit Ersteingabe unverändert gespeichert werden, kann die Korrektur mittels Storno-Buchung und Neuerfassung erfolgen. Auch diese Vorgänge werden mit Vorgangsbeginn und -ende aufgezeichnet und protokolliert.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit Korrektur- und Stornobuchungen bei späteren Betriebsprüfungen aufgegriffen werden. Bereits heute zeigt sich nach praktischen Erfahrungen der Verfasser, was Rätke bereits 2018 geschrieben hat: „Gibt es zu viele Stornobuchungen, geht das FA von Schwarzeinnahmen aus; gibt es keine Stornobuchungen, gilt das Gleiche.“25
Zu den Geschäftsvorfällen und deren Typen sei vertiefend auf die Anlage C der KassenSichV verwiesen.
Autoren
Fundstelle(n):
BBK 2020 Seite 65 - 79
NWB ZAAAH-39216
1Vgl. BT-Drucks. 18/9535 S. 1.
2Book/Ranthum, Der tägliche, staatlich geduldete Steuerskandal, Wirtschaftswoche v. .
:001, BStBl 2019 I S. 1010 NWB LAAAH-34462.
4Der Nichtbeanstandungserlass sieht keine Ausnahmen für das Inverkehrbringen, sondern nur für die Verwendung nicht gesetzeskonformer Systeme vor.
5Vgl. , NJW 1998 S. 1221.
6Bei den in der Presse bekannt gewordenen Betrugsfällen wurde zwar teilweise ausgeklügelte Software eingesetzt, dies diente aber vor allem dem „Bedienkomfort“ – technische Sicherungen waren nicht zu überwinden.
7Vgl. , BStBl 1996 I S. 34 NWB OAAAA-77205.
8Vgl. -07, BStBl 2010 I S. 1342 NWB KAAAD-56752.
9Vgl. Reckendorf, Was sind eigentlich Programmierprotokolle?, BBK 17/2017 S. 796 NWB KAAAG-54734.
11BRH, Bemerkungen 2003, Ziff. 54.1. Zur Historie vgl. Becker, Mit Sicherheit zur digitalen Kassenführung: Was machen TIM und TSE?, BBK 11/2019 S. 517 NWB LAAAH-15832.
12Vgl. BT-Drucks. 18/9535.
13Vgl. Stellungnahme des DStV vom .
14Vgl. https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/TechnischeRichtlinien/tr03153/index_htm.html.
-a/18/10001, BStBl 2019 I S. 518 NWB GAAAH-21300.
16NWB Online-Nachricht v. , DSFinV-K 2.0 verfügbar (BZSt) NWB BAAAH-28143.
17Bellinger, Das Kassengesetz 2016 aus Sicht der Steuerberatung, Der Betrieb 2019 S. 1294.
18BT-Drucks.18/9535 S. 19.
19BT-Drucks.18/9535 S. 18.
-07, BStBl 2010 I S. 1342 NWB KAAAD-56752.
21Vgl. :53, BStBl 2018 I S. 706 NWB KAAAG-87345, Abschnitt 2.1.2.
22BT-Drucks. 18/9535 S. 19.
-a/18/10001, BStBl 2019 I S. 518 NWB GAAAH-21300, Abschnitt 1.8 f.
24Vgl. Teutemacher/Greulich, Digitalisierung der Kassenführung in der Gastronomie, BBK 18/2018 S. 862 NWB JAAAG-94388.
25Vgl. Rätke, Steuerrecht aktuell, BBK 10/2018 S. 449 NWB FAAAG-83599.