Belegausgabepflicht bei Einsatz eines Warenwirtschaftssystems – Zweifelsfragen zur neuen Bonpflicht nach § 146a Abs. 2 AO
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Rechtliche Grundlagen
1. Regelung in § 146a Abs. 2 AO
Die Belegausgabepflicht ist geregelt in § 146a AO mit einer Konkretisierung in der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV). Gem. § 146a Abs. 2 AO gilt:
„Wer aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 erfasst, hat dem an diesem Geschäftsvorfall Beteiligten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Geschäftsvorfall unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften einen Beleg über den Geschäftsvorfall auszustellen und dem an diesem Geschäftsvorfall Beteiligten zur Verfügung zu stellen (Belegausgabepflicht). Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen können die Finanzbehörden nach § 148 aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht nach Satz 1 befreien. Die Befreiung kann widerrufen werden.“
Damit ist zunächst klargestellt, dass es keine Belegmitnahmepflicht gibt. Der Kunde kann die Annahme des Belegs folgerichtig verweigern. Der Unternehmer muss den Beleg allerdings ausstellen (drucken).
2. Regelung in der KassenSichV
2.1 Beleganforderungen
Das BMF hat mit der KassenSichV von der Verordnungsermächtigung in § 146a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. f AO Gebrauch gemacht und definiert in § 6 KassenSichV die Anforderungen an den Beleg. Danach muss ein Beleg mindestens enthalten:
1.
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den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
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2.
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das Datum der Belegausstellung und den Zeitpunkt des Vorgangsbeginns i. S. des § 2 Satz 2 Nr. 1 KassenSichV sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung i. S. des § 2 Satz 2 Nr. 6 KassenSichV,
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3.
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die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
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4.
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die Transaktionsnummer i. S. des § 2 Satz 2 Nr. 2 KassenSichV,
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5.
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das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt und
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6.
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die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.
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Die Finanzverwaltung beabsichtigt, § 6 KassenSichV um weitere Punkte zu ergänzen:
7.
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Prüfwert (Baustein der Transaktion),
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8.
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Signatur-Zähler.2
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Die o. g. Nr. 4 und 6 sind Bausteine, die aus der TSE beigesteuert werden sollen. Deren Fehlen blockiert die Belegausgabepflicht im Übrigen aber nicht. Es ist nämlich für die Bonpflicht ohne Bedeutung, dass nicht sämtliche Mindestangaben bereitgestellt werden können.3 Bei § 6 Nr. 6 KassenSichV tritt am an die Stelle der alternativen Nennung der Seriennummer des Sicherheitsmoduls (Baustein der TSE) nur die Nennung der Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems (eAS), die standardmäßig vom Softwarepartner für den Belegausdruck beigestellt wird.
2.2 Alternative: Digitale Belegerteilung
§ 6 Satz 3 KassenSichV lässt alternativ eine digitale Belegerteilung in einem standardisierten Datenformat (z. B. JPG, PNG oder PDF) zu.4 Absehbar dürfte sein, dass beim kleineren Einzelhandel von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, den Bon absprachegemäß per E-Mail an den Kunden zu versenden. Dies wird gerade aus Umweltschutzgründen sicher eine Verbreitung finden, wenn es einen kurzen Weg im Warenwirtschaftssystem (WWS) gibt, den Versand des Bons auf diesem Weg auszulösen.
II. Umfang der Belegausgabepflicht
1. Befreiung von der Belegausgabepflicht
Zwar gibt es für die Belegausgabepflicht eine Befreiungsmöglichkeit in § 146a Abs. 2 Satz 2 AO. Das BMF hat allerdings schon signalisiert, davon so gut wie keinen Gebrauch machen zu wollen. Gerade die Bäckerinnung hat wegen ihrer kleinzelligen Beträge um einen Dispens gebeten, der allerdings vom BMF schon direkt zurückgewiesen worden ist.
Auch Belegausgabekosten stellen keinen Befreiungsgrund dar. Dies hat das BMF in seinen FAQ zum Thema „Beleg und Belegausgabepflicht“ in der zweiten und dritten Frage klargestellt.
2. Zusätzliche Verwendung eines QR-Codes
Der im Gesetzgebungsverfahren zunächst als Pflicht diskutierte QR-Code hat die Beratungen nicht überlebt und ist folgerichtig auch nicht im Gesetz gelandet. Die Finanzverwaltung ist an dem QR-Code allerdings sehr interessiert, weil er einen Abgleich deutlich erleichtert. Entsprechend enthält Anhang I zur Digitalen Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme 2.0 (DSFinV-K5) auf S. 109 f. folgenden Hinweis:
„Der QR-Code ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Enthält der Bon zusätzlich einen QR-Code, kann eine Kassen-Nachschau u. U. bereits beendet sein, wenn die Beleg-Verifikation funktioniert und die Integrität und Authentizität der Aufzeichnungen durch den beauftragten Amtsträger mit einzelnen Bons geprüft werden kann. Ist kein QR-Code vorhanden, muss entweder aus dem Aufzeichnungssystem (DSFinV-K) oder aus der TSE (EDS) ein Datenexport vorgenommen werden, damit eine Prüfung der Daten erfolgen kann. Eine eventuell vermeidbare Störung des Betriebsablaufs kann somit in diesen Fällen nicht unterbleiben.“
Der QR-Code wäre deshalb für die Kassen-Nachschau erleichternd, weil er das Datum des Belegs, den Betrag, den Steuerschlüssel, die Steuer-Identifikationsnummer, das Datum, die Artikelbezeichnung und die Summe enthält. Dies macht eine Kontrolle, ob der entsprechende Datensatz parallel im WWS vorhanden ist, natürlich extrem einfach. Insbesondere wäre ein Beleg einwandfrei einem Unternehmen zuzuordnen mit einer Schnittstellen-Verprobung für die Gesamtheit der Daten. Die Regelung in der DSFinV-K wird dazu führen, dass im Wettbewerb EDV-Kassensysteme den QR-Code zumindest optional zur Verfügung stellen müssen.
3. Belegerteilung unabhängig vom Zahlbetrag
Diesen Fall wird es immer dann geben, wenn der Kunde keine Barzahlung schuldet. In einer Apotheke gilt dies z. B. für einen zuzahlungsbefreiten Kassenpatienten, der keine weiteren Käufe im Zusammenhang mit dem Erwerb des zuzahlungsbefreiten Medikaments tätigt. Auch hier ist eine Belegausgabe geschuldet, da das Gesetz keine Bagatellgrenze enthält. Es ist folgerichtig egal, ob der Zahlbetrag des Kunden im Rahmen des Geschäftsvorfalls 0 € oder beispielsweise 0,10 € beträgt.
4. Beleg bei Lieferung durch Boten
Ein Beleg muss gem. § 146a Abs. 2 Satz 1 AO immer „in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Geschäftsvorfall“ erstellt werden. Bei einer Botenlieferung – z. B. bei Essenslieferungen frei Haus (Pizzabote), aber auch bei Apotheken, die Medikamente dem Kunden nach Hause liefern – endet der Vorgang mit der Bezahlung durch den Kunden nach Erhalt der Ware. Der „unmittelbare zeitliche Zusammenhang“ könnte dann nur dadurch hergestellt werden, dass der Bote zum Unternehmen zurückkehrt und dort einen Bon holt, um ihn beim Kunden dann wieder abzuliefern, sofern er ihn nicht bereits mitgebracht hat. Deshalb ist das Mitgeben des Bons vom Start weg beim Liefervorgang die einzig praktikable Lösung, die noch halbwegs mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist.
Hier ist in der Finanzverwaltung eine Lösung entsprechend der Regelung in Österreich vorgesehen6, leider aber nicht im FAQ der „Orientierungshilfe“ vom gelandet.7 Diese Regelung ist praktikabel. Das BMF beabsichtigt, für die BRD diese Handhabung zu akzeptieren. Österreich hat schon seit 2016 Erfahrung mit der dort in der Bundesabgabenordnung eher geregelten Belegausgabepflicht und entsprechend auch einen umfangreicheren Erlass mit Antworten auf Fragen aus dem Tagesgeschäft mit der Belegausgabe. Im Wesentlichen wird Folgendes gelten:
Wird der Kunde vor der Lieferung abgefragt, wie er zahlt, und wählt er eine unbare Zahlung, entfällt die Belegpflicht. Er ist dann ein Rechnungs-Kunde. Zahlt der Kunde absprachegemäß bar beim Empfang der Ware, bieten sich zwei Lösungen an:
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Der Bote bekommt den Beleg – mit Quittierung der erhaltenen Zahlung – bereits mit und händigt diesen dann gegen Zahlung dem Kunden aus. Bringt – was durchaus üblich ist – der Bote erst am folgenden Tag die Einnahme zum Unternehmen, empfiehlt es sich, ein Doppel des Belegs in der Kasse aufzubewahren, um bei einer dazwischen stattfindenden Kassen-Nachschau den Differenzbetrag verifizieren zu können.
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Alternativ käme in Betracht, die Lieferung mit einer Einbuchung als Forderung auf den Weg zu bringen und die Zahlung des Kunden dann als baren Forderungsausgleich zu vermerken. Hier müsste aber eigentlich wegen der Barzahlung eine Bonpflicht einsetzen, was dann das Unternehmen zwingen würde, den Boten ein zweites Mal zum Adressaten zu schicken, um ihm den Bon auszuhändigen. Die Finanzverwaltung hat aber signalisiert, hier bei jeder praktischen Lösung zu kooperieren.
Erfolgen die Lieferungen gegen Monatsrechnung (z. B. bei der Belieferung von Heimbewohnern durch Apotheken), gibt es keine Bonpflicht, weil hier eine Rechnung geschrieben wird, die im Zweifel unbar beglichen wird.
III. (Ausstehende) Sanktionen bei Verletzung der Belegausgabepflicht
In § 379 Abs. 1 AO wurde eine Sanktion für Verstöße gegen die Belegausgabepflicht vergessen. Das BMF hat im AEAO vom unter 12.1. signalisiert, dass dies vielmehr Absicht gewesen sei. In der Praxis wird eine sanktionsfreie Handlungspflicht aber ein stumpfes Schwert sein, weshalb man eher damit rechnen darf, dass nachträglich eine Ordnungswidrigkeit in das Gesetz eingefügt wird.
Ob die Belegausgabepflicht im Kassensystem überhaupt unterdrückt werden kann, ist eine aktuell in der Praxis häufig gestellte Frage. Gerade die Unternehmer, die eine Belegausgabepflicht wegen der Kundenproteste unter dem Blickwinkel des Umweltschutzes fürchten, schielen wegen der fehlenden Sanktionsmöglichkeit der Finanzverwaltung durchaus darauf, schon vom Start weg die Belegausgabe zu unterdrücken.
Die Softwarehäuser hingegen dürften sich (zu Recht) schwertun, diesem Wunsch zu entsprechen. Der vermeintliche „Königsweg“ ist aktuell für viele Softwarehäuser, als Grundeinstellung eine Belegausgabe zu programmieren, dem Unternehmer aber die Option zu überlassen, diese Funktion zu deaktivieren. Davor kann allerdings nur gewarnt werden: Sollte der Gesetzgeber nachträglich eine Ordnungswidrigkeit in der AO einfügen, wird dies nicht jedem Unternehmer sofort zur Kenntnis gelangen. Dann wird bei der Kassen-Nachschau hier natürlich ein Sanktionsfeld erscheinen, das vom Kassen-Nachschauer auch genutzt werden wird.
Die Überprüfung im Rahmen einer Kassen-Nachschau ist im Übrigen relativ einfach, da eine Deaktivierung der Belegausgabe einen Eingriff in die Parametrisierung des Systems bedeutet, die sehr unkompliziert ausgelesen werden kann. Ein Kassen-Nachschauer könnte sogar feststellen, wann aktiviert und wann deaktiviert wurde (Zeiträume). Von daher ergibt es wenig Sinn, einem Unternehmer zur Deaktivierung der Belegausgabe zu raten. Es sollte vielmehr die politische Ebene gesucht werden, die Belegausgabepflicht in ein vernünftiges Maß zu bringen.
Grundsätzlich ist betroffenen Unternehmern zu raten, sich zügig um einen entsprechenden Vorrat an Kassenrollen zu kümmern. Wieviel Papier genau die Belegausgaben „fressen“, wird man wahrscheinlich erst nach Monaten mit einem sich möglicherweise verknappenden Markt beim Anbieter der Papierrollen feststellen.
Fazit
Die Einführung der Belegausgabepflicht war aus Sicht der Finanzverwaltung zur Bekämpfung von Kassenmanipulationen eindeutig sinnvoll. Die Kassensysteme können den Beleg nämlich nur ausdrucken, wenn das System die Zahlung registriert hat. Der Beleg hat deshalb diese konservierende Wirkung für die Erlöserfassung, weil vor einer Belegausgabe der Vorgang zwingend zu beenden ist. Mit der Beendigung des Vorgangs ist die Transaktion auch innerhalb der TSE zu beenden. Im Kontext erfolgt eine Erzeugung eines Prüfwerts durch die TSE, die eine Signatur erhält. Mit diesem Protokollierungsschritt wird der Zeitpunkt der Beendigung des Vorgangs in die Protokolldaten aufgenommen.9 Durch die Einspeisung des entsprechenden Datensatzes in die TSE ist eine nachträgliche Manipulation des Kassensystems zur Umsatzverkürzung damit faktisch unmöglich.
Nichtsdestotrotz muss bezweifelt werden, ob eine Belegerteilungspflicht ohne Bagatellgrenze sinnvoll ist. Ist die TSE erst einmal in die Kassensysteme implementiert, wird der Bezahlvorgang mit einer Transaktionsnummer zeitgleich in die TSE geschoben und ist dort ohne Spur nicht mehr zu löschen. Würde der Unternehmer im Warenwirtschaftssystem den Vorgang wieder aufrufen und stornieren, würde der Stornovorgang mit der ursprünglichen Vorgangsnummer verknüpft und bliebe sichtbar. Der früher nicht aufzeichnungspflichtige Sofort-Storno (Abbruch der Aufzeichnung während des Vorgangs) ist mit der Kombination von DSFinV-K und TSE ab Implementierung der TSE nicht mehr gangbar. Umso mehr sollten der Belegausgabepflicht aber auch sinnvolle Grenzen gesetzt werden. Von einer im System hinterlegten Unterdrückung der Belegausgabe vor einer politischen Einschränkung der Belegausgabepflicht ist hingegen dringend abzuraten.
Autor
Fundstelle(n):
BBK 2020 Seite 18 - 22
NWB VAAAH-38001
:001, BStBl 2019 I S. 1010 NWB LAAAH-34462.
2Achilles, DB 2019 S. 1920, 1926, Abschnitt V.2.
3Vgl. Achilles, DB 2019 S. 1920 und S. 1926 im Hinweis unter Abschnitt V.1.
4FAQ des DFKA: www.dfka.net „Neue gesetzliche Anforderungen für Kassensysteme“, unter 2.4 (Belegausgabepflicht).
6Erlass zur Einzelaufzeichnungs-, Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht vom , dort S. 90 f.: „Mobil getätigte Umsätze können vorab in der Registrierkasse erfasst und die Belege gleichzeitig mittels Registrierkasse ausgestellt werden. Bei Ausfolgung der Ware außerhalb der Betriebsstätte wird dem Kunden der bereits ausgestellte Beleg anlässlich der Barzahlung erteilt. Erfolgt kein Verkauf dieser Produkte, können diese ausgestellten Belege bei Rückkehr in die Betriebsstätte in der Registrierkasse storniert werden.“
7Deutlich umfangreicher als der FAQ des ist der FAQ des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik e. V. (DFKA) vom : www.dfka.net „Neue gesetzliche Anforderungen für Kassensysteme“.
8-a/18/10001, BStBl 2019 I S. 518 NWB GAAAH-21300.
9Achilles, DB 2019 S. 1920, 1926, Abschnitt IV.2c.