Wen und was will man eigentlich genau treffen?
Dr. Janine v. Wolfersdorff | Steuerberaterin | Geschäftsführerin des Instituts Finanzen und Steuern, Berlin
Nachjustierung bei der Grunderwerbsteuerreform
Nach einer hitzigen öffentlichen Anhörung zur Grunderwerbsteuerreform in Berlin wird nach wie vor um Nachjustierungen gerungen. Mit der Reform will der Gesetzgeber Steuerschlupflöcher eindämmen. Das Reformanliegen ist berechtigt. Durch die Presse gingen zahlreiche Fälle, in denen große institutionelle Investoren die Steuer durch Verpackung der Immobilien in Fonds, Stiftungen oder Gesellschaftsmänteln gerade bei hochpreisigen Immobilientransaktionen vermeiden konnten. Dem steht der „private Häuslebauer“ gegenüber, der typischerweise nicht in der Lage ist, solche Gestaltungen vorzunehmen.
Drei Jahre lang hatten die Länder nun – closed door – an einem Konzept gearbeitet, das – nach nur knapper Mehrheit in der Finanzministerkonferenz – auch in Berlin vom Kabinett beschlossen wurde. Wesentliche Elemente sind eine Senkung der maßgebenden Beteiligungsschwellen für Share Deals mit Immobilienbesitz von 95 % auf 90 % und eine Verlängerung der maßgebenden Haltefristen von 5 auf 10 bzw. 15 Jahren. Weiterhin soll nach dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG-E auch der Übergang von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter erfasst werden.
Alle Sachverständigen der Anhörung waren sich darin einig, dass die geplanten Maßnahmen gerade bei großen Immobilien-Share Deals die Gestaltungen zwar verteuern, aber nicht eindämmen werden. Dafür müssten die maßgebenden Beteiligungsschwellen deutlich stärker gesenkt werden. Mit einer weiteren Absenkung der Beteiligungsschwellen stellt sich allerdings gerade politisch – nicht nur verfassungsrechtlich – die Frage, wen und was man eigentlich genau treffen will. Die Frage ist nach wie vor nicht beantwortet, politisch ging es vielmehr um eine bloße Erweiterung der grunderwerbsteuerlichen Erfassung von Share Deals. Insoweit ist die Reform nach bisherigem Zuschnitt keine echte Antimissbrauchsreform, sie ist vornehmlich eine fiskalisch motivierte Reform.
Die Ersatztatbestände der Grunderwerbsteuer stellen materiell ein Äquivalent zur direkten Immobilienübertragung dar. Gerade dann, wenn die Beteiligungsschwellen maßgebend abgesenkt werden und keine Beherrschungssituation vorliegt, muss der Umgehungstatbestand klar konturiert werden. Offenkundig ist etwa nicht von einem Umgehungstatbestand und Äquivalent zur Immobilienübertragung auszugehen, wenn Aktien einer börsennotierten Gesellschaft der gewerblichen Wirtschaft gehandelt werden, in deren Betriebsvermögen sich „irgendwo auch“ ein Grundstück befindet. Gerade der neu geplante Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG-E ist deswegen besonders streitig.
Hier sind Nachbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu erwarten: Einmal über eine – beihilferechtlich wie der gesamte § 1 Abs. 2b GrEStG-E zu notifizierende – Börsenklausel als Rückausnahme, weiterhin über Nachbesserungen bei der Konzernklausel des § 6a GrEStG, von der auch der Mittelstand profitieren würde.
Janine Wolfersdorff
Fundstelle(n):
NWB 2019 Seite 3321
NWB GAAAH-34335