Sanierungskonzepte richtig anwenden
Standards für Sanierungskonzepte ein „Muss“
In der Praxis haben sich Standards herausgebildet, die für jedes professionelle Sanierungskonzept ein „Muss“ sind. Zwischenzeitlich wurden vom „ISU – Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen“ die
- GoS = Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte und
- MaS = Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte
veröffentlicht.
Zusammen mit dem überarbeiteten IDW S 6 zeigt dies, dass die Praxis eine Standardisierung von Sanierungskonzepten wünscht. Dieser Wunsch ist durchaus zu verstehen, da die Beurteilung von Sanierungskonzepten erheblich erschwert wird, wenn das Konzept nicht logisch strukturiert und aufbereitet wird.
Darstellung des Unternehmens
Grundlage jedes Sanierungskonzepts ist das möglichst vollständige Zusammentragen aller wesentlichen Unternehmensdaten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der externe Leser des Konzepts möglicherweise wesentlich geringere Unternehmenskenntnisse hat und auch nicht auf andere Unternehmensdaten, wie z. B. Jahresabschlüsse, ohne Weiteres zurückgreifen kann. [1]
Insofern gilt es, zu folgenden Daten Stellung zu nehmen: rechtliche Verhältnisse, wirtschaftliche Entwicklung, Unternehmensentwicklung der letzten drei bis fünf Jahre, finanzwirtschaftliche Verhältnisse, leistungswirtschaftliche Verhältnisse, organisatorische Grundlagen.
Beurteilung der Sanierungsfähigkeit
Durch die bisherige Beurteilung des Unternehmens sowie seiner Krisenentwicklung lässt sich erahnen, wodurch die Unternehmenskrise entstanden ist. Die Analyse der Ursache erfolgt systematisch durch die Eingrenzung der kritischen Geschäftsbereiche. Diese sind sodann anhand der vorgenannten Krisenstadien zu analysieren und zu dokumentieren. Unternehmenskrisen entstehen nicht von einem Tag auf den anderen, sondern sind ein Resultat mehrstufiger Ursache-Wirkungs-Ketten mit mehreren zusammenwirkenden, sich verstärkenden oder abschwächenden Ursachen.
Die Krisenursachenanalyse wird ergänzt durch eine systematische Lagebeurteilung des Unternehmens als Ganzes, indem Zusammenhänge innerhalb eines Unternehmens gleichermaßen wie dessen Beziehungen mit seiner Umwelt beleuchtet werden. Durch diese Betrachtungsweise werden die Interdependenzen sowie die Ursache-Wirkungs-Ketten nicht nur auf Unternehmensebene, sondern auch auf Ebene des Marktes sichtbar. Oft wird dies auch als Stärken-/Schwächen-Analyse bezeichnet.
Der Finanzstatus ist ein zentrales Entscheidungsinstrument, ohne das zu einem späteren Zeitpunkt der Vorwurf der Insolvenzverschleppung und die persönliche Haftungsinanspruchnahme der Geschäftsführer nur schwer abgewehrt werden können. Schon allein aus diesem Grund ist es unerlässlich, einen Finanzstatus zu erstellen.
Praxishinweis: Im Finanzstatus werden die verfügbaren liquiden Finanzmittel des Unternehmens sowie dessen fällige Verbindlichkeiten inventarmäßig erfasst. Ergibt der Finanzstatus, dass die fälligen Verbindlichkeiten nicht beglichen werden können, liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn aus dem Finanzplan ersichtlich ist, dass innerhalb von drei Wochen die fälligen Verbindlichkeiten beglichen werden.
Wesentliche Inhalte eines Sanierungskonzepts
Wesentlicher Inhalt jedes Sanierungskonzepts sind Planverprobungsrechnungen, die den Erfolg einer Sanierung anhand von Plangrößen darstellen. Allerdings ist hier die wachsende Unsicherheit zu beachten, je weiter diese Größen in der Zukunft liegen. Ein kleinschrittiger und dafür genauerer Blick in die nähere Zukunft ist daher aufschlussreicher als ein Blick auf eine unendliche Zeitachse.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil eines ausgearbeiteten Sanierungskonzepts ist die integrierte Planung, um den potenziellen Erfolg des Vorhabens plausibel darzustellen. Da sich zum Teil auf unsichere Größen bezogen wird, ist hier die Plausibilität besonders zu prüfen und Unsicherheiten sind zu erläutern.
Beispiel Rentabilitätsplanung: Inhalt der Planungsverprobungsrechnung ist die Planung der auf dem Sanierungsplan beruhenden zukünftigen Aufwendungen und Erträge. Grundlage hierfür sind die Detailpläne wie Absatzplanung, Investitionsplanung, Personalkostenplanung etc., die alle Eingang in die Rentabilitätsplanung finden. Zum Nachweis der Plausibilität dieser Rentabilitätsplanung sollte diese mit Vergangenheitswerten des krisenbehafteten Unternehmens, aber auch mit Branchenwerten verglichen werden, sofern verfügbar.
In der Planung sind die kritischen Prämissen besonders hervorzuheben. Dies können beispielhaft sein: die Entwicklung von Rohstoffpreisen, das Wachstum von Auslandsmärkten, Wechselkursveränderungen, die Preisentwicklung auf der Nachfrageseite, die Wettbewerbsentwicklung, die Stabilität der Rechtslage, z. B. bezüglich der Steuerquote, die Fortsetzung wichtiger Verträge, z. B. Großkunden, Mietverträge.
Zur Eingrenzung von Planungsunsicherheiten ist es zweckmäßig, Sensitivitäts- und Alternativrechnungen (Best Case, Worst Case, Real Case) aufzustellen.
Aus der Rentabilitätsplanung wird die Liquiditätsplanung als Planung reiner Zahlungsströme abgeleitet. Hierbei sind das Zahlungsverhalten der Vergangenheit, das Zahlungsverhalten der Branche, wie auch besondere Zahlungsmodalitäten, die z. B. bei den Sanierungsmaßnahmen ausgehandelt wurden, einzuarbeiten. Aus dem Liquiditätsplan ergibt sich, welcher Finanzbedarf für eine erfolgreiche Sanierung erforderlich ist und von wem dieser Finanzbedarf zugeführt wird.
Berichterstattung und Schlussbemerkung
Der Konzeptersteller muss seine gesamte Arbeit nicht nur schriftlich dokumentieren, sondern auch gegenüber dem Auftraggeber über das Sanierungskonzept schriftlich berichten. Gliederung und Inhalt dieser Berichterstattung hängen dabei im Wesentlichen vom Auftragsumfang ab. Oft wünscht der Auftraggeber, dass der Bericht über das Sanierungskonzept mit einer zusammenfassenden Schlussbemerkung (Prognoseergebnis) endet. Diese zusammenfassende Schlussbemerkung ist eine Beurteilung, ob das Unternehmen voraussichtlich sanierungsfähig ist oder nicht. Darunter fällt auch die Prognose der Durchführbarkeit, wonach die objektive Beurteilung des Sanierungskonzepts um die voraussichtliche Akzeptanz der vorgesehenen Sanierungsbeiträge durch die Stakeholder zu erweitern ist. In der zusammenfassenden Schlussbemerkung ist auch auf kritische Faktoren und Annahmen einzugehen, die für die Sanierungsfähigkeit von besonderer Bedeutung sind.
Prüfung von Sanierungskonzepten
Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, ein Sanierungskonzept von einem unabhängigen Sachverständigen prüfen zu lassen. Oft sind dies Wirtschaftsprüfer und oft werden diese durch Banken beauftragt. Kommt es zu solch einer Prüfung, sind Gegenstand der Prüfung die folgenden Anforderungen:
- inhaltliche Anforderungen: Hier wird geprüft, ob insbesondere die inhaltlichen Anforderungen des IDW S 6 erfüllt sind.
- rechtliche Anforderungen: Hier wird geprüft, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet wurden, die Sanierungsfähigkeit gegeben und die Nachhaltigkeit der Sanierung zu bejahen ist. Nachhaltigkeit bedeutet dabei, dass für einen Zeitraum von mindestens diesem und dem nächsten Geschäftsjahr mehr Gründe dafür als dagegen sprechen müssen.
Neue Entwicklungen: IDW ES 15 und IDW ES 9 n.F.
Der IDW S 6 kann als Vollkonzept der Sanierung verstanden werden. Allerdings: Eine außergerichtliche und vorinsolvenzliche Sanierung nach IDW S 6 erfordert einen Konsens zwischen Unternehmen und beteiligten Gläubigern. Oft reicht ein opponierender Gläubiger aus, um die Sanierung zum Scheitern zu bringen.
Hier setzt der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen mit dem Restrukturierungsplan an: Unter bestimmten Voraussetzungen können opponierende Gläubiger überstimmt werden. Der Schuldner kann die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten mit einer Bescheinigung z. B. eines WP, StB oder Rechtsanwalts dem Gericht vorschlagen und damit diesen weitgehend selbst bestimmen. Das IDW legt mit dem IDW ES 15 u. a. die Anforderungen an diese Bescheinigung dar. Zudem wird geregelt, welche Anforderungen an den beauftragten Gutachter, an die durchzuführenden Tätigkeiten sowie an den Inhalt der Bescheinigung zu stellen sind.
Ein Schuldner kann die Sanierung auch mit einem Schutzschirm vorbereiten, wenn noch keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Der IDW ES 9 n. F. umfasst nunmehr neben den speziellen Anforderungen an das Schutzschirmverfahren und den allgemeinen Anforderungen an die Eigenverwaltungsplanung eine seit dem 1.1.2021 erforderliche Beurteilung der Anforderungen nach § 270a InsO.
Mit dem aktuellen Themen-Special „Sanierungskonzepte und -bescheinigungen“ des Themenpakets „NWB Sanieren und Restrukturieren“ erhalten Sie das notwendige Praxis-Know-how für die Erstellung von Sanierungskonzepten und -bescheinigungen. Unsere Experten WP/StB Christoph Hillebrand, Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e. V.) und von der IHK zu Köln bestellter und vereidigter Sachverständiger für Insolvenzuntersuchungen, sowie WP/StB Michael Hermanns, Mitglied im IDW-Fachausschuss Sanierung und Insolvenz, erläutern den IDW S 6 sowie die neuen IDW ES 9 n. F. und IDW ES 15.
Mit dabei: Kostenloser Zugriff auf nützliche Arbeitshilfen in der NWB Datenbank, wie
- Checklisten zum Sanierungskonzept,
- Muster einer Vollständigkeitserklärung und einer Schlussbemerkung,
- Sanierungsgutachten-Richtlinien speziell für KMU sowie
- Muster einer Bescheinigung i. S. des § 270d InsO (Schutzschirmverfahren).
Sie können das Themen-Special „Sanierungskonzepte und -bescheinigungen“ hier kostenlos anfordern.
Unser Seminar-Tipp:
Das Sanierungskonzept nach IDW S6
Wenn Sie als Steuerberater für eine Fortführungsprognose ein Sanierungsgutachten erstellen, muss dies rechtlich und wirtschaftlich belastbar sein. Der neue IDW S6-Standard berücksichtigt die Rechtsprechung des BGH und entwickelt sich zum Best Practice bei Sanierungsgutachten, das auch von Kreditgebern akzeptiert wird.
Das Seminar informiert Sie über alle rechtlichen Hintergründe und Haftungsrisiken rund um das IDW S6-Gutachten - inklusive relevanter Neuerungen durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG). Anhand einer Fallstudie lernen Sie, ein rechtssicheres und wirtschaftlich belastbares Sanierungskonzept zu erstellen. Dabei erfahren Sie, wie Sie den Standard für kleine und mittelständische Unternehmen sinnvoll anwenden können. Sie erhalten wertvolle Gestaltungstipps und vermeiden typische Fehler.