Ein statistischer Jahresrückblick
Früher hätte man gesagt, es bleibt kein Stein auf dem anderen – heute vielleicht: kein Pixel über dem anderen. Die Veränderung der Geschäftsprozesse und der Verwaltung durch Datenverarbeitung und elektronische Dienste verändert den Kanzleialltag gerade sehr schnell. Der Steuerberaterberuf ist im Umbruch, der Berufsstand aber nicht unzufrieden: Die Veränderungen werden angepackt und als Chance verstanden. Ein statistischer Überblick über die Befindlichkeiten in Steuerberatungskanzleien als Jahresrückblick.
Ein turbulentes Jahr geht zu Ende: Deutschland diskutierte und diskutiert heftig über internationale Fluchtbewegungen, Großbritannien hat sich für einen Ausstieg aus der EU entschieden und in den USA wurde ein Kandidat, der als absoluter Außenseiter gehandelt wurde, schließlich doch zum Präsidenten gewählt. Aber was die innere Verfassung Deutschlands angeht, ist es eher ruhig: Trotz unerwarteter Ausgaben schafft der Bund eine „schwarze Null“, weil die Steuereinnahmen sprudeln wie selten zuvor in der Geschichte unseres Landes. Die Wirtschaft brummt. Es geht uns gut – und damit auch den Steuerberatern, deren ökonomischer Erfolg durchausmit dem Erfolg insbesondere des deutschen Mittelstands eng verknüpft ist. Das Jahr 2016 geht zu Ende – ein passender Zeitpunkt also für eine Bestandsaufnahme: Wo steht die Steuerberatung in Deutschland, wo stehen die Steuerberater? Was freut, was ärgert sie, und wo geht die Reise hin?
Der Berufsstand wächst weiter
Ein Beruf in der Krise sieht anders aus: Die Anzahl der Steuerberater wächst seit vielen Jahren stetig an. Gerade zum Jahresbeginn 2016 hatte die Anzahl der Mitglieder der Bundessteuerberaterkammer die 95.000-Schwelle überschritten, ein Anstieg um insgesamt 1,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr (aktuelle Berufsstatistik der BStBK). Davon sind etwas mehr als 85.000 Steuerberater, 9.427 Steuerberatungsgesellschaften kommen als Kammermitglieder zu dieser Zahl dann noch dazu. Wenn man den Zuwachs etwas aufschlüsselt, wirft das einen interessanten Blick auf die sich ändernde Struktur des Berufsstands: Die Anzahl der Gesellschaften ist um etwas über 2 Prozentpunkte gewachsen, die Anzahl der StB-Berufsträger hingegen aber nur um knapp einen Prozentpunkt. Der Trend ist klar: Die Strukturen in der Steuerberatung werden größer, die Branche wächst insgesamt. Sogar die Zahl der selbstständigen Steuerberater verzeichnet ein kleines absolutes Wachstum um Früher hätte man gesagt, es bleibt kein Stein auf dem anderen – heute vielleicht: kein Pixel über dem anderen. Die Veränderung der Geschäftsprozesse und der Verwaltung durch Datenverarbeitung und elektronische Dienste verändert den Kanzleialltag gerade sehr schnell. Der Steuerberaterberuf ist im Umbruch, der Berufsstand aber nicht unzufrieden: Die Veränderungen werden angepackt und als Chance verstanden. Ein statistischer Überblick über die Befindlichkeiten in Steuerberatungskanzleien als Jahresrückblick. 318 – relativ gesehen sinkt die Bedeutung der Selbstständigkeit aber. Gerade in dem von uns betrachteten Zeitraum wurde eine wichtige Marke erstmals unterschritten: Inzwischen sind nur noch 69,8 Prozent der in Deutschland tätigen Steuerberater selbstständig. Vier Jahre zuvor waren es noch 71,1 Prozent.
In Branchenkreisen, bei den Gesprächen am Rande von Steuerberatertag und Steuerberaterkongress, wurde und wird diese Zahl viel diskutiert: Ist die Selbstständigkeit für den Berufsstand doch sozusagen ein bestimmendes Wesensmerkmal. Alarmierend ist der Rückgang jedoch noch nicht, und auch die Geschwindigkeit gibt keinen Anlass zur Sorge: Zwar gehen viele Beobachter davon aus, dass die Zahl weiter langsam sinken wird, aber ein so schwacher Trend kann innerhalb von ein paar Jahren auch schnell zum Erliegen kommen oder sich sogar wieder umkehren. Es ist jedenfalls sicher, dass der Berufsstand der Steuerberater noch über viele Jahre hinaus vor allem von der Freiberuflichkeit geprägt sein wird.
Immer mehr Frauen
Während der Rückgang der Selbstständigenquote als eher negativ bewertet wird, ist die Wahrnehmung eines anderen Trends in der Regel in der Branche positiv: Der Berufsstand wird langsam, aber sicher weiblicher und nähert sich einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis an. Und hier kann man davon ausgehen, dass dieser Trend noch sehr lange anhalten wird. Der Steuerberaterberuf ist damit ein wirklich bemerkenswertes Beispiel für den Geschlechterrollenwandel in der Deutschen Gesellschaft: Bei Entstehung des Berufsstands, im Wesentlichen in den 1930er-, mehr noch in den 1940er- und 1950er-Jahren, war Steuerberatung ein praktisch rein männlicher Beruf, nicht viel anders als Ingenieur oder Physiker: Vereinzelte Frauen waren die absolute Ausnahme.
Während aber die Quote in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern sich nur sehr langsam an den Bevölkerungsschnitt anpasst (bei den mathematisch- natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern insgesamt sind rund ein Viertel der Studierenden weiblich – in bestimmten Fächern wie Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Elektrotechnik, Mechatronik oder Luft- und Raumfahrttechnik liegt die Frauenquote bei Studienanfängern jedoch um 10 Prozent oder darunter und stagniert teilweise sogar auf diesem niedrigen Niveau), sind Frauen in der Steuerberatung mittlerweile gleichauf: Es kommen etwa gleichviele Frauen wie Männer neu in den Beruf.
Steuerberater werden alt
In der Statistik macht sich das allerdings nur langsam bemerkbar: Die Aussage, dass nur etwas mehr als ein Drittel aller Steuerberater, nämlich 35,2 Prozent, weiblich sind, ist nur bedingt aussagekräftig, weil die Generation der älteren Steuerberater, bei der die berufshistorische erklärbare Männerdominanz noch klar ausgeprägt ist, hier in großer Zahl einfließt: In den „älteren Semestern“ domnieren zahlenmäßig noch die Herren, und in der Regel behalten Steuerberater ihren Titel bis zu ihrem Tod. Immerhin 9,3 Prozent aller BStBK-Mitglieder sind sogar älter als 70 Jahre. Als gebildete, gut situierte Berufsgruppe haben sie nämlich eine besonders hohe Lebenserwartung: Nach Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts leben Männer aus besser situierten Bevölkerungsgruppen rund fünf Jahre länger als im Durchschnitt. Bei Frauen ist der Unterschied etwas geringer, da sind es etwa drei Jahre – aber auf höherem Niveau: Frauen leben im Schnitt etwa fünf Jahre länger als Männer.
Wenn man das Geschlechterverhältnis in der Berufspraxis richtig einschätzen will, ist die Betrachtung des Zuwachses aussagekräftiger: Während fast so viele Männer aus dem Berufsstand ausscheiden (meist durch Tod) wie in ihn eintreten (Zuwachs Anzahl Männer im Berufsstand von 2015 auf 2016 nur 0,3 Prozent, absolut 160 Personen), ist die Anzahl der Frauen im Berufsstand im gleichen Zeitraum um 2,4 Prozentpunkte angewachsen (absolut ein Zuwachs von 699 Personen). In Ostdeutschland, wo der Berufsstand erst 1990 nach der deutschen Einheit wieder eingeführt wurde und daher keine historische Männerdominanz wie im Westen herrscht, sind heute mehr als 55 Prozent der Berufsträger Frauen. Hier ist die Bereitschaft von Frauen, in den Beruf zu gehen, auch höher, und die Kinderbetreuung in der Fläche besser, deswegen lassen sich diese Zahlen wahrscheinlich auch für die nächsten Jahre auf den bevölkerungsmäßig deutlich stärkeren Westteil des Landes nicht einfach übertragen.
Für ganz Deutschland gilt aber inzwischen: In der Praxis, gerade also bei Kanzleien mit junger Führung oder Belegschaft, ist bereits heute von der früheren Männerdominanz kaum noch etwas zu spüren. Bei den Auszubildenden ist es übrigens sogar genau umgekehrt: Bei den Berufen, zu denen in Kanzleien ausgebildet werden, ist der Frauenanteil traditionell sehr hoch, sinkt aber gerade: Der Anteil von Frauen hat hier von 2015 auf 2016 von 71,6 auf 71,2 Prozent abgenommen. Aber man kann davon ausgehen, dass von hier aus auch der Trend in den Berufsstand hinein verstärkt wird: Auf dem berufspraktischen Weg in den Beruf bietet der Anteil der Frauen auch hier einfach das größere Potenzial.
Ein fleißiges Völkchen
Die Faustregel ist recht einfach: 85.000 Steuerberater in einem Land mit etwas mehr als 80 Millionen Einwohnern – pro 1.000 Einwohner also ein Steuerberater. Doch ganz so einfach ist das nicht mit der gleichmäßigen Verteilung.
Und wie sieht der Arbeitsalltag aus? Steuerberater sind fleißige Leute – im Durchschnitt liegt die Arbeitszeit aller Steuerberater bei 43 Stunden pro Woche, der Median der Belastungskurve bei sogar 45 Stunden (Daten aus Stax-Studie). Das heißt, dass die Verteilung keine gleichmäßige Glockenkurve ist, sondern ein Maximum (den sogenannten Modalwert) bei einer höheren Stundenzahl hat – bei vielen ist die Stundenbelastung also noch einmal stärker. Die selbstständigen Steuerberater arbeiten erwartungsgemäß deutlich mehr als Angestellte : 45 Wochenarbeitsstunden bilden den Schnitt, 50 sind es im Median, während es bei den Angestellten „nur“ 42 (Schnitt) bzw. 45 Stunden (Median) sind, und auch hier hat die Kurvenverzerrung die gleiche Richtung, also nach oben.
Und was machen Steuerberater 2016 so? Zu über 90 Prozent natürlich Steuerberatung (Umsatz aus Vorbehaltsaufgaben) – aber weniger als früher: Inzwischen erzielen Steuerberater 6 Prozent ihres Umsatzes aus vereinbaren Tätigkeiten, zu 70 Prozent davon aus betriebswirtschaftlicher Beratung (die anderen in der Berufsstatistik abgefragten Positionen waren Umsätze aus RA- oder WP-Tätigkeiten sowie Fördermittelberatung, Vermögensberatung, Testamentvollstreckung, Treuhänderische Tätigkeit oder Rating) – im Osten übrigens mit 75 Prozent deutlich mehr. Insgesamt aber bleibt der Bereich „Umsatz aus vereinbaren Tätigkeiten“, in den immer wieder große Hoffnungen gesetzt werden, mit den genannten 6 Prozent des Gesamtumsatzes von Steuerberatern sehr klein, auch wenn er sich seit 2011, wo es noch 3,2 Prozent waren, fast verdoppelt hat.
Gute Stimmung in den Kanzleien
Deutsche Steuerberater fühlen sich aktuell wirtschaftlich recht wohl: Immerhin 26,8 Prozent aller Steuerberater sind derzeit mit ihrem Berufsleben sehr zufrieden, immerhin 43,2 vergeben die Note 2 (von 6) und 21,5 Prozent die Note 3. Die Noten 4 bis 6, die klare Unzufriedenheit signalisieren, machen hier zusammen nur 8,5 Prozent der Antworten aus. Dabei ist die Zufriedenheit der Selbstständigen höher als die der Angestellten, insbesondere bei den sehr Zufriedenen ist das sichtbar: Während 29,2 der Selbstständigen die Bestnote für ihre Zufriedenheit vergeben, sind es nur 19,5 Prozent der Angestellten. Bei den Unzufriedenen (Noten 4 bis 6) sind beide Gruppen aber wieder etwa gleichauf. Die Zustimmung zu der Einschätzung „Die Konkurrenz auf dem Steuerberatungsmarkt ist in den letzten Jahren gestiegen“ ist in den letzten Jahren von 65,8 auf 58,0 Prozent gesunken. Verständlich, dass eine überwältigende Mehrheit auch diese Frage mit „Ja“ beantwortet: „Wenn Sie noch einmal die Wahl hätten, würden Sie diesen Beruf wieder ergreifen?“ findet eine Zustimmung von 81,8 Prozent der Steuerberater. Die Antwort zeigt: Nach wie vor ist „Steuerberater“ nicht einfach ein Beruf, sondern eine Berufung mit der entsprechend sehr hohen Identifikation der Berufsträger mit ihrem Titel.
Aber natürlich haben Steuerberater auch Sorgen: Von 2012 bis 2015 ist die Angst vor Initiativen der EU hinsichtlich Freiberuflichkeit und Unabhängigkeit des Steuerberaterberufs ebenso etwas angestiegen wie die Sensibilität bei der Frage des Nachwuchsmangels.
Was die Zukunft bringt
Und was machen die Steuerberater in Zukunft, wie sieht ihre Arbeitswelt in den nächsten Jahren aus? Sie werden sich immer mehr um Fragen der Vermarktung ihrer Dienstleistung wie auch der Digitalisierung kümmern müssen. In den letzten vier Jahren zeigt sich die Zuwendung des Berufsstands zu diesen Themen zum Beispiel im Internet-Auftritt: Inzwischen verfügen 68,7 Prozent der Kanzleien über einen eigenen Online-Auftritt, immerhin 6,8 Prozentpunkte mehr als noch vier Jahre zuvor, und weitere 5,2 Prozent planen das für die Zukunft. 13,2 Prozent haben sogar einen Facebook-Auftritt, und 3,2 Prozent wollen das für ihre Kanzlei in nächster Zeit ebenfalls umsetzen. 83,5 Prozent geben sogar an, über einen Xing-Account zu verfügen, 15,2 Prozent nutzen Twitter und immerhin 13,2 Prozent sind bei LinkedIn, dem US-amerikanischen Pendant zu Xing. Diese hohe Quote für eine internationale Plattform lässt sich sicherlich damit erklären, dass sich die Steuerberater mit eher international agierenden Mittelständlern vernetzen und vernetzen wollen, als untereinander.
Aber die Digitalisierung bezieht sich nicht nur auf die Kanzleifassade, auf den guten Auftritt nach außen, sondern trifft die Kanzleien buchstäblich bis ins Mark: Die Kanzleiwelt ist mitten in der Umstellung, wie man an den Daten deutlich sieht: 69,7 Prozent der Kanzleien nutzen bereits digitale Kontoauszüge, 65,5 Prozent das elektronische Steuerkonto, 54,6 Prozent die Vollmachtsdatenbank, 53,9 Prozent habe eine digitale Schnittstelle zu ihren Mandanten, 53,6 Prozent setzen auf digitale Buchführung, 52,8 Prozent nutzen den Steuerbescheid- Rücktransfer, 48,4 Prozent haben ein Dokumenten-Managament-System und 47,2 Prozent nutzen digitalen Belegaustausch. Dazu kommen 11,5 Prozent sonstige digitale Dienste (z. B. Datenbanken, Datev-Services und Dokumentenablage).
Die eigentliche Arbeit steht daher den Kanzleien erst noch bevor: Viele Geschäftsprozesse werden auf einen durchgängig digitalen Arbeitsfluss umgestellt, verschiedene, bislang getrennte Bereiche müssen ohne Medienbruch vernetzt werden. Aber die Mandanten machen da nicht alle auf einmal mit, und nicht bei allen Arbeitsschritten – noch für lange Zeit werden hybride Arbeitsprozesse den Kanzleialltag bestimmen.
Das fordert den Belegschaften in den Kanzleien viele Kompetenzen ab: In erster Linie ist da natürlich knallhartes Wissen gefragt, berufliche Qualifikation und ein hoher Organisationsgrad. Aber auch die sogenannten „Soft Skills“ werden aus Sicht der Steuerberater immer wichtiger. Die ihnen bei der Stax vorgelegte Aussage: „Die traditionellen Kompetenzprofile des Berufsstandes müssen sich ändern. Neben fachlichen Kompetenzen gewinnen Personal- und Vertriebsthemen sowie‚ Social Soft Skills‘ deutlich an Bedeutung“ wurde von immerhin 16,6 Prozent der Steuerberater mit Zustimmung „voll und ganz“, von 32,9 Prozent mit Zustimmung und immerhin noch von 28 Prozent mit „ich stimme eher zu“ markiert. Nur 22,5 Prozent der befragten Steuerberater lehnten diese Aussage mehr oder weniger ab. Das zeigt, dass Steuerberater sehr genau wissen, dass weitere Herausforderungen auf sie zukommen werden, denen sie sich in den nächsten Jahren stellen müssen.
Dennoch ist klar: Die Branche wird nicht von Ängsten, sondern viel eher von Zuversicht geprägt. Die Steuerberater wissen nicht, wie ihre Kanzleien in einigen Jahren oder gar Jahrzenten aussehen werden – aber diese Unsicherheit teilen sie mit ihren Mandanten, gerade dem Mittelstand ist der Umbruch in der Wirtschaft mehr als bewusst. In einer Hinsicht ist der Berufsstand deutlich optimistischer als viele andere Branchen: Steuerberater gehen mit dem Selbstbewusstsein in die Zukunft, weiterhin gebraucht zu werden, nicht nur für Steuererklärungen, auch als wichtiger Berater für viele betriebswirtschaftliche Prozesse. Steuerberater werden gebraucht, und das wird noch viele Jahrzehnte der Fall sein.
Autor: Till Mansmann
Aus dem SteuerberaterMagazin 12|2016