Online-Nachricht - Donnerstag, 16.05.2024
Verfahrensrecht | Auswirkung einer Fiskalerbschaft auf einen Duldungsbescheid (BFH)
Für einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO fehlt es grundsätzlich an einem vollstreckbaren Schuldtitel im Sinne des § 2 AnfG, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen ist. Im Falle einer Fiskalerbschaft bewirkt der Akzessorietätsgrundsatz des § 2 AnfG jedoch nicht, dass das Anfechtungsrecht erlischt und der Duldungsanspruch untergeht. Die Steuerschuld gilt in diesem Fall als fortbestehend (BFH, Beschluss v. 24.4.2024 - VII R 57/20; veröffentlicht am 16.5.2024).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Duldungsbescheid infolge einer vom FG angenommenen Fiskalerbschaft, die ein Erlöschen der geltend gemachten Abgabenforderungen zur Folge haben könnte, aufrecht erhalten bleiben kann: Das FA nahm die Klägerin gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1 AnfG im Februar 2008 auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück in Anspruch. Die Klägerin hatte dieses Grundstück zuvor in Jahr 2007 von der Abgabenschuldnerin S erworben. Die Klägerin ist die Schwägerin der S, nämlich die geschiedene Ehefrau des Bruders der S, … (B). Als Gegenleistung übernahm die Klägerin eine Briefgrundschuld samt des hierdurch gesicherten Kredits sowie die Verpflichtung zur Zahlung eines weiteren Kaufpreises. Zudem räumte sie der S und deren Ehemann ein lebenslanges dingliches Wohnungsrecht ein und verpflichtete sich, dem Sohn der S ein unwiderrufliches Verkaufsangebot zu unterbreiten.
Das FA erklärte in dem Duldungsbescheid die Anfechtung des Erwerbsvorgangs.
Die Klägerin legte gegen den Duldungsbescheid Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens verminderten sich die Abgabenrückstände, weil die der S gegenüber ergangenen Steuerfestsetzungen geändert und bestandskräftig wurden. Hintergrund dieser Änderungen war ein gegen S und B geführtes Strafverfahren, aufgrund dessen beide mit landgerichtlichem Urteil im Jahr 2010 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden waren. Das LG ging davon aus, dass durch das Handeln von S und B bei Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern ein Mindestgesamtschaden von über … € nachgewiesen worden sei.
Im Jahr 2015 verstarb S. Ihr Ehemann und ihr einziger Sohn als gesetzliche Erben schlugen das Erbe aus. Mit Einspruchsentscheidung v. 12.5.2017 wies das FA den Einspruch überwiegend als unbegründet zurück, änderte aber den Duldungsbescheid, indem es durch Halbierung der verwirkten Säumniszuschläge die Abgabenrückstände verminderte.
Das FG der ersten Instanz wies die dagegen gerichtete Klage wegen objektiver Gläubigerbenachteiligung ab (FG Düsseldorf, Urteil v. 31.10.2019 - 9 K 1482/17 AO). Der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG sei erfüllt. Der Inanspruchnahme der Klägerin als Duldungsverpflichtete stehe nicht entgegen, dass infolge des Versterbens der S eine Fiskalerbschaft eingetreten sei, durch die sich die Steuerrückstände der S durch Konfusion erledigt hätten.
Nach Auffassung der Klägerin gilt für einen Duldungsbescheid gemäß § 191 AO i.V.m. §§ 1 ff. AnfG der Grundsatz der Akzessorietät. Dieser werde im Falle der hier vorliegenden Fiskalerbschaft nicht durchbrochen. Die Grundsätze des BFH-Urteils v. 7.3.2006 - VII R 12/05, BStBl II 2006, 584 könnten auf den Streitfall nicht übertragen werden, da dieses Urteil mit der besonderen Ausgestaltung des § 278 AO begründet worden sei.
Die Richter des BFH wiesen die Revision als unbegründet zurück:
- Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das FA - vor dem Versterben der S - einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO i.V.m. §§ 1 ff. AnfG erlassen konnte.
- Der Duldungsbescheid war nach dem Versterben der S auch nicht aufzuheben. Dabei kann dahinstehen, ob es infolge des Versterbens der S zu einer Fiskalerbschaft gekommen ist.
- Denn selbst wenn es zu einer Fiskalerbschaft gekommen und die zugrunde liegende Abgabenschuld der Hauptschuldnerin S gemäß § 47 AO erloschen wäre, ist jedenfalls der materielle Duldungsanspruch nicht untergegangen.
- Der sog. Grundsatz der Akzessorietät des § 2 AnfG bewirkt im Falle einer Fiskalerbschaft nicht, dass das Anfechtungsrecht erlischt und der Duldungsanspruch untergeht.
Quelle: BFH, Beschluss v. 24.04.2024 - VII R 57/20; NWB Datenbank (il)
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