Online-Nachricht - Donnerstag, 02.05.2024
Umsatzsteuer | Kein Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 FGO bei fehlenden Feststellungen zur Sachdienlichkeit (BFH)
Ein Zwischenurteil darf nur ergehen, wenn sich die Tatsachen, welche die Sachdienlichkeit im Sinne des § 99 Abs. 2 FGO begründen, aus den Feststellungen des Finanzgerichts ergeben (BFH, Urteil v. 14.12.2023 - V R 30/21; veröffentlich am 2.5.2024).
Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, die in den Streitjahren ihre Umsätze gem. § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG nach vereinnahmten Entgelten versteuerte, warb als Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bei Investoren Geldmittel ein und reichte diese als Darlehen an verschiedene im Inland ansässige und unternehmerisch tätige Tochtergesellschaften weiter. In den Streitjahren vereinnahmte die Klägerin keine Zinsen.
Die Klägerin bezog in den Streitjahren Beratungsleistungen, die im Zusammenhang mit der Einwerbung der als Darlehen ausgereichten Geldmittel standen und machte hierfür die hierauf entfallende Vorsteuer geltend. Das FA folgte dem nicht, da der Abzug der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei. Während Einspruchsverfahren vereinbarte die Klägerin im Jahr 2017 in Ergänzungsvereinbarungen mit den Darlehensnehmern unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 UStG, auf die Steuerfreiheit der Zinsen rückwirkend seit dem 01.01.2015 zu verzichten, und stellte den Darlehensnehmern die Zinsen zzgl. ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 19 % in Rechnung.
Nach Erhebung der Klage gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für den Streitzeitraum setzten das FA für das die Streitjahre Umsatzsteuer fest. Ein Vorsteuerabzug wurde jeweils weiterhin nicht in Ansatz gebracht. Mit einem Zwischenurteil gem. § 99 Abs. 2 FGO entschied das FG über den Anspruch der Klägerin auf Vorsteuerabzug dem Grunde nach. Bei der Klägerin handele es sich im Hinblick auf die gegenüber der UG & Co. KG erbrachten Leistungen um eine Unternehmerin. Insoweit stehe ihr der vollständige Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen zu. Die Vorsteuer aus Eingangsleistungen, welche die Klägerin für die Darlehensgewährung verwendet habe, sei insgesamt nicht abziehbar.
Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist begründet und die Richter des BFH führten u.a. hierzu aus:
- Nach § 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und die Beteiligten nicht widersprechen. Ob das FG in dieser Form entscheiden will, beurteilt es zwar nach eigenem Ermessen. Der BFH prüft aber, ob die Voraussetzungen eines Zwischenurteils vorgelegen haben (BFH-Urteil v. 2.6.2016 IV R 23/13, BFH/NV 2016, 1433, Rz 24 ff.; BFH, Urteil v. 8.11.1972 I R 257/71, BFHE 107, 275, BStBl II 1973, 120, unter 1.). Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen hat der BFH in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BFH, Urteil v. 9.12.2003 VI R 148/01, BFH/NV 2004, 527, unter 1.).
- Sachdienlich ist eine Entscheidung durch Zwischenurteil jedenfalls dann, wenn zu erwarten ist, dass die Beteiligten nach der verbindlichen Klärung der Rechtsfrage den Rechtsstreit rasch beilegen werden. Es kann aber auch andere Gründe für die Sachdienlichkeit geben (BFH, Urteil v. 1.3.2001 IV R 90/99, BFH/NV 2001, 904, unter III.1.d).
- Nicht sachdienlich ist die Entscheidung über eine Rechtsfrage insbesondere dann, wenn noch nicht alle für ihre abschließende Beantwortung im Urteilsfall erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind (BFH, Urteil v. 2.6.2016 IV R 23/13, BFH/NV 2016, 1433, Rz 25). Ein Zwischenurteil kommt deshalb nur zu solchen Vorfragen in Betracht, über die mit Sicherheit auch in einem Endurteil zu entscheiden wäre (BFH, Urteil v. 4.2.1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139, unter II.1.a).
- Diese Anforderungen sind im Streitfall für die vom FG entschiedenen Fragen nicht erfüllt.
- Mit der Aufhebung des angefochtenen Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlass des Zwischenurteils bestanden hat, ohne dass es einer förmlichen Zurückverweisung bedarf (BFH, Urteile v. 25.07.2019 III R 22/16, BFHE 265, 386, BStBl II 2020, 51, Rz 42 und BFH, Urteil v. 4.9.2019 I R 11/17, BFH/NV 2020, 766, Rz 15).
Quelle: BFH, Urteil v. 14.12.2023 V R 30/21 (GR)
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