Online-Nachricht - Donnerstag, 04.04.2024

Umsatzsteuer | Anforde­rungen an die Person des Leistungs­empfängers i.S. des § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG (BFH)

Für die Verlagerung der Steuer­schuld­ner­schaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG kommt es nicht auf die Verwen­dung einer gültigen USt-IdNr. durch den Leistungs­empfänger an. Die Verlage­rung der Steuer­schuldner­schaft vom leistenden Unter­nehmer auf den Leistungs­empfän­ger wirkt zu Gunsten des leistenden Unter­nehmers und führt zu einer den leisten­den Unter­nehmer hinsicht­lich der Voraus­setzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG tref­fenden Fests­tellungs­last. Eine Ent­scheidung auf Grund­lage der Fest­stel­lungs­last kann im finanz­gericht­lichen Verfahren erst im Falle einer Unauf­klär­bar­keit des Sach­verhalts getrof­fen werden (BFH, Urteil v. 31.1.2024 - V R 20/21; veröf­fent­licht am 4.4.2024).

Hintergrund: Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 1 UStG schuldet der Leistungs­empfänger die Steuer für eine nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuer­pflichtige sonstige Leistung eines im übrigen Gemein­schafts­gebiet ansässigen Unter­nehmers, wenn der Leistungs­empfänger ein Unter­nehmer ist. Unter­nehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nach­haltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Sachverhalt: Streitig ist, welche Anforde­rungen ein im übrigen Gemein­schafts­gebiet ansässiger Unter­nehmer, der im Inland sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 oder Abs. 5 UStG an Unternehmer und Nicht­unter­nehmer erbringt, zu erfüllen hat, damit er von einer Steuer­schuldner­schaft seiner unter­nehmerischen Leistungs­empfänger nach § 13b UStG ausgehen kann. Die Klägerin ist ein Online-Marktplatz, auf dem sowohl Unter­nehmer als auch Endverbraucher Gegen­stände zum Kauf anboten. Die Dienst­leistungen der Klägerin bestanden darin, den Anbietern der Waren den Zugang und die Nutzung des Online-Marktplatzes zu gewähren‚ wofür sie Gebühren von den Nutzern erhob, deren Höhe sich vornehmlich nach den Verkaufs­erlösen richtete. Die Nutzer mussten sich bei der Klägerin registrieren und angeben, ob sie als Privatperson ("privates Konto") oder als Unternehmer ("gewerb­liches Konto") den Marktplatz nutzen wollten. Unternehmerische Nutzer mussten u.a. ihre Umsatzsteuer-Identi­fikations­nummer angeben, die die Klägerin prüfte.

Bis zum 31.12.2014 behandelte die Klägerin ausschließlich die Leistungs­empfänger als Unternehmer, die eine gültige USt-IdNr. angaben. Zum 1.1.2015 stellte sie das Verfahren um. Kunden, die eine gültige USt-IdNr. angaben, wurden nach wie vor als Unter­nehmer behandelt. Sofern eine angegebene USt-IdNr. nicht mehr als gültig bestätigt wurde oder der Leistungs­empfänger sich als gewerb­licher Nutzer registrierte, aber keine oder eine ungültige USt-IdNr. angab‚ prüfte und bejahte die Klägerin nunmehr die Unter­nehmer­eigen­schaft des Leistungs­empfängers, wenn bei diesem eines von drei Kriterien zur Bejahung einer Unter­nehmer­eigen­schaft vorlag. Insoweit stellte die Klägerin darauf ab, ob der Leistungs­empfänger im laufenden Jahr oder im Vorjahr entweder mehr als XXX Verkäufe tätigte oder getätigt hatte, ob (im gleichen Zeitraum) Leistungs­entgelte ("Verkaufs­gebühren") von mindestens XXX € entstanden waren oder ob sich der Leistungs­empfänger auf einer besonderen Plattform (gewerbliche Plattform) angemeldet hatte, die gewerb­lichen Händlern vorbehalten war. Sofern eines der drei Kriterien erfüllt war, ging die Klägerin von einer Steuer­schuldner­schaft des Leistungs­empfängers gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG aus.

Das FA vertrat dagegen die Auffassung, dass nur die Leistungs­empfänger als Unter­nehmer zu behandeln seien, für die eine gültige USt IdNr. vorgelegen habe. Die drei von Klägerin angelegten Kriterien waren nach Ansicht der Prüfer nicht geeignet, die Unter­nehmer­eigenschaft der Leistungs­empfänger anzunehmen. Das FG der ersten Instanz vertrat die Auffassung, dass die Klägerin für die Leistungen an die im Inland ansässigen Empfänger, die sie aufgrund der drei Kriterien als Unter­nehmer angesehen habe, Steuer­schuldnerin (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG) sei. Eine Umkehr der Steuer­schuldner­schaft nach § 13b Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG auf die Leistungs­empfänger, die die Klägerin aufgrund der drei Kriterien als Unter­nehmer angesehen habe, komme nicht in Betracht. Die Verwendung einer gültigen USt IdNr. sei zwar weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht notwendig, um den Leistungs­empfänger als Unter­nehmer im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG zu qualifizieren. Die Klägerin habe jedoch nicht zur Über­zeugung des Gerichts nach­gewiesen, dass diese Leistungs­empfänger Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 2 UStG gewesen seien und ihren Sitz oder ihre Geschäfts­leitung im Inland gehabt hätten.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Das FG hat zutreffend entschieden, dass es für die Verlagerung der Steuer­schuldner­schaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG nicht auf die Verwendung einer gültigen USt IdNr. durch den Leistungsempfänger ankommt.
  • Weiter ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass für eine Verlagerung der grund­sätzlich den leistenden Unternehmer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG treffenden Steuer­schuld durch § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG jedenfalls die Person des Leistungs­empfängers hinreichend bekannt, das heißt identifizierbar sein muss.
  • Auf Grundlage dieser zutreffenden Rechtsauf­fassung ist das FG jedoch verfahrensfehlerhaft unter Verletzung der ihm obliegenden Sach­aufklärungs­pflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon ausgegangen, dass eine Ermittlung der Unter­nehmereigen­schaft der Leistungs­empfänger und eine Überprüfung der von X zu den Leistungs­empfängern gemachten Angaben nicht möglich gewesen sei.
  • Eine Einschränkung der Sachaufklärungs­pflicht ergibt sich nicht daraus, dass § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG eine Sonderregelung zu § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ist. Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unter­nehmer auf den Leistungsempfänger wirkt zwar zu Gunsten des leistenden Unter­nehmers, was zu einer den leistenden Unter­nehmer hinsichtlich der Voraus­setzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG treffenden Feststel­lungslast führt (vgl. z.B. zum Bereich der Steuer­satzermäßi­gung BFH-Urteil v. 12.5.2022 - V R 19/20, BStBl II 2023, 885, Rz 26).
  • Allerdings kann eine Entscheidung auf Grundlage der Feststellungslast (objektive Beweislast) im finanzgerichtlichen Verfahren erst im Falle einer Unauf­klärbarkeit des Sachverhalts getroffen werden (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 19.1.2017 - III R 28/14, BFHE 256, 403, BStBl II 2017, 743, Rz 20, mit Hinweis zur sogenannten "Beweis­risikosphäre").
  • Daran fehlt es im Streitfall mangels hinreichender Sachaufklärung durch das FG.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 31.1.2024 - V R 20/21; NWB Datenbank (il)

 
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