Online-Nachricht - Donnerstag, 21.03.2024

Umsatzsteuer | Voraus­setzungen einer inner­gemein­schaft­lichen Anschluss­lieferung (BFH)

Die Steuer­befreiung für eine inner­gemein­schaft­liche An­schluss­lieferung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG kann grund­sätz­lich nur dann in An­spruch ge­nom­men werden, wenn die Iden­tität des Er­werbers im Erwerbs­mit­glied­staat fest­steht. Die Beweis­last für das Vor­liegen der Vor­aus­setzungen einer inner­gemein­schaft­lichen Anschluss­lieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuer­befrei­ung beruft (BFH, Urteil v. 21.11.2023 - VII R 10/21; veröf­fent­licht am 21.3.2024).

Hintergrund: EGemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Einfuhr der Gegen­stände steuerfrei, die von einem Schuldner der Einfuhr­umsatz­steuer im Anschluss an die Einfuhr unmit­telbar zur Ausführung von inner­gemein­schaft­lichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) verwendet werden.

Sachverhalt: Die Klägerin meldete mit Zollan­meldung vom 12.12.2016 als indirekte Vertreterin der B GmbH, Mitglied­staat A, 100 Doku­menten­taschen mit einem Zollwert von 817,50 € bei einem Zollamt in Deutschland unter Verwen­dung des Verfahrens­codes (VC) 42 zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung an. Hierbei gab sie die Umsatz­steuer-Identifi­kations­nummer (USt-IdNr.) des Mitgliedstaats A der B GmbH und die von der drittländischen Verkäuferin C erstellte Handels­rechnung Nr. … vom 28.11.2016 sowie die Lieferbedingung DDP (delivered, duty paid) an.

Das HZA setzte mit Einfuhrabgaben­bescheid vom 12.12.2016 die Einfuhrabgaben auf 0 € fest. Der Bescheid war an die Klägerin und "als Vertreter für (für Rechnung)" die B GmbH gerichtet.

Am 19.12.2016 teilte die Klägerin dem HZA mit, dass die Ware nach deren Überlassung umdisponiert worden sei und ein anderer gewerblicher im Mitgliedstaat A ansässiger namentlich nicht benannter Abnehmer diese erhalten habe.

Daraufhin setzte das HZA mit Einfuhrabgaben­bescheid vom 31.1.2017 gegen die Klägerin Einfuhr­umsatz­steuer in Höhe von 183,83 € fest, weil nach Auffassung des HZA die Voraussetzungen einer steuerfreien inner­gemein­schaft­lichen Lieferung (igL) gemäß § 6a UStG nicht vorlägen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Hamburg, Gerichts­bescheid v. 25.1.2021 - 4 K 47/18)..

Die Richter des BFH wiesen die Revision der Klägerin als unbe­gründet zurück:

  • Vorliegend wurde die Einfuhrumsatzsteuer fälschlicher­weise zunächst auf 0 € festgesetzt, indem eine Steuerbefreiung für eine inner­gemein­schaft­liche Anschlusslieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG gewährt wurde, deren Voraus­setzungen tatsächlich nicht erfüllt waren.
  • Eine igL (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung der Unter­nehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemein­schaftsgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unter­nehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), eine juristische Person ist, die nicht Unter­nehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unter­nehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. b), oder bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber (Nr. 2 Buchst. c) und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatz­besteuerung unterliegt (Nr. 3). Diese Voraus­setzungen müssen vom Unternehmer nach­gewiesen werden (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).
  • Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer inner­gemein­schaft­lichen Anschluss­lieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuer­befreiung beruft (EuGH-Urteil v. 20.6.2018 - C-108/17, „Enteco Baltic“, Rz 67). Demnach hat der Unternehmer (Steuer­pflichtige) die Voraus­setzungen der igL nachzuweisen (u.a. BFH, Urteil v. 17.2.2011 - V R 30/10, Rz 18).
  • Die Voraussetzungen für eine igL im Sinne von § 6a UStG sind im Streitfall nicht erfüllt.
  • Zunächst ist bereits unklar, ob der Abnehmer der Waren tatsächlich ein Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist. Darüber hinaus hatte die Klägerin keine Verfügungs­macht über die Waren.
  • Dass die Beförderung der Dokumententaschen von Deutschland in den Mitgliedstaat A unter den Umständen des Streitfalls als steuerfreie igL zu behandeln ist, ergibt sich auch nicht aus unions­rechtlichen Vorgaben.
  • Die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Anschluss­lieferung kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn den zuständigen Behörden die Identität des neuen Erwerbers bekannt ist. Dies ergibt sich aus dem EuGH-Urteil v. 20.6.2018 - C-108/17 "Enteco Baltic" Rz 58 und 61, in dem der EuGH ein Fortbestehen der Steuerbefreiung davon abhängig gemacht hat, dass der Importeur die zuständige Behörde immer ordnungs­gemäß über Änderungen der Identität der Erwerber informiert und er den zuständigen Behörden des Einfuhr­mitglied­staats sämtliche Informa­tionen über die Identität des neuen Erwerbers mitgeteilt hat. Der Identität des Erwerbers misst der EuGH also, wie das FG richtig erkannt hat, entscheidende Bedeutung bei.
  • Ein Verzicht auf die Identität des Empfängers würde die Gefahr eines unver­steuerten Letztverbrauchs der eingeführten Gegenstände mit sich bringen und daher den Zielen einer gleich­mäßigen Besteuerung (s. Erwägungsgrund 7 der MwStSystRL) und der Wettbewerbs­neutralität zuwider­laufen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, Steuer­pflichtige selbst zu ermitteln oder im Wege der gegen­seitigen Amtshilfe in einem anderen Mitgliedstaat ermitteln zu lassen.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 21.11.2023 - VII R 10/21; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VII. Senat des BFH Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt gelangen Sie hier (Login erforderlich).

Cookies erforderlich

Um fortfahren zu können, müssen Sie die dafür zwingend erforderlichen Cookies zulassen. Diese gewährleisten den vollen Funktionsumfang unserer Seite, ermöglichen die Personalisierung von Inhalten und können für die Ausspielung von Werbung oder zu Analysezwecken genutzt werden. Lesen Sie auch unsere Datenschutzerklärung.