Online-Nachricht - Donnerstag, 07.03.2024
Einkommensteuer | Verteilung von Nutzungsentschädigungen für die Überlassung von Ausgleichsflächen (BFH)
§ 11 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 EStG setzt nicht voraus, dass die genaue Zeitdauer der Nutzungsüberlassung im Vorauszahlungszeitpunkt bereits fest vereinbart ist. Die Zeitdauer muss jedoch anhand objektiver Umstände – gegebenenfalls im Wege einer Schätzung – zumindest bestimmbar sein (Anschluss an BFH, Urteil v. 4.6.2019 - VI R 34/17, BStBl II 2021, 5: BFH, Urteil v. 12.12.2023 - IX R 18/22; veröffentlicht am 7.3.2024).
Hintergrund: Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG kann der Steuerpflichtige Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Abs. 2 Satz 3 EStG beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird, § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Entgelte, die er aus der Überlassung von Grundstücken zum Zwecke des Ausgleichs von Eingriffen in die Natur erhalten hat, bei Zufluss sofort versteuern muss oder ob er die erhaltenen Entgelte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf eine Laufzeit von 20 Jahren verteilen kann: Der Kläger hat in den Streitjahren landwirtschaftliche Flächen zur Nutzung für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen und zur Generierung von sog. Ökopunkten zur Verfügung gestellt und hierfür eine Nutzungsentschädigung erhalten. Der Nutzungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte frühestens nach Ablauf von 30 Jahren ordentlich gekündigt werden.
Das Finanzamt ordnete die Nutzungsentschädigung entsprechend dem BFH-Urteil v. 20.7.2018 - IX R 3/18 den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu, ließ jedoch die beantragte Verteilung der Entschädigung auf 20 Jahre nicht zu, sondern setzte die Beträge jeweils im Jahr der Vereinnahmung einschließlich Umsatzsteuer an, abzüglich der im jeweiligen Jahr gezahlten Umsatzsteuer. Zwar seien Einnahmen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren im Voraus geleistet worden. Der Zahlungszeitraum sei jedoch nicht genau festgelegt worden und auch nicht bestimmbar.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 9.11.2022 - 2 K 217/21, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 3.4.2023).
Die Richter des BFH wiesen die Revision zurück:
- Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Zahlungen der GmbH an den Kläger als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert.
- Ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG eine Verteilung der Zahlungen der GmbH auf eine Laufzeit von 20 Jahren nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG abgelehnt, da ein (konkreter) Vorauszahlungszeitraum von mehr als fünf Jahren weder bestimmt noch bestimmbar ist.
- Bei Bezug der Einnahmen, deren Verteilung in Rede steht, muss feststehen, dass der Vorauszahlungszeitraum für die Nutzungsüberlassung mehr als fünf Jahre beträgt.
- Hierfür genügt nicht schon der Abschluss eines unbefristeten, ordentlich kündbaren Vertrags über eine Nutzungsüberlassung (vgl. BFH, Urteil v. 20.7.2018 - IX R 3/18, Rz 24).
- Zwar verlangt das Gesetz nicht, dass die genaue Zeitdauer der Nutzungsüberlassung im Vorauszahlungszeitpunkt bereits fest vereinbart ist (vgl. BFH, Urteil v. 4.6.2019 VI R 34/17, BStBl II 2021, 5, Rz 35; Brandis/Heuermann/Martini, § 11 EStG Rz 47). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der (fünf Jahre überschreitende) Vorauszahlungszeitraum anhand objektiver Um-stände – und sei es auch im Wege sachgerechter Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 der AO) – feststellbar (bestimmbar) ist (BFH, Urteil v. 4.6.2019 - VI R 34/17, BStBl II 2021, 5, Rz 35; im Ergebnis ebenso BMF, Schreiben v. 30.9.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 26; offengelassen im BFH-Urteil v. 20.7.2018 - IX R 3/18, Rz 23).
- Denn die gleichmäßige Verteilung der Vorauszahlung auf den Vorauszahlungszeitraum setzt denknotwendig voraus, dass dieser Zeitraum jedenfalls bestimmbar ist. Andernfalls ist eine gleichmäßige Verteilung der Einnahmen auf den Vorauszahlungszeitraum nicht möglich (BFH, Urteil v. 4.6.2019 - VI R 34/17, BStBl II 2021, 5, Rz 35).
- Nach diesen Maßstäben und den tatsächlichen Feststellungen des FG ist vorliegend der Vorauszahlungszeitraum weder bestimmt noch bestimmbar. Zwar steht im Streitfall aufgrund des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für 30 Jahre ein Mindestnutzungszeitraum fest. Gleichwohl fehlen objektive Anhaltspunkte, anhand derer sich ein Ende der Nutzungsüberlassung beziehungsweise des Vorauszahlungszeitraums – gegebenenfalls im Schätzungswäge – feststellen lässt.
Quelle: BFH, Urteil v. 12.12.2023 - IX R 18/22; NWB Datenbank (il)
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