Online-Nachricht - Donnerstag, 07.03.2024

Verfahrensrecht | Nichtigkeit eines Schenkung­steuer­bescheids (BFH)

Entrichtet der Schenker die ihm gegen­über fest­gesetzte Schenkung­steuer in vollem Umfang, so erlischt diese auch mit Wirkung gegen­über dem Bedachten als weiteren Gesamt­schuldner und kann daher diesem gegen­über nicht mehr fest­gesetzt werden. Ein Schenkung­steuer­bescheid ist nichtig, wenn ihm auch nach verstän­diger Aus­legung nicht mit hin­reichender Sicher­heit die Höhe der fest­gesetzten Schenkung­steuer ent­nommen werden kann (BFH, Urteil v. 8.11.2023 - II R 22/20; veröf­fent­licht am 7.3.2024).

Hintergrund: Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Er ist nichtig und damit nach § 124 Abs. 3 AO unwirksam, soweit er an einem besonders schwer­wiegenden Fehler leidet und dies bei verstän­diger Würdi­gung aller in Betracht kommenden Umstände offen­kundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Ein Verwal­tungs­akt leidet an schweren und offen­kundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnom­men werden kann, was von wem verlangt wird (vgl. BFH, Urteil v. 15.4.2010 - IV R 67/07, Rz 17 f.).

Sachverhalt: Der Vater des Klägers war zu 15 % als geschäfts­führender und zur alleinigen Vertretung berechtigter Gesell­schafter an vier Personen- und Kapital­gesell­schaften (eine KG, zwei GmbHs, eine GbR) beteiligt. Mit notariell beur­kundetem Vertrag schenkte er dem Kläger eine Beteiligung von 6,5 % an diesen vier Gesell­schaften. Der Kläger war zum damaligen Zeitpunkt minderjährig und durch einen Ergänzungs­pfleger vertreten. Der Vater behielt sich das lebens­lange Nieß­brauchrecht vor.

In dessen Rahmen erteilte der beschenkte Kläger dem Vater als Nieß­brauch­berech­tigtem die nur aus wichtigem Grund wider­rufliche Vollmacht, für ihn das Stimmrecht bei Gesell­schafter­versamm­lungen auszuüben, solange der Nießbrauch für den Vater bestand. Der Vater übernahm im Vertrag eine etwaig anfallende Schenkung­steuer.

Das FA setzte erklärungsgemäß mit Bescheid v. 9.10.2009 Schenkung­steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei gewährte es die Ver­günsti­gungen des § 13a ErbStG a.F. sowohl für die KG-Beteiligung als auch für die GmbH-Beteili­gungen. Der Bescheid erging "für Herrn [Vater] als Träger der Schenkung­steuer für Herrn [Kläger]". Gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt. Der Vater zahlte die fällige Steuer fristgerecht.

Mit Bescheid v. 26.10.2010 setzte das FA erneut Schenkung­steuer fest. Dabei gewährte es die Vergünsti­gungen des § 13a ErbStG a.F. nur noch für die GmbH-Beteili­gungen. Hinsichtlich der Übertragung der KG-Beteiligung sei die Begünsti­gung nicht zu gewähren, da der Kläger nicht Mitunter­nehmer geworden sei. Der Bescheid erging "für Herrn [Vater] als gesetzlicher Vertreter von Herrn [Kläger]". Der Vater zahlte erneut den fälligen Betrag. Der Bescheid wurde durch die damalige bevoll­mächtigte Kanzlei mit dem Einspruch angefochten.

Im Verlauf des Einspruchsverfahrens ergingen weitere Änderungs­bescheide. Mit Schreiben v. 21.1.2016 teilte das FA mit, es beabsichtige eine Verböserung insoweit, als auch die Verschonung für die GmbH-Beteili­gungen nicht mehr gewährt werden solle (Beteiligung nur zu 15 %, statt der geforderten 25 %). Mit Einspruchs­entscheidung v. 5.1.2017 über "den Einspruch vom 23.11.2010 des [Vaters]" gewährte das FA die Verschonung auch für die GmbH-Beteili­gungen nicht mehr und setzte die Steuer entsprechend herauf.

Die hiergegen gerichtete Klage, mit der der Kläger u.a. geltend machte, die Bescheide v. 26.10.2010, 16.12.2013 und v. 3.2.2014 hätten den gegenüber dem Vater ergangenen ersten Bescheid v. 9.10.2009 nicht geändert, da sie nicht an den Vater, sondern nur an den Kläger gerichtet gewesen seien, hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG könne der Bescheid v. 26.10.2010 in einen Erstbescheid gegen den Kläger umgedeutet werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.11.2022 hob der BFH alle gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheide auf. Die drei Änderungs­bescheide könnten nicht in einen Erstbescheid gegenüber dem Kläger umgedeutet werden, weil diese Bescheide auch als Erst­bescheide rechtswidrig gewesen wären.

Das FA hat am 10.5.2023 alle Bescheide nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgehoben und am selben Tag gegenüber dem Kläger einen neuen Bescheid erlassen. Im Tenor des neuen Schenkung­steuer­bescheids v. 10.5.2023 wurde die gesamte Steuer in Höhe von 15.800.340 € gegen den Kläger festgesetzt. Nachfolgend erfolgte unter der Überschrift "Berechnung des steuerlichen Erwerbs" die Zusammen­rechnung des Werts des Erwerbs, des Vermögens aus Vorerwerben und der vom Vater übernommenen Schenkung­steuer. Ausgehend von dem Gesamtbetrag des Erwerbs, abzüglich des persönlichen Freibetrags nach § 16 ErbStG a.F., wurde der steuerpflichtige Erwerb mit 52.667.800 € angegeben. Sodann erfolgte unter der Überschrift "Steuerfestsetzung" eine nähere Erläuterung der Festsetzung. Ausgehend von dem zuvor ermittelten steuer­pflichtigen Erwerb wurde unter Berück­sichtigung des maßgeblichen Steuersatzes die im Tenor des Bescheids genannte Steuer in Höhe von 15.800.340 € ermittelt. Von diesem Betrag wurde zunächst die nach § 25 ErbStG a.F. gestundete Steuer (5.667.690 €) abgezogen und der Ablösungsbetrag (3.394.946,31 €) wieder hinzu­gerechnet. Sodann wurde die durch den Vater (Schenker) bereits geleistete Zahlung (6.698.133 €) abgezogen und eine "festgesetzte Steuer" in Höhe von 6.829.463,31 € aufgeführt. Danach erfolgte ein Ausgleich durch Verrechnung in Höhe von 6.829.463,31 €, sodass die Aufstellung mit "Noch zu zahlen" in Höhe von 0 € endete.

Die gegen den neuen Bescheid gerichtete Klage hatte vor dem BFH Erfolg:

  • Der Schenkungsteuerbescheid v. 10.5.2023 ist nichtig, da aus diesem für den Kläger nicht eindeutig hervorgeht, in welcher Höhe die Schenkung­steuer gegen ihn festgesetzt wurde.
  • Der Tenor des Schenkungsteuerbescheids steht im Widerspruch zu dessen Begründung. Es wird ausdrück­lich zunächst Schenkung­steuer in Höhe von 15.800.340 € gegen den Kläger im Tenor festgesetzt und sodann in der Begründung unter der Überschrift "Steuer­festsetzung" ein niedrigerer Betrag als "festgesetzte Steuer" in Höhe von 6.829.463,31 € ausgewiesen. Das ist widersprüchlich und führt dazu, dass die festgesetzte Steuer, die eines der Kernelemente eines Steuerbescheids (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) ausmacht, für den Kläger als Adressaten des Steuer­bescheids nicht hinreichend bestimmbar ist.
  • Der Bescheid lässt auch nicht erkennen, dass die festgesetzte Steuer­schuld durch die Zahlung des Vaters nach § 47, § 224 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO materiell erloschen ist.
  • Erwerber und Schenker sind nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO Gesamtschuldner, denn sie schulden neben­einander dieselbe Leistung aus dem Steuer­schuld­verhältnis. Die Erfüllung der Steuerschuld durch einen Gesamt­schuldner wirkt nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch für die übrigen Schuldner. Entrichtet der Schenker die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese gemäß § 47 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch mit Wirkung gegenüber dem Beschenktem und kann daher diesem gegen­über nicht mehr festgesetzt werden (vgl. BFH-Urteil v. 29.2.2012 II R 19/10, BFHE 237, 188, BStBl II 2012, 489, m.w.N., für den umge­kehrten Fall, in dem die Beschenkte die Steuer­schuld mit Wirkung für die Schenkerin entrichtet hatte).
  • Zwar wurde in der Begründung des Schenkung­steuer­bescheids die durch den Vater (Schenker) bereits geleistete Zahlung abgezogen und eine niedrigere als die im Tenor festgesetzte Steuer als festgesetzt ausgewiesen. Durch diese Darstellung wird aber nicht hinreichend deutlich, dass die Entrichtung der Schenkung­steuer durch den Vater (Schenker) zum Erlöschen der gegen den Kläger festzu­setzenden Steuer­schuld geführt hat.
  • Dem Bescheid lässt sich danach auch nach verständiger Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, in welcher Höhe die Steuerschuld gegen den Kläger festgesetzt wurde. Er leidet daher an einem schwer­wiegenden Fehler im Sinne des § 125 Abs. 1 AO und war aus Gründen der Rechts­sicherheit und Rechts­klarheit aufzuheben.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 8.11.2023 - II R 22/20; NWB Datenbank (il)

 
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