Online-Nachricht - Donnerstag, 15.02.2024

Verfahrensrecht | Zulässig­­keit einer im Jahr 2022 durch eine Steuer­­bera­­tungs­­gesell­­schaft mbH per Telefax erho­­benen Klage (BFH)

Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungs­pflichtige Prozess­bevoll­mächtigte in Gestalt einer Steuer­bera­tungs­gesell­schaft mbH wird nicht dadurch (im Sinne des § 52d Satz 1 FGO) nutzungs­pflich­tig, dass ein nach § 52d Satz 1 FGO nutzungs­pflich­tiger gesetz­licher Vertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betref­fend die Gesell­schaften mit be­schränk­ter Haftung, § 55d Abs. 2 des Steuer­bera­tungs­gesetzes) gegen­über dem Gericht auftritt; der Umstand, dass der handelnde Rechts­anwalt außer­halb seiner Tätigkeit als Organ der Steuer­bera­tungs­gesell­schaft mbH über eine Zulas­sung zur Anwalt­schaft verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis (Anschluss an das Zwischen­urteil des BFH v. 25.10.2022 - IX R 3/22, BStBl II 2023, 267 und den Beschluss des BAG v. 21.09.2023 - 10 AZR 512/20: BFH, Urteil v. 18.10.2023 - XI R 39/22; veröf­fent­licht am 15.2.2024).

Sachverhalt: Streitig ist, ob des für das Bestehen der Über­mittlungs­pflicht nach § 52d FGO auf die Gesell­schaftsform oder auf den Status des Unter­zeichners als Rechts­anwalt oder Steuerberater ankommt: Nach Schätzung der Besteuerungs­grund­lagen zur Umsatzsteuer 2019 durch Umsatz­steuer­bescheid des beklagten FA v. 10.2.2022 und erfolglosem Einspruchs­verfahren (Einspruchs­entscheidung vom 10.6.2022) erhob die Prozess­bevoll­mächtigte, eine Steuer­bera­tungs­gesell­schaft mbH, "vertreten durch den Geschäftsführer Rechts­anwalt [X]", namens und in Vertretung der Klägerin mit Telefax vom 12.7.2022 Klage wegen Umsatzsteuer 2019. Auf dem Briefbogen der Prozess­bevoll­mächtigten sind neben dem Sitz der Gesellschaft und dem Register­gericht samt HRB-Nummer die Geschäfts­führer (X), Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht, sowie (Y), Steuerberater, angegeben. Die Klageschrift ist unterzeichnet von X mit dem Zusatz "Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht".

Das FG wies die Klage als unzulässig ab (Nieder­sächsisches FG, Gerichtsbescheid v 18.11.2022 - 3 K 175/22. Die Klage sei entgegen §§ 52a, 52d FGO nicht innerhalb der Klagefrist als elektronisches Dokument übermittelt worden. Im Zeitpunkt der Klageerhebung habe eine Pflicht zur Nutzung des beA für alle natürlichen Personen, die als Rechts­anwälte zugelassen waren, bestanden. Der für die Prozessbevollmächtigte tätige Rechtsanwalt X, der die Klageschrift unterzeichnet hatte, sei verpflichtet gewesen, das beA zur Erhebung der Klage zu nutzen. Die Berufsaus­übungs­pflichten des Rechtsanwalts seien nicht teilbar; er unterliege als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuer­beratungs­gesell­schaft mbH ebenso der Nutzungspflicht wie als Rechtsanwalt in einer Einzelpraxis. Die Voraus­setzungen für eine Wieder­einsetzung in die versäumte Klagefrist gemäß § 56 Abs. 1 FGO seien nicht gegeben.

Die Richter des BFH hoben das FG-Urteil auf und wiesen die Sache zur ander­weitigen Verhandlung und Entscheidung an des FG zurück:

  • Die Klägerin hat am 12.7.2022 in zulässiger Weise per Telefax Klage erhoben.
  • Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist als Steuer­beratungs­gesell­schaft mbH nach § 52d Satz 2 FGO grund­sätzlich erst seit dem 01.01.2023 zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs und zur Über­mittlung (vorbereitender und) bestimmender Schriftsätze sowie schriftlich einzureichender Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument verpflichtet.
  • Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Prozess­bevoll­mächtigte der Klägerin im Streitfall durch einen gesetzlichen Vertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 55d Abs. 2 StBerG) gehandelt hat, der neben seiner (nicht­selbständigen) Tätigkeit als Geschäftsführer der Prozess­bevoll­mächtigten eine Zulassung zur Rechts­anwaltschaft (Verpflichtung nach § 52d Satz 1 FGO seit dem 1.1.2022) besitzt und in dieser Form ("X, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht") die Klageschrift unterzeichnet hat.
  • Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozess­bevoll­mächtigte in Gestalt einer Steuer­beratungs­gesell­schaft mbH wird nicht dadurch (im Sinne des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, dass für sie ein gesetzlicher Vertreter handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde (vgl. BFH, Zwischenurteil v. 25.10.2022 - IX R 3/22, BStBl II 2023, 267, Rz 21; zu einer Berufs­ausübungs­gesell­schaft in Gestalt einer steuer­beratenden Partner­schafts­gesell­schaft mit beschränkter Berufshaftung vgl. Urteil des Hessischen FG v. 10.5.2022 - 4 K 214/22, EFG 2022, 1772).
  • Der Umstand, dass der handelnde Gesellschafter-Geschäftsführer außerhalb seiner Tätigkeit für die Steuer­beratungs­gesell­schaft mbH über eine Zulassung zur Anwaltschaft nach den Bestimmungen der Bundes­rechts­anwalts­ordnung verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis (vgl. auch BAG, Beschluss v. 21.9.2023 - 10 AZR 512/20).

 
Quelle: BFH, Urteil v. 18.10.2023 - XI R 39/22; NWB Datenbank (il)

 
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