Online-Nachricht - Donnerstag, 11.01.2024

Umsatzsteuer | Vorsteuer­berichti­gung nach § 17 UStG im Drei­personen­verhältnis als Masse­verbind­lich­keit (BFH)

Der Vorsteuer­abzug ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berich­tigen, wenn der Leistende ein (bereits verein­nahmtes) Entgelt zurück­zahlt, da ein Dritter das Entgelt ent­richtet und dessen Insol­venz­verwal­ter die Zahlung erfolg­reich ange­fochten hat, sowie im Zeit­punkt der Rück­zahlung über das Vermö­gen des Leistungs­empfängers das Insol­venz­verfahren eröffnet ist. Dieser Vorsteuer­berichti­gungs­anspruch ist keine Masse­verbind­lich­keit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insol­venz­verfahren des Leistungs­empfängers und darf daher nicht durch Steuer­bescheid gegen­über dem Insol­venz­verwal­ter geltend gemacht werden (BFH, Urteil v. 24.8.2023 - V R 29/21; veröffent­licht am 11.1.2024).

Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenz­verwalter über das Vermögen der A GmbH, die Teil einer unter einer AG als Holding­gesellschaft organisierten Unter­nehmens­gruppe war (keine Organschaft). Über das Vermögen der AG sowie mehrerer ihrer Tochter­gesellschaften ‑ u.a. auch der B GmbH ‑ wurden im Jahr 2012 jeweils Insolvenz­verfahren eröffnet und ebenfalls jeweils der Kläger zum Insolvenz­verwalter bestellt.

In der Zeit vor der Insolvenz­eröffnung bezog die A GmbH Eingangs­leistungen von nicht zur Unter­nehmens­gruppe gehörenden Unter­nehmern, für welche die A GmbH für den Zeitraum vor der Insolvenz­eröffnung den Vorsteuer­abzug in Anspruch nahm. Die Eingangs­rechnungen wiesen die A GmbH als Leistungs­empfängerin aus, wurden jedoch von der AG und der B GmbH bezahlt. Nach Anfechtung durch den Kläger als Insolvenz­verwalter über das Vermögen der AG und der B GmbH zahlten die Unter­nehmer im Jahr 2015 (Streitjahr) die von der AG und der B GmbH erhaltenen Gelder zurück.

Nach einer bei der A GmbH vorge­nommenen Umsatzsteuer-Sonder­prüfung ging das FA davon aus, dass die ursprüng­lichen Zahlungs­ansprüche der Leistungs­erbringer aufgrund der Rückgewähr gem. § 144 InsO wieder­aufgelebt seien. Infolge­dessen komme es zu einer Vorsteuer­berichtigung für die von der A GmbH bezogenen Leistungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG.

Zudem vertrat das FA zunächst die Auffassung, dass es sich bei dem hieraus ergebenden Anspruch um eine Insolvenz­forderung handele, und über­sandte dem Kläger eine mit "Berechnung für 2015 über Umsatzsteuer und Zinsen" über­schriebene Mitteilung. Eine Anmeldung zur Insolvenz­tabelle erfolgte nicht.

Später ging das FA hingegen davon aus, dass es sich insoweit nicht um eine Insolvenz­forderung, sondern um eine Masse­verbindlich­keit handele und es für die gegenüber dem Kläger erfolgte Aufhebung der Steuerberechnung keiner Änderungsvorschrift bedürfe. Demgemäß erließ es unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Nieder­sachsen, Urteil v. 19.8.2021 - 11 K 133/20, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.5.2022).

Die Richter des BFH dagegen hoben die erstinstanz­liche Entscheidung auf und gaben der Klage statt:

  • Zwar ist das FG zu Recht von einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG ausgegangen. Dieser Berichti­gungs­anspruch hat jedoch - anders als es das FG angenommen hat - die gegenüber dem Kläger gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masse­verbindlich­keit festzusetzende Umsatz­steuer­jahresschuld nicht erhöht.
  • Infolge der Rückgewähr der geleisteten Entgelte an die AG und die B GmbH war bei der A GmbH die Vorsteuer auf die bezogenen Leistungen zu berichtigen.
  • Der Vorsteuerabzug ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, wenn der Leistende ein (bereits vereinnahmtes) Entgelt zurückzahlt, weil ein Dritter das Entgelt entrichtet und dessen Insolvenz­verwalter die Zahlung erfolgreich angefochten hat, sowie im Zeitpunkt der Rückzahlung über das Vermögen des Leistungs­empfängers das Insolvenz­verfahren eröffnet ist.
  • Der Vorsteuerberichtigungsanspruch ist im Streitfall keine Masse­verbindlich­keit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren der Leistungs­empfängerin und darf daher nicht durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenz­verwalter geltend gemacht werden.
  • Die von einem Insolvenzverwalter eines Dritten vorgenommene Anfechtung, die zu einer Vorsteuer­berichtigung beim Leistungs­empfänger führt, über dessen Vermögen das Insolvenz­verfahren eröffnet ist, ist keine Handlung des Insolvenz­verwalters im Verfahren des Leistungs­empfängers und nicht durch die Verwaltung der Insolvenz­masse des Leistungs­empfängers bedingt.
  • Im Hinblick auf die insolvenzrecht­liche Trennung der Verfahren über die personen­verschiedenen Insolvenz­schuldner ist unerheblich, wenn in beiden Verfahren dieselbe Person als Insolvenz­verwalter eingesetzt wurde.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 24.8.2023 - V R 29/21; NWB Datenbank (il)

 
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