Online-Nachricht - Donnerstag, 30.11.2023

Berufsrecht | Keine anonyme Steuer­berater­prüfung (BFH)

Der BFH hat weitere Klarheit in Bezug auf die recht­lichen Rahmen­bedingun­gen der Steuer­berater­prüfung geschaffen. Die Ent­schei­dung bestätigt die Recht­mäßig­keit der Möglich­keit, die schrift­lichen Prüfungs­arbeiten ohne Verwen­dung eines anonymi­sierten Kenn­zahlen­systems anfer­tigen zu lassen. Des Weiteren hebt der BFH hervor, dass das Über­denkungs­verfahren eine eigen­ständige und unab­hängige Über­prüfung durch die hierfür zuständi­gen Prüfer erfordert und dass eine gemein­sam abge­stimmte Über­denkung von Klausuren durch eine Prüfer­mehr­heit unzu­lässig ist (BFH, Urteil v. 11.7.2023 - VII R 10/20; veröffent­licht am 30.11.2023).

Sachverhalt: Die Klägerin hat an der Steuer­berater­prüfung 2015/2016 teil­genom­men, nachdem sie zuvor die Steuer­berater­prüfung zweimal nicht bestanden hat. Die Klägerin ist der Auffassung, die Prüfer hätten alle drei Aufsichts­arbeiten fehlerhaft bewertet. Sie habe daher einen Anspruch auf Neubewer­tung der Aufsichts­arbeiten bzw. auf Wieder­holung der Aufsichts­arbeit Buchführung und Bilanz­wesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Anfertigung der Aufsichtsarbeiten und die daran anknüpfende Korrektur müssten anonym erfolgen. Die Prüfer hätten zudem mit der Nutzung der vorge­fertigten Tabellen ihren Beurteilungs­spielraum nicht hinreichend genutzt. Die Verwendung der vorgefertigten Tabellen führe zu einer Verkürzung des Beurteilungs­spielraums und stehe der positiven Berück­sichtigung abweichender Lösungen im Wege (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.7.2020).

Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg:

  • Der BFH verpflichtete die Beklagten­seite, die gemeinsam überdachte Klausur durch andere Prüfer neu bewerten zu lassen. Im Übrigen wies er die Revision als unbe­gründet zurück.
  • Er urteilte, dass § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB mit Verfassungs­recht vereinbar ist. Der prüfungs­rechtliche Grundsatz der Chancen­gleichheit unter besonderer Berück­sichtigung des Verbots geschlechts­spezifischer Diskrimi­nierung lässt kein anonymi­siertes Kennzahlen­system für die Durch­führung der schriftlichen Steuer­berater­prüfung zu. Statistische Belege für die Annahme der Klägerin, dass die Verwen­dung des Namens in der Steuer­berater­prüfung zu geschlechts­spezifischer Benachteiligung führe, sind nicht vorhanden.
  • Die zwischen Erst- und Zweitprüfer abgestimmte gemeinsame Überdenkung ihrer Bewertung war hingegen verfahrens­fehlerhaft. Der objektivitäts­steigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit wird durch die Zulassung gemeinsamer Beurteilungen zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht. Deshalb ist eine solche Abstimmung – anders als eine eigenständige, aber „offene“ Überdenkung in Kenntnis des vom anderen Prüfer gefundenen Ergebnisses – allenfalls im Nachgang zu einer schriftlichen Fixierung des Über­denkungs­ergebnisses zulässig.

 
Quelle: BFH Pressemitteilung 46/2023 v. 30.11.2023; BFH, Urteil v. 11.7.2023 - VII R 10/20; NWB Datenbank (JT)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XII. Senat des BFH Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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