Online-Nachricht - Donnerstag, 16.11.2023
Einkommensteuer | Erstattung von Lohnkirchensteuer an den Arbeitgeber (BFH)
Erstattet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die für ihn an das Finanzamt im Rahmen der Haftung nach § 42d EStG gezahlten Lohnkirchensteuern, handelt es sich nicht um Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, da der hierfür erforderliche objektive Zusammenhang mit dem Beruf fehlt. Die an den Arbeitgeber geleistete Erstattung ist jedoch als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) abziehbar, weil sie als Zahlung auf die eigene Kirchensteuerschuld des Arbeitnehmers anzusehen ist (BFH, Urteil v. 23.8.2023 - X R 16/21; veröffentlicht am 16.11.2023).
Hintergrund: Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehört u.a. die gezahlte Kirchensteuer - obwohl privat veranlasst - zu den Sonderausgaben. Dabei handelt es sich um Geldleistungen, die von den als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften von ihren Mitgliedern aufgrund (landes-)gesetzlicher Bestimmungen erhoben werden (vgl. BFH, Urteil v. 19.8.1969 VI R 261/67, BFHE 96, 458, BStBl II 1970, 11, unter 2.). Abzugsberechtigt ist derjenige, der seine eigene Kirchensteuerschuld tatsächlich gezahlt hat (vgl. Kulosa in HHR, § 10 EStG Rz 37).
Sachverhalt: Der Kläger erzielte als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahr 2014 floss ihm aus dieser Tätigkeit eine Sachzuwendung zu. Aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung kam es zu einer Nacherhebung von Lohn- und Kirchensteuer sowie von Solidaritätszuschlag für die Sachzuwendung. Das FA nahm die GmbH als Arbeitgeberin des Klägers gemäß § 42d EStG in Haftung. Die GmbH nahm den Kläger in Regress. Der Kläger zahlte im Streitjahr 2017 u.a. einen Betrag für die Kirchensteuer an die GmbH und machte diese Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) geltend.
Das FA berücksichtigte den Kirchensteuerbetrag im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung nicht, da der Kläger nicht als Steuerpflichtiger gezahlt habe, sondern im Rahmen eines zivilrechtlichen Regresses in Anspruch genommen worden sei. Deshalb habe er diese Leistung nicht als Schuldner auf seine eigene Kirchensteuerschuld entrichtet. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Münster, Urteil v. 23.6.2020 - 12 K 3738/19 E, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.9.2021).
Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und ließen einen Sonderausgabenabzug zu:
- Erstattet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die für ihn an das Finanzamt im Rahmen der Haftung nach § 42d EStG gezahlten Lohnkirchensteuern, handelt es sich nicht um Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, da der hierfür erforderliche objektive Zusammenhang mit dem Beruf fehlt.
- Der Kläger kann die von ihm an die GmbH gezahlte Kirchensteuer jedoch nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgaben abziehen.
- Für die Berechtigung zum Abzug von Kirchensteuer ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige seine persönliche Kirchensteuer selbst gezahlt hat oder diese im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitgeber einbehalten worden ist.
- Gleiches gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gezahlte Kirchensteuer erstattet.
- Vorliegend verausgabte die GmbH als Arbeitgeberin, wenn auch aufgrund eines Haftungsbescheids, die Steuerschuld des Klägers, die dieser ihr anschließend erstattet hat. Daher zahlte der Kläger, wenn auch an die GmbH, auf seine persönliche Steuerschuld, wozu er rechtlich verpflichtet war.
- Anders als im Fall der Zahlung des Arbeitnehmers aufgrund der Haftung nach §§ 69, 34 AO zahlte er nicht auf die Entrichtungsschuld des Arbeitgebers und folglich auch nicht auf eine fremde Steuerschuld.
Quelle: BFH, Urteil v. 23.8.2023 - X R 16/21; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Prof. Dr. Gregor Nöcker gelangen Sie hier (Login erforderlich).