Online-Nachricht - Donnerstag, 09.11.2023
Einkommensteuer | Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland (BFH)
Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten notwendig sind (entgegen: BMF, Schreiben v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112). Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig (BFH, Urteil v. 9.8.2023 - VI R 20/21; veröffentlicht am 9.11.2023).
Sachverhalt: SDer Kläger arbeitet als Botschafter für die Bundesrepublik Deutschland und war in dieser Funktion in zwei Ländern tätig. Die Bezüge wurden von seinem Arbeitgeber teilweise als steuerpflichtig und teilweise als steuerfrei behandelt. Während seiner Dienstzeit wies das Auswärtige Amt dem Kläger in der jeweiligen Residenz belegene Wohnungen mit Flächen von rund 250 und 185 qm beamtenrechtlich zu. Hierfür wurde ihm eine Dienstwohnungsvergütung vom Gehalt einbehalten.
Das FA erkannte die vom Kläger für diese Wohnungen geltend gemachten Unterkunftskosten (Dienstwohnungsvergütung und Nebenkosten) im Rahmen der doppelten Haushaltsführung lediglich anteilig bezogen auf eine Wohnfläche von 60 qm an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.6.2021 - 3 K 1255/20, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.9.2021).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind vorliegend unstreitig erfüllt.
- Die Anwendung der Abzugsbeschränkung für Unterkunftskosten in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG ist im Streitfall nicht anwendbar, da sich die Norm angesichts ihres eindeutigen Wortlauts ("im Inland") auf Inlandssachverhalte beschränkt.
- Ebenso kommt eine Typisierung dahingehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig sind - wie der erkennende Senat in der bis zum VZ 2013 geltenden Fassung für Inlandssachverhalte angenommen hat (BFH, Urteil v. 9.8.2007 - VI R 10/06, BStBl II 2007, 820, unter II.2. sowie BFH, Beschluss v. 12.7.2017 - VI R 42/15, BStBl II 2018, 13, Rz 10, m.w.N.) für Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht (entgegen: BMF, Schreiben v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).
- Denn die vom BFH in den vorgenannten Entscheidungen vorgenommene Typisierung des Tatbestandsmerkmals "notwendig" gründet im Wesentlichen auf einem nach inländischen Verhältnissen bemessenen Merkmal (nämlich der Vorschrift des § 22 SGB II und der dazu ergangenen sozialrechtlichen Rechtsprechung), welches sich als Maßgröße für die Notwendigkeit von Unterkunftskosten im Ausland nicht eignet.
- Im Übrigen ist eine "Übertragung" der sog. "60 qm-Rechtsprechung" auf Auslandssachverhalte schon deshalb nicht angezeigt, weil die dahingehende typisierende Gesetzesauslegung des Tatbestandsmerkmals "notwendig" nicht der einfacheren Handhabung in steuerlichen Massenverfahren dient. Sie ist vielmehr bei Auslandssachverhalten nicht handhabbar.
- Denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) am ausländischen Beschäftigungsort können in der Regel - auch unter Berücksichtigung der erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 AO) - weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden.
- Nach diesen Maßstäben sind die vom Kläger für seine Zweitwohnungen gezahlten Unterkunftskosten vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen, da sie nach objektiven Maßstäben insgesamt zur Zweckverfolgung erforderlich waren.
Quelle: BFH, Urteil v. 9.8.2023 - VI R 20/21; NWB Datenbank (il)
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