Online-Nachricht - Donnerstag, 05.10.2023
Erbschaftsteuer | Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden bei Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe (BFH)
Ein gesondert festgestellter Grundbesitzwert entfaltet Bindungswirkung für alle Schenkungsteuerbescheide, bei denen er in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt auch für die Berücksichtigung eines früheren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (BFH, Urteil v. 26.7.2023 - II R 35/21; veröffentlicht am 5.10.2023).
Hintergrund: Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre.
Sachverhalt: Der Kläger hatte mit Wirkung zum 31.12.2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an unbebauten Grundstücken erworben (Vorerwerb). Für Zwecke der Schenkungsteuer wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils v. 4.4.2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt; der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt 87.392 €. Die Feststellungsbescheide wurden bestandskräftig. Die festgestellten Grundbesitzwerte wurden dem Schenkungsteuerbescheid vom 25.4.2016 für den Vorerwerb zu Grunde gelegt. Die Schenkungsteuer wurde mit 0 € festgesetzt.
Am 20.6.2017 erhielt der Kläger von seinem Vater unentgeltlich 400.000 € durch einen Forderungsverzicht (Erwerb). Das Finanzamt (FA) setzte mit Bescheid vom 27.9.2018 für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von 9.603 € fest. Dabei berücksichtigte das FA den Vorerwerb mit einem Wert von 87.392 €.
Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid v. 4.4.2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im Schenkungsteuerbescheid vom 27.9.2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA als unbegründet zurück.
Die Revision der Kläger wurde vom BFH zurückgewiesen:
- Die BFH-Rechtsprechung zum Ansatz von materiell-rechtlich richtigen Werten für den Vorerwerb im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (s. hierzu BFH, Urteil v. 22.8.2018 - II R 51/15, Rz 26 ff. und BFH, Urteil v. 22.7.2020 - II R 42/17, Rz 24) steht danach der Pflicht zur Berücksichtigung eines nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i. V. mit § 1 Abs. 2 ErbStG festgestellten Grundbesitzwerts in Bezug auf einen Vorerwerb bei einem späteren Erwerb nicht entgegen, selbst wenn dieser materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte.
- Die unterschiedliche Behandlung von Werten abhängig davon, ob sie in einem gesetzlich angeordneten gesonderten Feststellungsverfahren festzustellen sind oder eine solche Feststellung nicht vorliegt, führt nicht zu einem Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten allgemeinen Gleichheitssatz.
- Die Bindungswirkung eines Wertfeststellungsbescheids für einen Vorerwerb im Rahmen der Wertermittlung für den nachfolgenden Erwerb trägt im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auch zur Rechtssicherheit bei. Der Steuerpflichtige kann darauf vertrauen, dass ein bestandskräftig festgestellter Wert auch nachfolgenden Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuerbescheiden zu Grunde gelegt wird. Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der festgestellte Wert sei unzutreffend, ist es ihm zumutbar, bereits im Rahmen des Vorerwerbs den Wertfeststellungsbescheid rechtzeitig anzufechten.
Quelle: BFH, Urteil v. 26.7.2023 - II R 35/21; NWB Datenbank (JT)
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