Online-Nachricht - Donnerstag, 28.09.2023

u.a. Umsatzsteuer | Aufrech­nung in sog. Bauträger-Fällen (BFH)

Ist am finanz­gericht­lichen Klage­verfahren zwischen dem Zessionar und dem An­spruchs­gegner der Zedent nicht beteiligt, liegt – auch außer­halb des Anwen­dungs­bereichs des § 406 BGB – mangels Rechts­kraft­erstreckung keine Ermes­sens­redu­zierung auf null dahin­gehend vor, dass das FG das Klage­verfahren aussetzen müsste. Das Bestehen der rechts­weg­fremden Gegen­forderung ist dann lediglich eine Vorfrage zur Aufrech­nung und von der Ent­schei­dungs­befugnis des FG gemäß § 17 Abs. 2 GVG umfasst. Umsatz­steuer­recht­licher Leistungs­empfänger im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist bei bestehender Organ­schaft auch dann der Organ­träger, wenn zivil­recht­lich die Organ­gesell­schaft Vertrags­partnerin des bauleistenden Unter­nehmers ist (BFH, Urteil v. 24.5.2023 - XI R 45/20; veröffent­licht am 28.9.2023).

Hintergrund: Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrech­nung gegen Ansprüche aus dem Steuer­schuld­verhältnis sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 387 BGB können Forderungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, gegeneinander aufgerechnet werden, sobald die eine Leistung gefordert und die andere Leistung bewirkt werden kann.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten u.a. um die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung von an das FA abgetretenen Umsatz­steuer­nach­forderungs­ansprüche mit Steuer­erstattungs­ansprüchen der Klägerin: Die Klägerin ist Bauunter­nehmerin und Bauträgerin. In den Jahren 2006 und 2007 bestand zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und Herrn U als Organträger und seit 2008 zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U GmbH & Co. KG (U KG) als Organträgerin eine umsatz­steuer­rechtliche Organschaft.

Die Klägerin bezog Eingangsleistungen, auf die die bauleistenden Unternehmer und die Klägerin (in Überein­stimmung mit der damaligen Verwaltungsauffassung) die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F.) anwendeten.

Nach Ergehen des Urteils des BFH v. 22.8.2013 - V R 37/10, BStBl II 2014, 128 beantragten U und die U KG die Erstattung der von ihnen als Organträger abgeführten Umsatzsteuer. Dem Erstattungs­antrag kam das FA vollumfänglich nach.

Daraufhin teilte das FA der Klägerin mit, dass mehrere bauleistende Unternehmer ihre zivilrechtlichen Umsatzsteuer-Nach­forderungs­ansprüche gegen die Klägerin an das FA abgetreten hätten. Mit diesen Forderungen rechne das FA gemäß § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB gegen ein Guthaben der Klägerin wegen Körperschaft­steuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2015 sowie wegen Körperschaft­steuer für das Jahr 2016 auf. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Im Streitfall lagen im Zeitpunkt der Aufrechnungs­erklärung des FA die Voraussetzungen der Aufrechnung vor.
  • Der Klägerin stand gegen das FA zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Erstattungs­anspruch aus Körperschaftsteuer 2015 und Solidaritäts­zuschlag zur Körperschaft­steuer 2015 eine erfüllbare Hauptforderung zu.
  • Auch die Gegenforderungen, mit denen das FA aufgerechnet hat, waren entstanden: Die bauleistenden Unternehmer verfügten jeweils über einen gleichartigen Anspruch gegen die Klägerin auf Nachforderung von Umsatzsteuer aufgrund Wegfalls der Geschäfts­grundlage gemäß § 313 BGB sowie aus ergänzender Vertrags­auslegung.
  • Soweit ein Erstattungsantrag der U KG (und des U) vor Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG gestellt wurde, vermag dies nichts am Entstehen des zivilrecht­lichen Anspruchs auf Nachforderung der Umsatzsteuer zu ändern.
  • Der Entstehung der zivilrechtlichen Ansprüche auf Nachforderung der Umsatzsteuer kann nicht entgegengehalten werden, dass die Umsatz­steuer­festsetzungen der Bauleistenden nicht hätten geändert werden können und dürfen.
  • Diese zivilrechtlichen Ansprüche sind im Verhältnis zwischen den Bauleistenden und der Klägerin entstanden, da zwischen ihnen der jeweilige Vertrag über die Erbringung der Bauleistung abgeschlossen worden ist.
  • Dass die Klägerin umsatzsteuer­rechtlich als Organgesellschaft zum Unternehmen der Organträger gehörte und die Organträger Erstattung beantragten, steht dem nicht entgegen.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 24.5.2023 - XI R 45/20; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforderlich).

Cookies erforderlich

Um fortfahren zu können, müssen Sie die dafür zwingend erforderlichen Cookies zulassen. Diese gewährleisten den vollen Funktionsumfang unserer Seite, ermöglichen die Personalisierung von Inhalten und können für die Ausspielung von Werbung oder zu Analysezwecken genutzt werden. Lesen Sie auch unsere Datenschutzerklärung.