Online-Nachricht - Donnerstag, 21.09.2023

Einkommen­steuer/Verfahrens­recht | Berück­sichti­gung von zurück­gezahlten Erstattungs­zinsen als negative Einnahmen aus Kapital­vermögen (BFH)

Werden Erstattungs­zinsen zur Einkommen­steuer im Sinne des § 233a Abs. 1 AO zugunsten des Steuer­pflichtigen festgesetzt und an ihn ausgezahlt, und zahlt der Steuer­pflichtige diese Zinsen aufgrund einer erneuten Zinsfest­setzung nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO an das Finanzamt zurück, kann die Rückzahlung zu negativen Einnahmen aus Kapital­vermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG führen. Das Entstehen negativer Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG setzt voraus, dass die vom Steuer­pflichtigen aufgrund der erneuten Zinsfestsetzung zu zahlenden Zinsen auf denselben Unter­schieds­betrag und denselben Verzinsungs­zeitraum entfallen wie die aufgrund der früheren Zinsfest­setzung erhaltenen Erstattungs­zinsen (BFH, Beschluss v. 1.8.2023 - VIII R 8/21; veröffentlicht am 21.9.2023).

Sachverhalt: Der Kläger erklärte im Streitjahr 2012 bei seinen Einkünften aus Kapital­vermögen negative Einnahmen aus der Rückzahlung von Erstattungs­zinsen zur Einkommen­steuer gemäß § 233a AO, die aus folgenden Zinsfest­setzungen früherer VZ resultierten:

  • Für den VZ 2006 hatte das Finanzamt mit Bescheid vom 1.2.2010 zunächst Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ./. 46.184 € zugunsten des Klägers festgesetzt und an diesen ausgezahlt. Hierbei hatte es einen Unterschieds­betrag zugunsten des Klägers in Höhe von 419.850 € und einen Verzinsungs­zeitraum vom 1.4.2008 bis zum 4.2.2010 (22 volle Monate) zugrunde gelegt. Ende 2011 änderte das FA die Zinsfestsetzung in der Weise, dass es auf der Grundlage eines Unterschieds­betrags zuungunsten des Klägers in Höhe von 85.000 € und eines Verzinsungs­zeitraums vom 1.4.2008 bis zum 19.12.2011 (44 volle Monate) Nach­zahlungs­zinsen in Höhe von 18.700 € ermittelte, die es im Abrechnungsteil des Bescheids mit den bisher festgesetzten Zinsen in Höhe von ./. 46.184 € verrechnete. Den Differenzbetrag in Höhe von ./. 27.484 € setzte das FA als Zinsen zur Einkommen­steuer zugunsten des Klägers fest. Die Differenz zwischen den nunmehr festgesetzten Zinsen in Höhe von ./. 27.484 € und den bereits erstatteten Zinsen in Höhe von ./. 46.184 € (= 18.700 €) zahlte der Kläger im Streitjahr an das FA.
  • Für den VZ 2007 hatte das FA zunächst mit Bescheid vom 1.2.2010 Zinsen zur Einkommen­steuer in Höhe von ./. 23.610 € festgesetzt und an den Kläger ausgezahlt. Bei der Berechnung der Zinsen hatte es einen Unterschieds­betrag zugunsten des Klägers in Höhe von 472.200 € und einen Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 bis zum 4.2.2010 (10 volle Monate) zugrunde gelegt. Im November 2012 änderte das FA die Zinsfestsetzung in der Weise, dass es auf der Grundlage eines Unterschiedsbetrags zuungunsten des Klägers in Höhe von 224.350 € und eines Verzinsungs­zeitraums vom 1.4.2009 bis zum 19.11.2012 (43 volle Monate) Nachzahlungszinsen in Höhe von 48.235,25 € ermittelte, die es im Abrech­nungsteil des Bescheids mit den bisher festgesetzten Zinsen in Höhe von ./. 23.610 € verrechnete. Den Differenzbetrag rundete das FA auf 24.625 € ab und setzte diesen als Zinsen zur Einkommen­steuer zulasten des Klägers fest. Die Differenz zwischen den nunmehr festgesetzten Zinsen in Höhe von 24.625 € und den bereits erstatteten Zinsen in Höhe von ./. 23.610 € (= 48.235 €) zahlte der Kläger im Streitjahr an das FA.
  • Für den VZ 2010 setzte das FA mit Bescheid vom 26.10.2012 Zinsen zur Einkommen­steuer in Höhe von ./. 9.567 € zugunsten des Klägers fest. Die Zinsen wurden im Streitjahr an den Kläger ausgezahlt.

Der Kläger war der Auffassung, er habe in Höhe der Beträge von 18.700 € und 23.610 € lediglich bereits versteuerte Erstattungs­zinsen betreffend die VZ 2006 und 2007 an das FA zurückgezahlt. Dementsprechend gab er diese Beträge abzüglich der im Streitjahr an ihn ausgezahlten Erstattungs­zinsen in Höhe von 9.567 € betreffend den VZ 2010 in seiner Einkommen­steuer­erklärung als negative Einnahmen im Rahmen der dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünfte aus Kapital­vermögen an (= ./. 32.743 €).

Das FA erkannte die von dem Kläger im Streitjahr gezahlten Zinsen nur insoweit als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen an, als diese auf denselben Unterschieds­betrag und denselben Verzinsungs­zeitraum wie die zuvor festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer entfielen. Im Übrigen behandelte es die gezahlten Beträge als nicht abzugsfähige Nachzahlungs­zinsen. Dementsprechend berücksichtigte das FA für den VZ 2006 statt 18.700 € nur noch einen Betrag in Höhe von 9.350 € (= 85.000 € x 22 x 0,5 %) sowie für den VZ 2007 statt 23.610 € nur noch einen Betrag in Höhe von 11.217,50 € (= 224.350 € x 10 x 0,5 %) als negative Einnahmen aus Kapital­vermögen. Insgesamt ergaben sich danach negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von ./. 20.568 € (= ./. 9.350 € ./. 11.218 €), die das FA mit den im Streitjahr an den Kläger ausgezahlten Erstattungs­zinsen und weiteren positiven Kapitalerträgen verrechnete. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Münster, Urteil v. 13.3.2020 - 14 K 2712/16 E, F).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der aufgrund einer erneuten Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 AO gezahlten Zinsen nicht darauf an, welcher Zinsbetrag abschließend festgesetzt worden ist.
  • Denn da in die erneute Zinsfestsetzung gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 AO die vorher festgesetzten Zinsen und die nach dem Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233a Abs. 5 Satz 2 AO neu festzusetzenden Zinsen einfließen, kann es im Einzelfall dazu kommen, dass bei der Zinsfestsetzung Erstattungs- und Nachzahlungs­zinsen miteinander verrechnet werden, so dass der festgesetzte Zinsbetrag - wie auch im Streitfall - aus um Nachzahlungszinsen gekürzte Erstattungs­zinsen besteht.
  • Würde man bei der Frage, in welchem Umfang die Rückzahlung erhaltener Zinsen als Rückerstattung von Erstattungszinsen oder als erstmalige Zahlung von Nachzahlungs­zinsen anzusehen ist, an den im Festsetzungsteil des Zinsbescheids enthaltenen Saldo anknüpfen, wären im Ergebnis auch einkommen­steuer­rechtlich unbeachtliche Nachzahlungs­zinsen steuermindernd berücksichtigt, was der gesetzlichen Wertung des § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG zuwiderliefe.
  • Zudem würden bei einer solchen Betrachtung auch solche Zinsbeträge berücksichtigt, die außerhalb des ursprünglichen Verzinsungs­zeitraums liegen und deshalb schon begrifflich nicht "rückabgewickelt" werden können.
  • Im Übrigen stünde eine Verrechnung der gegenläufigen Zinsforderungen bis zur Höhe der zunächst erhaltenen Erstattungs­zinsen auch nicht mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Einklang, die hinsichtlich des Vorliegens einer sonstigen Kapitalforderung nach ihrem Wortlaut auf die jeweilige Kapitalforderung, nicht aber auf einen Saldo von Kapital­forderungen abstellt.
  • Der gemäß § 233a Abs. 5 AO einheitlich neu festgesetzte Zinsbetrag stellt daher nur einen rechnerischen Saldo aus den einzu­beziehenden Erstattungs- und Nachzahlungs­zinsen dar, dem jedoch keine materielle Aussage über die einkommen­steuer­rechtliche Beurteilung der gegenläufigen Zinsfest­setzungen zu entnehmen ist.

 
Quelle: BFH, Beschluss v. 1.8.2023 - VIII R 8/21; NWB Datenbank (il)

 
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