Online-Nachricht - Donnerstag, 14.09.2023
Umsatzsteuer | Organschaft - wirtschaftliche Eingliederung (BFH)
Die wirtschaftliche Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen (BFH, Urteil v. 11.5.2023 - V R 28/20; veröffentlicht am 14.9.2023).
Hintergrund: Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
Sachverhalt: Streitig ist das Bestehen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft in den Streitjahren 2008 bis 2011: Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand ihres Unternehmens war die Vermietung und Verwaltung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war der G. G führte ein Einzelunternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb von Immobiliarvermögen war.
Die Klägerin war Teil der "V Gruppe", der mehrere Kapitalgesellschaften sowie eine Kommanditgesellschaft (KG) angehörten und die bis Ende 2011 Dienstleistungen im Immobilienbereich anbot (u.a. Bau und Sanierung von Wohn- und Geschäftshäusern, Vermarktung und Vermittlung von Immobilien sowie Projektentwicklung). Die KG trat als Spitze der Unternehmensgruppe auf.
Zur Geschäftstätigkeit der Klägerin gehörte u.a. die Verwaltung von Mieteinheiten, die sich auf zwölf mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken befanden, die im Eigentum des G standen. Zudem mietete die Klägerin Büroräume von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der G zu 95 % beteiligt war.
Das FA setzte gegenüber der Klägerin Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Die Klägerin beantragte eine Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 € mit dem Argument, sie sei eine Organgesellschaft des G als Organträger gewesen. Die finanzielle und organisatorische Eingliederung ergebe sich aus der Eigenschaft des G als ihr geschäftsführender Alleingesellschafter. Ihre wirtschaftliche Eingliederung beruhe darauf, dass die GbR ihr Büroräume vermiete.
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin in erster Instanz keinen Erfolg (Sächsisches FG, Urteil v. 5.9.2019 - 6 K 94/16).
Die Richter des BFH dagegen hoben die Vorentscheidung auf und wiesen die Sache an das FG zurück:
- Das FG hat im Streitfall die wirtschaftliche Eingliederung rechtsfehlerhaft verneint.
- Zwar hat das FG eine wirtschaftliche Eingliederung im Hinblick auf die Erbringung von Hausverwaltungsdiensten durch die Klägerin an G insoweit zutreffend verneint, als Hausverwaltungsdienste - wie Buchführungs- und Personalverwaltungsleistungen (BFH, Urteil v. 25.6.1998 - V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c) oder ein Winterdienst (BFH, Urteil v. 18.6.2009 - V R 4/08, BStBl II 2010, 310, unter II.3.b bb) - grundsätzlich standardisierte Dienstleistungen sind, für die es zahlreiche, mit relativ geringem Aufwand austauschbare Anbieter gibt (vgl. BFH, Urteil v. 1.2.2022 - V R 23/21, BStBl II 2023, 148, Rz 28).
- Die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G kann sich aber im Streitfall aus der Bedeutung der Hausverwaltungsdienste für die Klägerin als Leistungserbringerin ergeben. Ob dies der Fall ist, lässt sich dem FG-Urteil nicht entnehmen.
- Darüber hinaus hat das FG offengelassen, ob eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Klägerin und anderen Unternehmen der V Gruppe bestand.
- Denn die wirtschaftliche Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen (BFH, Urteil v. 20.8.2009 - V R 30/06, BStBl II 2010, 863, unter II.2.c ee (1) und BFH, Urteil v. 1.2.2022 - V R 23/21, BStBl II 2023, 148, Rz 27).
- Dass die Klägerin nicht zum Gewinnausgleich gegenüber den anderen Unternehmen der V Gruppe verpflichtet war, schließt nicht aus, dass sich die wirtschaftliche Verflechtung aus anderen Gründen ergibt, zumal es das FG für möglich hielt, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin von den anderen Unternehmen der V Gruppe gefördert wurde.
- Soweit das FG gegen die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G anführt, dass die Klägerin mit G keine Provisionsvereinbarung getroffen habe, lässt es dabei außer Betracht, dass die Verflechtung auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen kann.
- Insoweit hat es das FG zu Unrecht dahinstehen lassen, ob aus dem Fehlen einer eigenen Kundenakquise auf eine Förderung der Unternehmenstätigkeit der Klägerin durch die anderen Unternehmen der V Gruppe geschlossen werden könnte und ob eine wirtschaftliche Eingliederung dieser anderen Unternehmen in das Unternehmen des G vorlag.
Quelle: BFH, Urteil v. 11.5.2023 - V R 28/20; NWB Datenbank (il)
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