Online-Nachricht - Donnerstag, 07.09.2023

Grunderwerbsteuer | Leistungen Dritter als grund­erwerb­steuer­recht­liche Gegen­leistung (BFH)

Zur Bemessungs­grundlage der Grund­erwerb­steuer gehören bei der Veräuße­rung eines Grund­stücks an eine Gesell­schaft nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch Leistungen eines Dritten an den Grund­stücks­veräußerer für den Erwerb von Anteilen an der künftig grund­besitzen­den Gesell­schaft, wenn der Haupt­zweck dieser Leistungen darin besteht, den Grund­stücks­veräußerer zur Über­tragung des Grundstücks an die Gesellschaft zu veran­lassen (BFH, Urteil v 25.4.2023 - II R 19/20; veröffent­licht am 7.9.2023).

Hintergrund: Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt.

Sachverhalt: Die Klägerin firmierte im Streitjahr 2014 als GmbH. Die A-GmbH erwarb mit Vertrag vom 22.12.2014 alle Anteile der Klägerin. Mit Vertrag ebenfalls vom 22.12.2014 (Übertragungsvertrag) übertrug die A-GmbH das Eigentum an der Gewerbe­immobilie (Objekt B) an die Klägerin.

Die Vertragsparteien gingen über­einstimmend von einem Grundstückswert in Höhe von 42.200.000 € aus. Für die Übertragung stand der A-GmbH gegenüber der Klägerin ein Zahlungs­anspruch in Höhe von 6.330.000 € zu, der sofort fällig war. Die A-GmbH stundete den fälligen Zahlungs­anspruch als verzinsliches Darlehen. In Höhe von 35.870.000 € (Differenz­betrag zwischen Grund­stückswert und vereinbartem Zahlungs­anspruch) erfolgte die Übertragung als freiwillige Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage der Klägerin.

Dem Übertragungsvertrag voran­gegangen war am 8.12.2014 der Abschluss eines Anteilskauf- und Über­tragungs­vertrags (Anteilskauf­vertrag) in Bezug auf die Anteile der Klägerin zwischen der A-GmbH als Verkäuferin sowie der C-AG und der D-GmbH jeweils als Käuferinnen. Die Käuferinnen beabsichtigten, das Objekt B zu erwerben. Die Vertrags­beteiligten gingen von einem Grund­stückswert in Höhe von 42.200.000 € aus. Sie vereinbarten, dass die A-GmbH an die C-AG 94,9 % der noch zu erwerbenden Anteile an der Klägerin für einen Kaufpreis von 34.064.355 € verkauft und abtritt. Im Hinblick auf die verbleibenden 5,1 % der Anteile an der Klägerin vereinbarte die A GmbH mit der D-GmbH die Abtretung für einen Kaufpreis von 1.830.645 €. Die Abtretung der Gesellschafts­anteile sollte aufschiebend bedingt sein durch die Zahlung des Kaufpreises und den Eintritt der Vollzugs­bedingungen. Diese Vereinbarungen verlangten u.a., dass die Klägerin als Eigentümerin des Objekts B im Grundbuch eingetragen war oder zumindest der Notar bestätige, dass die Eintragung beantragt war und dieser keine Hindernisse entgegenstanden. Darüber hinaus veräußerte die A-GmbH der C-AG ihren Rückzahlungsanspruch aus dem noch zu gewährenden Gesell­schafter­darlehen an die Klägerin in Höhe von 6.330.000 €. Nach Ziff. 3 des Anteilskaufvertrags erfolgte die Umstrukturierung auf Wunsch der C-AG und der D-GmbH. Dafür hatten die C-AG und die D-GmbH einen "Umstruk­turierungs­beitrag" zur Deckung der anfallenden Grunderwerb­steuer und anderer Kosten zu erbringen. Sofern der Anteilskaufvertrag nicht vollzogen oder rückabgewickelt würde, verpflichtete sich die A-GmbH, die Grund­stücks­übertragung rückabzuwickeln und entsprechende Anträge auf Aufhebung der Grund­erwerb­steuer­festsetzung zu stellen. Ein nicht verbrauchter Umstruk­turierungs­beitrag sollte erstattet werden.

Das FA setzte gegen die Klägerin für den Erwerb des Objekts B von der A-GmbH vom 22.12.2014 Grunderwerb­steuer in Höhe von 2.532.000 € fest. In den Erläuterungen zum Bescheid wurde ausgeführt, dass neben dem Kaufpreis in Höhe von 6.330.000 € ein Betrag in Höhe von 35.870.000 € als Gegenleistung zu berücksichtigen sei, weil es sich dabei um eine Leistung der C-AG und D-GmbH im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG handele.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: Hessisches FG, Urteil v. 17.6.2020 - 5 K 2191/15, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.11.2020).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Leistung des Dritten i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG muss in ihrem Hauptzweck darauf gerichtet sein, dass der Verkäufer das Grundstück dem Erwerber überlässt (BFH, Urteil v. 18.9.1985 - II R 168/82, BFH/NV 1986, 698, unter 2.). Der finale Bezug ist weder aus der Sicht des Veräußerers als Leistungs­empfänger noch aus der Sicht des Erwerbers zu beurteilen.
  • Die Zweckrichtung einer Leistung ist vielmehr aus der Sicht des Leistenden (das heißt eines Dritten) zu bestimmen. Das Interesse, das der Dritte mit seiner auf Überlassung des Grundstücks an den Erwerber gerichteten Leistung verfolgt, muss nicht in der Förderung (gleich­gerichteter) Interessen des Erwerbers bestehen, sondern kann ausschließlich auf die eigene Person bezogen sein (BFH, Beschluss v. 22.10.2003 - II B 158/02, BFH/NV 2004, 228, unter II.1.).
  • Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertrag­schließenden als Gegen­leistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben.
  • Vorliegend ist das FG der ersten Instanz bei der Auslegung des Anteilskauf­vertrags und des Übertragungs­vertrags zu dem Schluss gelangt, dass Hauptzweck sämtlicher Leistungen der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gewesen sei, die A-GmbH zu veranlassen, das Eigentum am Objekt B auf die Klägerin zu übertragen. Diese Auslegung ist möglich. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungs­sätze und bindet daher den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO.
  • Auch die Würdigung des FG, der Hauptzweck der Zahlung der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH für die Anteile an der Klägerin sei in der Übertragung des Objekts B auf die Klägerin zu sehen, verstößt bei der Zusammenschau des Anteilskauf­vertrags und des Übertragungs­vertrags nicht gegen Denkgesetze, sondern ist vertretbar.
  • Es liegt im Streitfall auch keine unzulässige Doppel­besteuerung vor. Die Besteuerung der Übertragung des Objekts B von der A-GmbH auf die Klägerin nach § 1 Abs. 1 GrEStG und die Über­tragung der Anteile an der Klägerin von der A-GmbH auf die D-GmbH und C-AG nach § 1 Abs. 3 GrEStG - wenn der Anteils­erwerb steuerbar wäre - stehen eigenständig neben­einander, sodass die jeweiligen Gegenleistungen im Sinne des § 8 GrEStG gesondert zu ermitteln wären.

 
Quelle: BFH, Urteil v 25.4.2023 - II R 19/20; NWB Datenbank (il)

 
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