Online-Nachricht - Donnerstag, 31.08.2023
Grunderwerbsteuer | Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei einer Kapitalgesellschaft (BFH)
Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des GrEStG setzt grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraus (BFH, Urteil v. 25.4.2023 - II R 38/20; veröffentlicht am 31.8.2023).
Hintergrund: Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird.
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb als GmbH in Gründung mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 5.7.2016 Grundbesitz zu einem Kaufpreis i. H. von 6.330.000 €. Zugunsten der Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt und im Grundbuch am 15.7.2016 eingetragen. Mit Bescheid vom 25.8.2016 setzte das damals zuständige Finanzamt gegen die Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Grunderwerbsteuer i. H. von 379.800 € (6.330.000 € x 6 %) fest.
Mit notariell beurkundetem Vertrag v. 9.5.2017 schloss die mit der Verkäuferin auf ihre Kosten einen Vertrag über die Aufhebung des Grundstückskaufvertrags v. 5.7.2016. Unter § 2 des Aufhebungsvertrags wurde die seinerzeit erklärte Auflassung aufgehoben und die Verkäuferin verpflichtet, den bereits gezahlten Kaufpreis an die Klägerin zurückzuzahlen. Unter § 3 des Aufhebungsvertrags beantragten die Vertragsbeteiligten mit der Bewilligung der Klägerin die Löschung der Auflassungsvormerkung. Unter § 6 des Aufhebungsvertrags wurde die Notarin beauftragt, den Aufhebungsvertrag dem Grundbuchamt und dem Finanzamt erst vorzulegen, sobald ihr die Rückzahlung des Kaufpreises an die Klägerin nachgewiesen worden sei. Eine Rückzahlung des Kaufpreises erfolgte trotz Anmahnungen der Klägerin nicht.
Am 9.6.2017 beantragte die Klägerin beim seinerzeit zuständigen Finanzamt die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 25.8.2016 nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Mit Bescheid v. 15.11.2018 lehnte der nunmehr zuständige FA die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids v. 25.8.2016 ab.
Mit notariell beurkundeten Kaufverträgen vom 29.6.2017 wurden die ursprünglich von der Klägerin erworbenen Grundstücke durch die Herren G und H von der ehemaligen Verkäuferin erworben. Der Kaufpreis betrug insgesamt 6.330.000 € und wurde seitens der Neuerwerber durch Zahlung unmittelbar an die Klägerin erbracht. Hinsichtlich dieser Grundstückserwerbe erfolgten nicht streitgegenständliche Grunderwerbsteuerfestsetzungen.
Der BFH führte hierzu aus:
- Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Grundstückserwerb v. 5.7.2016 nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG im Streitfall nicht erfüllt sind.
- Im Zeitpunkt des Erwerbs der Grundstücke durch die Herren G und H am 29.6.2017 war zugunsten der Klägerin noch die Auflassungsvormerkung aus dem ursprünglichen Kaufvertrag im Grundbuch eingetragen. Sie vermittelte zumindest den Rechtsschein, dass der Klägerin weiterhin ein Übereignungsanspruch zustand. Damit konnte die Klägerin Einfluss auf die Weiterveräußerung nehmen. Die bereits erteilte Löschungsbewilligung steht entgegen der Auffassung der Klägerin dem nicht entgegen, denn die Veräußerin durfte im Verhältnis zur Klägerin bis zur Rückzahlung des Kaufpreises davon keinen Gebrauch machen. Die Rückzahlung des Kaufpreises an die Klägerin war zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch G und H jedoch noch nicht erfolgt. Sie wurde erst nach dem Abschluss des Kaufvertrags vom 29.6.2017 von den Neuwerbern G und H im abgekürzten Zahlungsweg durch die Zahlung des Kaufpreises an die Klägerin erbracht. Erst zu diesem Zeitpunkt waren die schuldrechtlichen Voraussetzungen für die Löschung der Auflassungsvormerkung erfüllt.
- Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber bei der Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.
- Ist die Ersterwerberin eine Kapitalgesellschaft, muss sie sich die Interessen ihrer Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer zurechnen lassen.
Quelle: BFH, Urteil v. 25.4.2023 - II R 38/20; NWB Datenbank (JT)
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