Online-Nachricht - Donnerstag, 17.08.2023
Einkommensteuer | Ausschluss der Abgeltungsteuer bei Gesellschafterfremdfinanzierung einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft (BFH)
Zinsen aus Darlehen eines Steuerpflichtigen an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist, sind gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG in der bis zur Änderung durch das JStG 2020 geltenden Fassung aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG ausgeschlossen (BFH, Beschluss v. 27.6.2023 - VIII R 15/21; veröffentlicht am 17.8.2023).
Hintergrund: Gemäß § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt die ESt für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, 25 % (sog. Abgeltungsteuer). Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung (EStG a.F.) gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG u.a. nicht, wenn Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahe stehende Person ist.
Sachverhalt: Streitig ist, ob aus dem Ausland bezogene Zinsen im Streitjahr 2011 dem Abgeltungsteuersatz oder der tariflichen Einkommensteuer unterliegen: Der Kläger war Alleingesellschafter der A-BV, die ihrerseits als Alleingesellschafterin an der B-BV beteiligt war. Die A-BV und die B-BV sind Kapitalgesellschaften niederländischen Rechts, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben. Der Kläger war bei der B-BV als Geschäftsführer angestellt. Aus der Gewährung mehrerer Darlehen an die B-BV flossen ihm im Streitjahr 2011 Zinsen in Höhe von insgesamt 410.000 € zu. Das beklagte Finanzamt war der Ansicht, dass die Zinsen der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen seien. Der Abgeltungsteuersatz komme nicht zur Anwendung, weil der Kläger mittelbar zu mehr als 10 % an der niederländischen Gesellschaft beteiligt gewesen sei (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F.).
Der Kläger wandte dagegen ein, dass die vom Finanzamt angewandte Regelung nicht für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gelte. Die Vorschrift sei im Wege teleologischer Reduktion auf Inlandssachverhalte einzugrenzen.
Die Richter des BFH wiesen die Klage - ebenso wie die Vorinstanz (FG Düsseldorf, Urteil v. 18.5.2021 10 K 1362/18 E) - ab:
- Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die streitigen Kapitalerträge des Klägers aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Steuertarifs nach § 32d Abs. 1 EStG ausgenommen sind.
- Im Streitfall sind die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG a.F. erfüllt. Denn der Kläger ist als eine der Anteilseignerin A BV nahestehende Person im Sinne der Vorschrift anzusehen.
- Ein Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Anteilseigner-Kapitalgesellschaft, die zu mindestens 10 % an der Schuldner-Kapitalgesellschaft beteiligt ist, liegt vor, wenn der Gläubiger aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft verfügt. Er beherrscht dadurch die Einflussmöglichkeiten, die auf der Ebene der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft aufgrund deren zumindest 10%iger Beteiligung an der Schuldner-Kapitalgesellschaft bestehen (BFH, Urteil v. 20.10.2016 - VIII R 27/15, BStBl II 2017, 441 und BFH, Urteil v. 9.7.2019 - X R 9/17, BFHE 265, 354, BStBl II 2021, 418; vgl. auch BMF, Schreiben v. 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz 137).
- Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger war im Streitjahr Alleingesellschafter der A BV. Die A BV war ihrerseits Alleingesellschafterin der B BV, der der Kläger Darlehen gewährt hatte. Als Gläubiger der Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beherrschte er damit die Einflussmöglichkeiten, die auf der Ebene der A BV als Anteilseigner-Kapitalgesellschaft aufgrund deren 100%iger Beteiligung an der B BV als Schuldner-Kapitalgesellschaft gegeben waren.
- Der Umstand, dass die B BV als darlehensnehmende Schuldner-Kapitalgesellschaft weder über Sitz noch über Geschäftsleitung im Inland verfügte, steht der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG a.F. bereits nach seinem Wortlaut nicht entgegen. Das Tatbestandsmerkmal "Kapitalgesellschaft" lässt nicht auf ein rein nationales Verständnis der Norm schließen. Vielmehr dient die Verwendung des Begriffs der Kapitalgesellschaft sowie die Bezugnahme u.a. auf Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG allein dazu, den Anwendungsbereich der Norm auf Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Darlehen nahestehender Personen einzugrenzen.
- Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift ist nicht angebracht. Die wortgetreue Auslegung der Vorschrift führt nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann. Vielmehr entspricht diese gerade den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen (so auch die ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. z.B. Brandis/Heuermann/Werth, § 32d EStG Rz 76; Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 32d Rz 10; Kühner/Gabert-Pipersberg in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 35; BeckOK EStG/Schmidt, 15. Ed. [01.03.2023], EStG § 32d Rz 150; anderer Ansicht Oellerich in Bordewin/Brandt/Bode, § 32d EStG Rz 63).
- Denn das mit der Einführung eines abgeltenden Steuersatzes für Kapitalerträge vom Gesetzgeber verfolgte Ziel bestand vornehmlich darin, die Standortattraktivität des deutschen Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten, durch eine leicht erkennbare Belastungsminderung zu erhöhen (BT-Drucks 16/4841, S. 1). Dieses wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers würde verfehlt, wenn Kapitalerträge aus der Fremdfinanzierung von im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften durch einen Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person nicht vom Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG betroffen wären, weil dies zu einer Privilegierung der Kapitalanlage im Ausland führen würde.
Quelle: BFH, Beschluss v. 27.6.2023 - VIII R 15/21; NWB Datenbank (il)
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