Online-Nachricht - Donnerstag, 29.06.2023

Gewerbesteuer | Erweiterte Kürzung: Keine teleolo­gische Reduktion im Fall von Sonder­vergütun­gen an nicht der Gewerbe­steuer unter­liegende Mitunter­nehmer (BFH)

§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG ist auch dann anzu­wenden, wenn der die Sonder­vergütung beziehende Gesell­schafter nicht der Gewerbe­steuer unter­liegt (BFH, Urteil v. 9.3.2023 - IV R 11/20; veröffent­licht am 29.6.2023).

Sachverhalt: Streitig ist, ob § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG auch dann anzu­wenden ist, wenn der Empfänger der Sonder­vergütungen nicht der Gewerbes­teuer unterliegt.

Die Klägerin ist eine gewerblich geprägte Personen­gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Ihr Unter­nehmens­gegen­stand besteht in der Vermietung von Immobilien. Komplementärin ist die V-GmbH. Daneben sind acht Kommandi­tisten an der Klägerin beteiligt, die nicht der Gewerbe­steuer unterliegen.

Das FA setzte die Gewerbesteuer­mess­beträge für 2013 und 2014 zunächst erklärungs­gemäß auf 0 € fest. Die vortragsfähigen Gewerbe­verluste wurden auf den 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 jeweils auf 167.895 € gesondert festgestellt.

Im Rahmen einer im Jahr 2016 durchgeführten Betriebs­prüfung für die Erhebungs­zeiträume 2012 bis 2014 traf der Prüfer die Feststellung, dass die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf die Gewinne zu beschränken sei, die sich ohne Tätigkeits­vergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergäben (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG). Vor diesem Hinter­grund erließ das FA am 14.10.2016 nach § 35b Abs. 1 GewStG bzw. § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbe­steuer­mess­bescheide für 2013 und 2014 und setzte den Gewerbe­steuer­messbetrag - unter Berück­sichtigung des Verlustabzugs - auf 0 € (2013) bzw. 3.206 € (2014) fest. Den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 setzte es auf 4.865 € fest.

Die Klage, mit der die Klägerin eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG unter Hinweis darauf begehrte, dass sämtliche Kommandit­beteiligungen "im Privat­vermögen gehalten" würden, wies das FG als unbegründet ab (FG Köln, Urteil v. 25.3.2020 - 12 K 1954/18).

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache im Hinblick auf die Gewerbe­steuer­mess­bescheide für 2014 und 2015 an das FG zurück­verwiesen:

  • Der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 1 GewSt setzt allein "Vergütungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommen­steuer­gesetzes" voraus, "die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat". Dass der Gesellschafter als Vergütungs­empfänger der Gewerbe­steuer unterliegt, verlangt die Norm nicht.
  • Auch Sinn und Zweck der Norm sowie historische Erwägungen rechtfertigen keine einschränkende Auslegung. Systematische Erwägungen, die für das gegenteilige Auslegungs­ergebnis sprechen, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
  • Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG in den Fällen, in denen der Vergütungs­empfänger nicht der Gewerbe­steuer unterliegt, auch nicht teleologisch reduziert werden.
  • In Anwendung dieser Grundsätze hat die Vorinstanz zu Recht entschieden, dass die Sondervergütungen nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG nicht der erweiterten Kürzung unterliegen. Dies betrifft jedenfalls die an die Kommanditisten gezahlten Sondervergütungen. Ob die Haftungsvergütung der Komplementär-GmbH der erweiterten Kürzung unterfällt, kann der Senat hingegen nicht entscheiden. Das Urteil der Vorinstanz ist daher aufzuheben. Die Sache ist - soweit die Erhebungszeiträume 2014 und 2015 betroffen sind - nicht spruchreif und muss zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
  • Für Zwecke der zeitlichen Anwendungs­bestimmung des § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 2 GewStG kommt es in den Fällen, in denen die Vergütungs­verein­barung vor Begründung der Gesell­schafter­stellung getroffen worden ist, auf die Begründung der Gesellschafterstellung an.
  • In Bezug auf den Gewerbe­steuermess­bescheid für 2013 hat die Revision in vollem Umfang Erfolg. Soweit das FA die Sonder­vergütungen im streit­gegen­ständlichen Änderungs­bescheid erstmals der Gewerbe­steuer unterworfen hat, fehlt es an einer Korrektur­vorschrift. Die Änderung ist insbesondere nicht von § 35b Abs. 1 GewStG gedeckt. Die Vorent­scheidung ist insoweit auch aus diesem Grund aufzuheben. § 35b Abs. 1 GewStG ermöglicht nur eine punktuelle Änderung des Gewerbe­steuermess­bescheids und erlaubt nicht die Korrektur von Rechtsfehlern.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 9.3.2023 - IV R 11/20; NWB Datenbank (RD)

 
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