Online-Nachricht - Donnerstag, 01.06.2023

Einkommensteuer | Aufteilung der während des laufenden Insolvenz­verfahrens anfallenden Einkommen­steuer (BFH)

Während eines laufenden Insolvenz­verfahrens sind die Einkommen­steuer und der Solidaritäts­zuschlag für alle dem Insolvenz­schuldner im Veran­lagungs­zeitraum nach materiellem Steuer­recht zuzu­ordnenden Einkünfte einheitlich zu ermitteln und zwischen dem Insolvenz­schuldner, der Einkünfte aus nicht­selbständiger Arbeit erzielte, und dem Insolvenz­verwalter als Vertreter der Insolvenz­masse im Verhältnis der Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG aufzu­teilen (BFH, Urteil v. 19.1.2023 - III R 44/20; veröffent­licht am 1.6.2023).

Sachverhalt: In der Sache ist die Aufteilung der Einkommen­steuerschuld während eines Insolvenz­verfahrens zwischen dem Kläger, der als Insolvenz­schuldner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, und dem gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO zum Insolvenz­verwalter bestellten Beigeladenen (Insolvenz­verwalter) als Vertreter der Insolvenzmasse streitig.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Es hatte Bedenken gegen die Steuerfest­setzung, bei der der Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der jeweils geltenden Fassung nicht steuerfrei bleibt, und entschied, dass dieser vorab von den Einkünften des Klägers abzuziehen sei. Erst dann sei die Steuer im Verhältnis der gekürzten Einkünfte des Klägers zu den vollen Einkünften der Masse aufzuteilen. In der Folge reduzierte es die gegenüber dem Kläger festzusetzende Einkommen­steuer. Im Übrigen wies das FG die Klage ab (Sächsisches FG, Urteil v. 5.2.2020 - 5 K 1387/19).

Der BFH hat die Revision des FA als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen:

  • Die Vorentscheidung verstößt schon deshalb gegen Bundesrecht, weil das FG den Grundfrei­betrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG zu Unrecht von den Einkünften des Klägers abgezogen hat. Der Grundfreibetrag ist Teil der Tarifvorschriften und nicht zum Abzug von den Einkünften vorgesehen (BFH, Urteil v. 27.7.2017 - III R 1/09, Rz. 31).
  • Das Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen i. S. des § 126 Abs. 4 FGO richtig. Das FA hat die Steuer zutreffend festgesetzt.
  • In einem ersten Schritt ist während des Insolvenz­verfahrens die Jahres­einkommen­steuer für alle im jeweiligen Veranlagungs­zeitraum (§ 25 Abs. 1 EStG) angefallenen Einkünfte, deren materiell-rechtlicher Rechtsträger der Insolvenzschuldner ist, nach steuerrechtlichen Vorschriften und Maßstäben einheitlich zu ermitteln. Dann ist dieser Betrag in einem zweiten Schritt aufzuteilen. Gegenüber dem Insolvenz­schuldner wegen seiner Einkünfte aus nicht­selbständiger Arbeit und gegenüber dem Insolvenz­verwalter wegen der Einkünfte der Insolvenz­masse (§ 55 Abs. 1 InsO) ist der jeweilige Teilbetrag in gesonderten Einkommen­steuer­bescheiden festzusetzen.
  • Die seit Ergehen des BFH-Urteils v. 24.2.2011 - VI R 21/10 im Hinblick auf den Erlass gesonderter Einkommen­steuer­bescheide erforderliche Aufteilung der Gesamt-Einkommensteuer zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzschuldner, der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt, ist entsprechend der unter Geltung der Konkursordnung entwickelten Rechtsprechung, die der BFH bereits in zwei jüngeren Entscheidungen für die InsO bestätigt hat (vgl. BFH, Urteil v. 10.7.2019 - X R 31/16, Rz. 63, und BFH, Urteil v. 27.10.2020 - VIII R 19/18, Rz. 46), ausschließlich entsprechend dem Verhältnis der jeweiligen Einkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 EStG) vorzunehmen.
  • Nach diesen Grundsätzen war die angefochtene Steuerfest­setzung im Streitfall rechtmäßig. Das FA hat zutreffend in einem ersten Schritt die Gesamt-Einkommen­steuer festgesetzt und diese in einem zweiten Schritt entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte zwischen dem Kläger und dem beigeladenen Insolvenzverwalter aufgeteilt. Wie ausgeführt, lassen die gesetzliche Grundsystematik und Praktikabilitäts­erwägungen ausschließlich eine Aufteilung im Verhältnis der Einkünfte zu. Die vom Kläger beantragte Aufteilung, bei der ihm gegenüber die im Wege einer Schatten­veranlagung (Probeberechnung) ermittelte Einkommen­steuer festgesetzt wird und gegenüber der Masse die Differenz aus der Gesamt-Einkommensteuer und der auf den Kläger entfallenden Steuer, scheidet deshalb aus, ebenso der vom FG vorgenommene Abzug des Grundfreibetrags von den Einkünften des Klägers. Da allein die Aufteilung der Gesamt-Einkommen­steuer im Verhältnis der Einkünfte rechtmäßig ist, kommen auch alle anderen, in der Literatur diskutierten Aufteilungsvarianten nicht in Betracht.
  • Der Streitfall gibt keinen Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit der Aufteilung der Gesamt-Einkommen­steuer im Verhältnis der Einkünfte und der Einkommen­steuer­festsetzung gegenüber einem Insolvenzschuldner, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat, zu zweifeln.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 19.1.2023 - III R 44/20; NWB Datenbank (RD)

 
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