Online-Nachricht - Donnerstag, 04.05.2023

Einkommensteuer | Keine Steuerermäßigung für Aufwen­dungen für ein Haus­notruf­system ohne Sofort-Hilfe (BFH)

Für ein Hausnotrufsystem, das im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24 Stunden-Service­zentrale herstellt, die soweit erforderlich Dritte verständigt, kann die Steuer­ermäßi­gung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden (Abgrenzung vom BFH-Urteil v. 3.9.2015 - VI R 18/14, BStBl II 2016, 272: BFH, Urteil v. 15.2.2023 - VI R 7/21; veröffentlicht am 4.5.2023).

Hintergrund: Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommen­steuer, vermindert um die sonstigen Steuer­ermäßi­gungen, auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 €, der Aufwendungen des Steuer­pflichtigen für die Inanspruch­nahme von haushalts­nahen Dienstl­eistungen, die nicht Dienst­leistungen nach § 35a Abs. 3 EStG sind. Gemäß § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG muss die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine im Jahr 1933 geborene Rentnerin. Im Streitjahr 2018 nahm sie Leistungen einer GmbH für ein Hausnotruf­system in Anspruch und zahlte dafür 288 €. Dabei buchte sie ein Standard-Paket mit Gerätebereitstellung und 24 Stunden-Servicezentrale. Nicht gebucht hatte sie u.a. den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnadresse sowie die Pflege- und Grundversorgung.

Die Klägerin machte für die Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine Steuer­ermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG geltend, die das FA nicht anerkannte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (Sächsisches FG, Urteil v. 14.10.2020 - 2 K 323/20, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.12.2020).

Die Richter des BFH dagegen wiesen die Klage ab:

  • Der Begriff "haushaltsnahe Dienstleistung" ist gesetzlich nicht bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen die Leistungen eine hinreichende Nähe zur Haushalts­führung aufweisen bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirt­schaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen.
  • Nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff des erkennenden Senats (hierzu BFH-Urteil v. 21.2.2018 - VI R 18/16, BStBl II 2018, 641, Rz 14 f., für Handwerkerleistungen, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 13.6.2018) kann auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein.
  • Es muss sich hierbei allerdings auch insoweit um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familien­mitgliedern erbracht und in unmittel­barem räumlichen Zusammen­hang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (BFH-Urteil v. 13.5.2020 - VI R 4/18, BStBl II 2021, 669, Rz 18, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 19.11.2020 mit Anmerkung Geserich).
  • Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG sind Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch wenn sie für den Haushalt erbracht werden. Insoweit kommt es auf die tatsächliche Erbringung der Leistung an.
  • Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die von der Klägerin getragenen Aufwendungen für das Hausnotrufsystem vorliegend nicht in Betracht.
  • Denn die Klägerin zahlt vorliegend im Wesentlichen für das Bereithalten des Personals für die Entgegen­nahme eines eventuellen Notrufs (die Rufbereitschaft) und - je nach Situation - anschließender Kontaktierung von Angehörigen, Nachbarn, eines vorhandenen Bereitschafts­dienstes, des Hausarztes, Pflege- oder Rettungsdienstes. Die wesentliche Dienstleistung ist mithin die Bearbeitung von eingehenden Alarmen und die Verständigung von Bezugs­personen, des Hausarztes, Pflegedienstes etc. per Telefon und nicht - wie das FG meint - das Rufen des Notdienstes durch die Klägerin selbst.
  • Diese maßgebende Dienstleistung wird nicht in der Wohnung des Steuerpflichtigen und damit nicht in dessen Haushalt erbracht.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 15.2.2023 - VI R 7/21; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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