Die Kassen-Nachschau – Interview mit Patrick Krullmann
Kassen-Nachschauen und Außenprüfungen in bargeldintensiven Branchen stehen bei den Finanzbehörden wieder verstärkt auf dem Zettel. Wir haben mit Patrick Krullmann, Spezialist für elektronische Aufzeichnungssysteme jeder Art, darüber gesprochen, was es für Kassen-Anwender jetzt zu beachten gilt.
Dieses Interview wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft gegeben und gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Interviewten wieder.
Was erwartet die Finanzverwaltung im Zeitalter der Digitalisierung von Unternehmen, Kassendienstleistern und Beratern?
Spätestens seit dem 1.1.2023 müssen bei tatsächlich jedem elektronischen Aufzeichnungssystem mit Kassenfunktion die aufgezeichneten Geschäftsvorfälle und sonstigen Vorgänge durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (zTSE) abgesichert werden. Kasseneinzeldaten können wie bisher geprüft und verprobt werden, jedoch jetzt mit der Gewissheit über die Originalität dieser Daten.
Grundlage dieser Daten ist das gesetzliche Erfordernis der Einzelaufzeichnung. Der Geschäftsvorfall ist so aufzuzeichnen, wie er tatsächlich passiert ist. Das fängt bei der zutreffenden Aufzeichnung der Zahlungsart an. Darüber hinaus werden schon bei der Eingabe am Kassensystem selbst steuerlich relevante Entscheidungen getroffen, wie beispielsweise über die Anwendung des zutreffenden Umsatzsteuersatzes. Daher müssen bereits bei der Ersteinrichtung eines Kassensystems, dem sogenannten „Customizing“, alle Beteiligten zusammenarbeiten: Der Kassenaufsteller kennt das Kassensystem, der Unternehmer seinen Betrieb und damit auch die typischerweise im Unternehmen vorkommenden Geschäftsvorfälle und der Steuerberater weiß über die steuerlichen Anforderungen und Risiken Bescheid.
Wie können sich die Betroffenen bestmöglich vorbereiten? Aufrüstung oder Neukauf?
Grundsätzlich muss das elektronische Aufzeichnungssystem nicht nur alle Anforderungen des Unternehmens selbst erfüllen, sondern auch den Vorgaben der Finanzverwaltung entsprechen. Bei Letzteren handelt es sich insbesondere um die GoBD und bei vorhandener Kassenfunktion zusätzlich um die Vorgaben des § 146a AO sowie die Möglichkeit standardisierter Exporte nach DSFinV-K. Zusätzlich muss das Aufzeichnungssystem natürlich zur Erfüllung der gesetzlichen Einzelaufzeichnungspflicht geeignet sein.
Sollte ein elektronisches Aufzeichnungssystem mit Kassenfunktion hier Schwächen haben und eine Aufrüstung nicht möglich sein, dann sollte es gegen ein System getauscht werden, welches die vorgenannten Anforderungen erfüllt.
Tatsächlich sind derzeit noch vereinzelt Kassen anzutreffen, die den aktuellen Vorgaben nicht entsprechen. Allein eine fehlende oder unzureichende Exportfunktion für Kasseneinzeldaten kann nach dem neuen § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO zur Versagung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führen und ggf. auch über § 379 AO bußgeldrechtlich sanktioniert werden.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bei der Umsetzung für die Praxis?
Das kommt immer auf den Einzelfall an. Viele Unternehmen sind bereits gut aufgestellt und setzen die derzeitigen Anforderungen entsprechend um. In anderen Unternehmen müssen beispielsweise althergebrachte Betriebsabläufe überdacht und umgestellt werden oder Mitarbeiter sind entsprechend zu sensibilisieren und zu schulen. Dabei hilft auch immer eine „gelebte“ Verfahrensdokumentation, die Einführung einer Compliance-Kultur oder eines Steuer-IKS. Diese Mühen und auch Kosten zahlen sich am Ende des Tages aber mehr als aus.
Eine große Herausforderung sehe ich bei den Themen Datensicherung und Datensicherheit. Fehlende, falsche oder veraltete Sicherheits- und Backupstrategien sind im digitalen Zeitalter ein „No-Go“. Das gilt auch für „Kassen“.
Wo liegt der Unterschied zwischen einer Kassen-Nachschau und einer Außenprüfung? Und was bedeutet das konkret für die Praxis?
Durch eine Kassen-Nachschau erhält die Finanzverwaltung innerhalb der üblichen Geschäftszeiten und vor allem unangekündigt einen Einblick in die aktuelle Kassenführung. Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Nichteingaben, die heimliche Nutzung von „Zweitkassen“ oder der Einsatz von Manipulations-Tools entdeckt werden. Anders als bei einer „angekündigten“ Außenprüfung mit einem dreijährigen Prüfungszeitraum ist eine solche Nachschau jedoch nur eine Momentaufnahme und beschränkt sich auf die Kassenführung als solches.
Oftmals werden bereits im Vorfeld Inaugenscheinnahmen bzw. Testkäufe durchgeführt. Im Rahmen einer risikoorientierten Arbeitsweise kommt es im Idealfall gar nicht mehr zu einer Kassen-Nachschau, wenn tatsächlich der ausgabepflichtige Beleg mit allen erforderlichen Angaben richtig ausgestellt wird und idealerweise einen QR-Code enthält, über den die TSE-Angaben codiert abrufbar sind.
Können Sie uns einen kurzen Einblick in die aktuelle Rechtsprechung zur Kassen-Nachschau und den Übergang zur steuerlichen Außenprüfung mit Blick auf den Einsatz von KI geben?
Das Finanzgericht Hamburg (Hinweis: Urteil v. 30.8.2022 - 6 K 47/22, juris) hat sich beispielsweise mit einem Fall „aus der Praxis“ auseinandergesetzt. Hier ging es u. a. um eine Kassen-Nachschau, bei der relevante Kassenunterlagen im Büro der Geschäftsführung eingeschlossen waren. Da nur die Mitarbeiter anwesend waren, hatte niemand Zugriff auf diese Unterlagen.
Ein solcher oder ähnlicher Fall kann ja bei einer unangekündigten Nachschau immer mal eintreten. Grundsätzlich würde bei Nichtvorlage von Unterlagen oder Kasseneinzeldaten zu einer Betriebsprüfung übergegangen. Das Gericht in Hamburg stellte fest, dass sich der Betriebsprüfer nicht die Möglichkeit zum Übergang in eine Außenprüfung verwirkt, wenn er dem Steuerpflichtigen zunächst die Chance einräumt, die Unterlagen nach seiner Rückkehr schnellstmöglich nachzureichen. Dieses Vorgehen ist aus meiner Sicht eine ermessensgerechte und praktische Lösung. Zumal nicht jeder Mitarbeiter das Wissen oder die Benutzerrechte für einen Export der Kasseneinzeldaten hat.
KI, ChatGPT oder Bots sind aktuell ein großes Thema. Derzeit spielt das im Bereich der Außenprüfung oder Kassen-Nachschau noch keine große Rolle. Aber die Ansätze, wie beispielsweise in der Steuerberatung aktuell über den Einsatz, die Nutzungsmöglichkeiten und das „Anlernen der KI in Fragen des deutschen Steuerrechts“ nachgedacht wird, sind schon sehr interessant. Gleichwohl gilt es dabei immer, den Datenschutz und aus Sicht der Verwaltung das Steuergeheimnis zu wahren.
(Es wäre auch interessant zu wissen, wie ChatGPT Ihre Interview-Fragen beantwortet hätte.)
Zum Abschluss eine Frage, die in der Praxis häufig diskutiert wird: Manipulation von Geldspielgeräten – was ist hier zu erwarten?
Allein zum Schutz der steuerlich Ehrlichen sollten im digitalen Zeitalter steuerlich relevante Daten abgesichert aufgezeichnet werden. Natürlich können technische und elektronische Geräte manipuliert werden, wenn es jemand darauf anlegt, davon sind auch Geldspielgeräte nicht ausgenommen. Aber gerade bei Geldspielgeräten reden wir von teils hohen Barumsätzen und damit von einem nicht geringen steuerlichen Ausfallrisiko. Das wurde ja auch bereits erkannt und aktuell zugelassene Geldspielgeräte verfügen über einen sogenannten „Fiskalspeicher“.
Warum sollte man jetzt nicht alle Geschäftsvorfälle und sonstigen Vorgänge in einem Geldspielgerät vollständig und durch eine zTSE abgesichert aufzeichnen, wie es bereits bei vielen elektronischen Aufzeichnungssystemen mit Kassenfunktion und ab nächstem Jahr auch bei Taxametern und Wegstreckenzählern üblich ist? Entsprechende Forderungen bestehen und wurden beispielsweise vom Finanzausschuss bei den Beratungen des Bundesrates über eine 2. Änderungsverordnung der Kassensicherungsverordnung im letzten Jahr erneut auf den Tisch gebracht.
Natürlich wird eine zTSE eine vorsätzliche Steuerverkürzung – egal bei welchem elektronischen Aufzeichnungssystem und in welcher Branche – nicht vollends verhindern, aber deutlich erschweren.
Handbuch zur Kassenführung
Praxishandbuch für die rechtssichere Umsetzung
Von Tobias Teutemacher und Patrick Krullmann.
4. Auflage. 2023. XVII, 251 Seiten. Gebunden.
978-3-482-65314-8
59,00 €