Beurteilung der Going Concern-Annahme in der Corona-Krise – Auswirkungen auf den aktuellen Jahresabschluss
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I. Gesetzliche Regelung
Die Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden erfolgt nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB grundsätzlich unter der Annahme, die Unternehmenstätigkeit wird fortgeführt. Stehen dieser Annahme aber tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegen, darf sie nicht unterstellt werden und die Bewertung muss abweichend erfolgen.
Bis zur Corona-Krise ist es üblich gewesen, bei Vorliegen der folgenden drei Voraussetzungen den Fortbestand anzunehmen:
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Erzielung nachhaltiger Gewinne in der Vergangenheit,
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auf finanzielle Mittel kann leicht zurückgegriffen werden,
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kein Drohen einer bilanziellen Überschuldung.
Diese vorwiegende Betrachtung der Vergangenheit bzw. des Istzustands war auch schon bisher um eine Zukunftsprojektion zu ergänzen. Es wurde üblicherweise bei der Anwendung der Regelvermutung (= von der Fortführung wird ausgegangen) die Frage gestellt, ob die Unternehmenstätigkeit noch in den nächsten zwölf Monaten erwartet werden kann.
Unstrittig [i]dürfte aber nunmehr sein, der zukunftsorientierten Betrachtung angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie jetzt deutlich mehr Gewicht beizumessen. Die Zukunftsprojektion muss nun in (nahezu) jedem Jahresabschluss, der auf die Bilanzstichtage ab dem aufzustellen ist, vorgenommen werden; die Beurteilung nach vergangenheitsorientierten Daten ist nachhaltig verdrängt.
Die tatsächlichen Gegebenheiten, die einer Fortführung des Unternehmens entgegenstehen, können vielfältig sein und werden unterschieden in finanzielle, betriebliche oder sonstige Umstände.
II. Ansatz und Bewertung
Zum Ansatz enthält das Gesetz ebenfalls keine besonderen Festlegungen: Es gelten deshalb die bekannten allgemeinen Grundsätze.
Der Zeitpunkt, zu dem die bilanziellen Folgen aus dem Wegfall der Going Concern-Prämisse zu ziehen sind, wird sich meist kalendermäßig nicht zu einem bestimmten Tag zuordnen lassen (Ausnahme: Liquidationsbeschluss u. Ä.). Diese taggenaue Bestimmung ist aber auch nicht erforderlich: In seinem 2. Fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung hat das IDW nämlich Folgendes ausgeführt, für die Beurteilung der Angemessenheit der Going Concern-Annahme gelte eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip. Danach ist der Abschluss auch dann unter Abkehr von der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufzustellen, wenn die Ursache für die Abkehr erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten ist.“
Die Folgen des Wegfalls der Going Concern-Annahme sind damit, wenn die Fortführungsprämisse im Jahr 2020 nicht mehr aufrechterhalten werden kann, bereits im Jahresabschluss auf den (im Fall Kalenderjahr = Geschäftsjahr) zu ziehen.
Die Bezugnahme auf das Jahr 2020 ist wie folgt zu begründen: Der sog. Prognosezeitraum für die Fortführungsannahme beträgt nach der herrschenden Meinung zwölf Monate. Ausgehend vom Jahresabschluss dauert dieser Zeitraum folglich bis zum Jahresende 2020.
Öffentliche Hilfsmaßnahmen sind bei der Beurteilung der Unternehmensfortführung zur berücksichtigen.
Die Bewertung von veräußerbaren Vermögensgegenständen hat einzeln zu erfolgen und muss sich am Netto-Einzelverkaufspreis (Absatzmarkt) abzüglich der noch anfallenden Kosten orientieren. Anschaffungs- oder Herstellungskosten (ggf. abzüglich planmäßiger Abschreibungen) stellen immer die Höchstbewertung dar.
Alle Schuldpositionen, die sich insbesondere daraus ergeben, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt wird, sind bei Wegfall der Going Concern-Prämisse zu passivieren, bestehende Rückstellungen sind ggf. neu zu bewerten.
III. Anhang und Lagebericht
Aufgrund des Wegfalls der Fortbestandsannahme können grundsätzlich Erläuterungen (Anhang, Lagebericht) notwendig sein, z. B. weil der Jahresabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögenslage vermittelt. Die Durchbrechungen der Ansatz- und/oder Bewertungsstetigkeit aufgrund des Wegfalls der Going Concern-Annahme sind z. B. ebenfalls zu erläutern.
IV. Auswirkungen der Verbreitung des Coronavirus
Das IDW geht davon aus, dass durch die Verbreitung des Coronavirus erst ab dem Januar 2020 ein wertbegründender Vorgang gegeben ist.
Wird diese Auffassung als richtig zugrunde gelegt, bedeutet das im Grundsatz, außerplanmäßige Abschreibungen oder die Bildung von Rückstellungen und ähnliche bilanzielle Maßnahmen sind im Jahresabschluss zum noch nicht zu berücksichtigen. Diese Aussage gilt aber keinesfalls für Abschlüsse, die auf einen Stichtag ab Januar 2020 aufzustellen sind. Spätestens ab Januar 2020 sind die wirtschaftlichen Folgen aus der Verbreitung des Coronavirus als wertbegründend zu beurteilen.
Die Folgen aus einem Wegfall der Going Concern-Annahme sind aber nicht (!) stichtagsbezogen zu berücksichtigen. Der Abschluss () ist „auch dann unter Abkehr von der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufzustellen, wenn die Ursache für die Abkehr erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten ist.“
Auch wenn keine außerplanmäßigen Abschreibungen und zusätzlichen Rückstellungen zu berücksichtigen sein sollten, kann eine Berichtspflicht im Anhang als „Vorgang von besonderer Bedeutung“ nach § 285 Nr. 33 HGB vorliegen (früher sog. Nachtragsbericht).
Die Entscheidung, ob berichtet werden muss, kann aber nur im konkreten Einzelfall getroffen werden.
Sind insbesondere die finanziellen Auswirkungen bestandsgefährdend, kann es im Extremfall erforderlich sein, die Going Concern-Annahme negativ zu beurteilen.
Fundstelle(n):
BBK 2020
NWB QAAAH-48155
Die wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Krise werden viele Abschlüsse des Jahres 2020 prägen. Doch wie stellen Sie sicher, dass Sie die Auswirkungen der Pandemie angemessen im Zahlenwerk abbilden? Welche Wertminderungen müssen durch außerplanmäßige Abschreibungen berücksichtigt werden? Kann die steuerliche degressive AfA auch in der Handelsbilanz zulässig sein? Und besonders aktuell: Wann sind die Corona-Hilfen ertragswirksam zu erfassen?
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