Einführung einer Sofortabschreibung für digitale Wirtschaftsgüter

Nach einigen Startschwierigkeiten hat das BMF nun doch ein Schreiben veröffentlicht, mit dem auf dem Erlasswege eine Subvention für sämtliche Unternehmen in Deutschland auf den Weg gebracht wurde: Mit Schreiben vom 26.2.2021 hat es die typisierte Nutzungsdauer für Zwecke der Abschreibung von Computer-Hardware und Software auf ein Jahr begrenzt. [1] Im Beitrag wird das Schreiben kritisch analysiert und gezeigt, welche Auswirkungen sich für die Handels- und die Steuerbilanz ergeben.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Aktuelles BMF-Schreiben zur Abschreibung von Hard- und Software

1. Vorbemerkungen

Ende Januar war auf zahlreichen Nachrichten-Portalen zu lesen, dass die Bundesregierung im Zuge der aktuellen Pandemie eine weitere Subvention im Erlasswege für die Unternehmen plane.2 Gemäß einem Beschluss aus einer Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder sollten „digitale Wirtschaftsgüter“ rückwirkend zum  einer Sofortabschreibung zugänglich sein.3 Unspezifisch hieß es, mit dieser Regelung sei „zukünftig“ ein Absetzen von Computer-Hard- und -Software im Jahr der Anschaffung möglich und dies käme auch den Menschen im Home-Office zugute.

Im Anschluss hieran meldete die Tagespresse, dass die Bundesländer die Veröffentlichung des Erlasses blockieren würden.4 Hintergrund sei, dass in der zuvor stattgefundenen Videoschaltung den beteiligten Länderchefinnen und -chefs nicht klar gewesen sei, welches Ausmaß die Abschreibungsvergünstigung annehme, nämlich eine Größenordnung von ca. 11,6 Mrd. €.

Ebenso unvermittelt hat das BMF am  nunmehr doch ein entsprechendes Schreiben auf den Weg gebracht, in dem die zuvor angekündigte Erleichterung enthalten ist.5 Wie die Einigung letztlich doch noch zustande gekommen ist, ist insoweit nicht klar. Das BMF-Schreiben enthält indes mehr als lediglich eine Anpassung der AfA-Tabellen. Nach einer inhaltlichen Analyse des BMF-Schreibens geht es im Anschluss um die Analyse, welche Auswirkungen sich in der Praxis ergeben.

2. Verkürzung der Nutzungsdauer für bestimmte Wirtschaftsgüter

2.1 Begründung und Computer-Hardware

Das aktuelle BMF-Schreiben gliedert sich in drei Abschnitte mit einer vorangestellten Einleitung. In der Einleitung wird nicht auf die COVID-19-Pandemie eingegangen und auch nicht von einer Subvention gesprochen. Vielmehr wird die Anpassung der typisierten Nutzungsdauer damit begründet, dass Computer-Hard- und -Software einem dynamischen Wandel unterliegen und die typisierte Nutzungsdauer der AfA-Tabellen seit 20 Jahren nicht angepasst wurde. Dies soll entsprechend auch der Auslöser und Hintergrund für das Schreiben sein. Diese Argumentation überrascht insoweit, als eine Divergenz zur Begründung gemäß Videokonferenz besteht.6

Im ersten Abschnitt wird allgemein für die im zweiten Abschnitt definierten Wirtschaftsgüter festgelegt, dass für Zwecke der Steuerbilanz grundsätzlich eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden kann.7 Die Formulierung legt hierbei ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zugrunde, d. h. es kann auch eine längere Nutzungsdauer herangezogen werden.

Hinweis:

M. E. steht dieses Wahlrecht indes allein dem Steuerpflichtigen zu und bedeutet nicht, dass eine Inanspruchnahme der Abschreibungsdauer von einem Jahr nur mittels entsprechend substantiierter Begründung in Anspruch genommen werden kann. Es müssen allerdings die weiteren Voraussetzungen des Schreibens erfüllt sein.


Im zweiten Abschnitt erfolgt darauf aufbauend eine umfangreiche und eher theoretische Definition von Computer-Hardware und Software.8 Ein Computer wird zunächst definiert als ein Gerät, das Logikoperationen ausführt sowie Daten verarbeitet; das in der Lage ist, Eingabegeräte zu nutzen, Informationen auf Anzeigegeräten auszugeben und das i. d. R. eine Zentraleinheit beinhaltet, die Operationen ausführt. Ist keine Zentraleinheit vorhanden, muss das Gerät als Client Gateway zu einem Computerserver fungieren, der als Computerverarbeitungseinheit dient.

Anschließend werden die Subdefinitionen für Computer und Zubehör genannt, im Einzelnen die folgenden Komponenten:

  • Desktop-Computer,

  • Notebook-Computer (unterteilt in Tablet- und Slate-Computer sowie mobile Thin-Clients),

  • Desktop-Thin-Client,

  • Workstation,

  • mobile Workstation,

  • Small-Scale-Server,S. 275

  • Dockingstation,

  • externes Netzteil,

  • Peripheriegeräte (inkl. USB-Sticks, Bildschirme und Drucker u. a.).

Die Definitionen sind recht umfangreich und erstrecken sich über mehr als zwei Seiten im Schreiben. In der Praxis dürften Computer, die unter den o. g. Oberbegriffen erworben werden, meist auch unter die jeweilige Definition des BMF-Schreibens fallen. Dennoch ist ein Abgleich mit der jeweiligen Definition im Einzelfall geboten, um das Risiko zu vermeiden, dass im Rahmen einer ggf. später stattfindenden Betriebsprüfung die Anwendung des Schreibens verneint und eine längere Nutzungsdauer zugrunde gelegt wird.

Offenbar wurde seitens der Finanzverwaltung befürchtet, dass der Begriff der Computer zu umfangreich verstanden werden könnte und ggf. auch computergesteuerte Maschinen mit unter den Anwendungsbereich des Schreibens fallen könnten, soweit keine hinreichende Abgrenzung bestünde.

Hinweis:

Die im Schreiben enthaltenen Peripheriegeräte dürften Überschneidungen mit der Definition als geringwertige Wirtschaftsgüter gem. § 6 Abs. 2 bzw. Abs. 2a EStG aufweisen. Im Gegensatz zur Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter entfällt im Hinblick auf die Herabsetzung der typisierten Nutzungsdauer allerdings das Erfordernis einer selbständigen Nutzungsfähigkeit, so dass insbesondere Computer-Peripheriegeräte nunmehr unabhängig von ihrer Nutzung entsprechend über den Zeitraum eines Jahres abgeschrieben werden können.9


Eine zusätzliche Voraussetzung ist zudem, dass die Computer-Hardware unter die Kennzeichnungspflicht der sog. Ökodesign-Richtlinie10 fällt. Auch in dieser Richtlinie ist eine entsprechende Definition verschiedenster Hardware-Komponenten enthalten. Diese Voraussetzung zielt offenbar darauf ab, die Prüfung zu erleichtern, ob ein Gerät tatsächlich unter die vordefinierten Kategorien des BMF-Schreibens fällt, da unter der Kennzeichnungspflicht eine Produktart anzugeben ist, welche die Zuordnung des jeweiligen Geräts erleichtert.11

2.2 Software

Der zweite Abschnitt schließt mit einer Definition von Software. Hierbei wird neben Standardsoftware auch Individualsoftware wie ERP-Systeme, Warenwirtschaftssysteme oder sonstige Anwendungen mit unter die Definition gefasst.

Hinweis:

Die Definition der Software ist anders als bei der Computer-Hardware nicht tiefgängig erfolgt; vielmehr werden bestimmte Oberbegriffe mit in den Begriff der Software eingeschlossen. Dabei ist keine wortgleiche Abstimmung mit anderen BMF-Schreiben zum Thema Software erfolgt, insbesondere nicht zum Schreiben der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung von Software.12 Zwar ist dieses Schreiben nicht mehr auf der Positivliste des BMF zur Anwendung vorhandener Schreiben enthalten,13 m. E. dürften kleinere Unterschiede aber auch ohnehin keine Auswirkungen in der Praxis haben.


2.3 Anwendungszeitraum

Im dritten Abschnitt wird schließlich der Anwendungszeitraum geregelt: Entgegen dem Wortlaut der Videoschaltung soll die Verkürzung der Nutzungsdauer nunmehr nicht ab dem  gelten, sondern für Gewinnermittlungen, die nach dem  enden. Dies bedeutet, dass bei vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr auch bereits für im Jahr 2020 angeschaffte Wirtschaftsgüter entsprechend eine kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden kann.

Darüber hinaus erlaubt das BMF aber für Gewinnermittlungen, die nach dem  enden, eine Anwendung dergestalt, dass auch solche Wirtschaftsgüter, die in früheren Jahren angeschafft oder hergestellt worden sind und bereits zum letzten Bilanzstichtag zum Betriebsvermögen zählten und bei denen eine längere Nutzungsdauer als ein Jahr zugrunde gelegt wurde, nunmehr ebenfalls sofort abgeschrieben werden können.

Hinweis:

Nach der Formulierung wird für solche Wirtschaftsgüter, die bereits in früheren Bilanzjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, nicht auf die Restnutzungsdauer abgestellt. Dies bedeutet faktisch, dass sämtliche dieser Wirtschaftsgüter zum nächsten Bilanzstichtag ebenfalls sofort abgeschrieben werden können.


Abschließend wird die Regelung auch auf Wirtschaftsgüter im Privatvermögen erweitert und klargestellt, dass die zuvor ergangenen BMF-Schreiben, aus denen sich eine längere Nutzungsdauer als ein Jahr für die betroffenen Wirtschaftsgüter ergibt, letztmalig für Wirtschaftsjahre Anwendung finden, die vor dem  enden.

Die Auswirkungen des Schreibens auf die Praxis sollen anhand eines kurzen Beispielsfalls dargestellt werden.

II. Ausgangssachverhalt

Die X-GmbH mit Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr bei vollständiger Vorsteuerabzugsberechtigung ist ein IT-Dienstleister mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Hamburg. Die X-GmbH verfügt über mehr als 2.000 Mitarbeiter, die an verschiedenen Projekten arbeiten. 2021 wurden 530 neue Laptops einer bekannten Marke angeschafft, die 1.280 € netto je Gerät gekostet haben und im üblichen Erneuerungsprozess eingesetzt worden sind, d. h. jeweils ein Viertel der Belegschaft mit den jeweils ältesten Rechnern erhält ein Austauschgerät. Die Anschaffung erfolgte im August 2021. Darüber hinaus wurden 40 neue Kombigeräte geleast (operate lease), die sowohl drucken, scannen als auch faxen können. Die Leasingsonderzahlung im Erstjahr beträgt 2.130 € netto, die monatlichen Leasingraten 100 € netto (Aufstellung im Januar 2021), die Dauer des Vertrags beträgt drei Jahre.

Im Hinblick auf angeschaffte Computer und Peripheriegeräte aus den Vorjahren bestehen noch folgende Restbuchwerte:

  • Anschaffung im Januar 2020: 480.000 €,

  • Anschaffung im Januar 2019: 230.000 €,

  • Anschaffung im Januar 2018: 132.000 €.

Die X-GmbH hatte 2020 zudem auf die aktuellere Version ihres ERP-Systems umgestellt: Going-live war im Juli 2020, dem Gesamtprojekt sind Anschaffungskosten von 4.532.000 € netto zuzuordnen. Der Restbuchwert zum  betrug 4.078.800 €. Die Nutzungsdauer wurde auf fünf Jahre geschätzt, das ERP-System zählt nach wie vor zu den modernsten der am Markt erhältlichen Systeme.

III. Bilanzierung und Buchung der IT-Ausstattung

1. Zugangs- und Folgebewertung der angeschafften und im Besitz befindlichen Laptops

1.1 Zugangsbewertung in Handels- und Steuerbilanz

In der Handelsbilanz sind die angeschafften Laptops zunächst zu aktivieren. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Steuerbilanz. Das BMF-Schreiben bezieht sich lediglich auf die Nutzungsdauer, zudem müssen die Anlagenzugänge ordnungsgemäß in der Buchführung erfasst werden.14 Buchungsvorschlag:15

 

0690
Sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung
678.400 €
       
1400
Abziehbare Vorsteuer
128.896 €
an
3300
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
807.296 €

 

Hinweis:

Die korrekte Erfassung des Zugangs ist zudem für die Erstellung des Anlagenspiegels notwendig, der gem. § 284 Abs. 3 HGB ggf. verpflichtend aufzustellen ist. Bei einer Nutzungsdauer von lediglich einem Jahr könnte zwar auch argumentiert werden, dass die Wirtschaftsgüter kurzfristig verbraucht werden und damit dem Umlaufvermögen zuzuordnen seien.

M. E. greift eine solche Begründung aber nicht, da die Zweckdienlichkeit zur Entscheidung hinsichtlich Anlage- oder Umlaufvermögen nicht an der Nutzungsdauer festgemacht wird, was sich auch bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern zeigt.16


1.2 Folgebewertung in der Handelsbilanz

Die Folgebewertung erfolgt zum , falls nicht ohnehin bereits unterjährig Abschreibungen erfolgen, um Monatsabschlüsse zu erstellen. Fraglich wäre insoweit, ob die Nutzungsdauer gemäß dem BMF-Schreiben geeignet ist, auch für Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung Gültigkeit zu entfalten.

In der Handelsbilanz ist für die Festlegung der jährlichen Abschreibung eine Nutzungsdauer zu schätzen, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, d. h. die Schätzung ist insbesondere dem Vorsichtsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB unterzuordnen. Diese darf zwar nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz bemessen werden.17 Ein Rückgriff auf die amtlichen AfA-Tabellen der Finanzverwaltung wird demgemäß auch abgelehnt, soweit diese den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entsprechen.18

Obgleich insoweit auch ein Ermessensspielraum der bilanzierungspflichtigen Unternehmen besteht, hat dieser seine Grenzen in einer Plausibilitätskontrolle, insbesondere, sofern sich unter objektiven Gesichtspunkten wie z. B. aus Erfahrungswerten abweichende Nutzungsdauern ergeben.19 Eine zu kurze Nutzungsdauer darf nicht lediglich mit S. 278Verweis auf das Vorsichtsprinzip und ohne weitere Begründungen Anwendung finden, insbesondere, wenn insoweit eine bessere Erkenntnis besteht.20 Da das Unternehmen einen Turnus von vier Jahren zum Austausch der Geräte hat, besteht zudem ein objektiver Maßstab, der für eine Nutzungsdauer von vier Jahren spricht.

Ein bloßer Verweis auf das BMF-Schreiben ist m. E. daher nicht ausreichend, um auch in der Handelsbilanz eine Nutzungsdauer von lediglich einem Jahr zugrunde zu legen. 2021 ergibt sich die Abschreibung daher für eine Jahresabschreibung von 678.400/4 = 169.600, die auf fünf Monate gerechnet werden muss, da die Anschaffung im August erfolgte.21 Buchungsvorschlag:

 

6220
Abschreibungen auf Sachanlagen (ohne AfA auf Kfz und Gebäude)
70.667 €
an
0690
Sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung
70.667 €

 

Bei einer Nutzungsdauer von vier Jahren ergibt sich für die in den Vorjahren angeschafften Laptops zudem eine Abschreibung von 132.000 € + 115.000 € + 160.000 € = 407.000 €. Buchungsvorschlag:

 

6220
Abschreibungen auf Sachanlagen (ohne AfA auf Kfz und Gebäude)
407.000 €
an
0690
Sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung
407.000 €

 

Hinweis:

Sofern im Einzelfall eine tatsächliche Nutzungsdauer von einem Jahr nachgewiesen werden kann – insbesondere unter der offenen Formulierung des BMF-Schreibens, das von einem dynamischen Wandel in der IT-Branche ausgeht, wäre auch in der Handelsbilanz eine kürzere Abschreibungsdauer möglich.

Die im vorliegenden Fall längere Abschreibung in der Handelsbilanz hat zudem m. E. keinerlei „Signalwirkung“ für die Steuerbilanz, da insoweit keine Maßgeblichkeit für die Bewertung gilt; diese ist vielmehr durch den steuerlichen Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 i. V. mit § 6 Abs. 1 EStG durchbrochen.22


1.3 Folgebewertung in der Steuerbilanz

In der Steuerbilanz kann hingegen eine Abschreibung der angeschafften Laptops unter Verweis auf das aktuelle BMF-Schreiben von einem Jahr erfolgen. Das BMF-Schreiben kodifiziert insoweit ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, da die Annahme nicht zwingend ist. Soweit in der Handelsbilanz weiterhin über vier Jahre abzuschreiben ist, könnte auch für Zwecke der Einheitsbilanz weiterhin von einer solchen Nutzungsdauer in der Steuerbilanz ausgegangen werden. Gleichwohl ist auch die Zugrundelegung der kürzeren Nutzungsdauer steuerrechtlich zulässig, obgleich diese auch nicht unkritisch zu sehen ist.

Die Finanzgerichtsbarkeit ist an eine Nutzungsdauer, die im Erlasswege veröffentlicht wurde, nicht gebunden.23 Im Gegenteil: Sie ist sogar zu Korrekturen gehalten, sofern die Anwendung der AfA-Tabellen im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen sollte.24 Diese Vermutung ist in Bezug auf das BMF-Schreiben zuS. 279 „digitalen Wirtschaftsgütern“ nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Steuerpflichtige sollten daher aufpassen, insoweit nicht auf das Problem zu stoßen, im Falle einer (ggf. auch nicht auf die Nutzungsdauer bezogenen) Feststellung in einer Betriebsprüfung im Falle einer Klage eine Verböserung befürchten zu müssen, da in einem solchen Falle eigentlich nur noch die Akzeptanz der Prüfungsfeststellung verbleibt.

Hinweis:

Insoweit sind die möglichen steuerlichen Vorteile diesem „immateriellen“ Risiko gegenüberzustellen. Insbesondere bei Anlagen mit einem hohen Volumina ist daher die Anwendung mit Augenmaß zu empfehlen.

Soll im vorliegenden Fall eine vollumfängliche Anwendung des BMF-Schreibens erfolgen, ergäbe sich ein Abschreibungsbetrag in voller Höhe der Anschaffungskosten. Buchungsvorschlag:

 

6220
Abschreibungen auf Sachanlagen (ohne AfA auf Kfz und Gebäude)
678.400 €
an
0690
Sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung
678.400 €

 

Hinweis:

Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG hat eine zeitanteilige Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung zu erfolgen, sofern ein Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß länger als ein Jahr genutzt wird. Da dies bei der Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von einem Jahr nicht der Fall ist, ergibt sich faktisch eine Sofortabschreibung für Computer-Hardware und Software, unabhängig vom Anschaffungszeitpunkt.25

Bei den anderen Computern, die noch im Anlagevermögen befindlich sind, ist die Nutzungsdauer von einem Jahr bereits abgelaufen. Da das BMF-Schreiben entsprechend eine Anwendung auch auf diese Wirtschaftsgüter ermöglicht, können diese insgesamt ausgebucht werden. Buchungsvorschlag:

 

6220
Abschreibungen auf Sachanlagen (ohne AfA auf Kfz und Gebäude)
842.000 €
an
0690
Sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung
842.000 €

 

Hinweis:

Sofern keine eigene Steuerbilanz aufgestellt, sondern eine Überleitungsrechnung nach § 60 Abs. 2 EStDV erstellt wird, wäre der Abschreibungsmehraufwand von 1.042.733 € entsprechend vom Anlagevermögen und dem steuerlichen Eigenkapital als Gewinnunterschied des laufenden Jahres abzuziehen.


2. Folgebilanzierung des ERP-Systems

Eine Divergenz ergibt sich zudem für die Folgebilanzierung des ERP-Systems: Für Zwecke der Handelsbilanz ist die Nutzungsdauer auf fünf Jahre geschätzt worden. Da zwischenzeitlich keine wesentliche Neuentwicklung erfolgt ist, die den Wert des ERP-Systems außerplanmäßig mindern könnte, und auch sonst keine Gründe für eine kürzere bzw. geänderte Nutzungsdauer ersichtlich sind, bleibt es in der Handelsbilanz bei einer entsprechenden Abschreibungsdauer von fünf Jahren. Es ergibt sich entsprechend ein Abschreibungsbetrag von 906.400 €. Buchungsvorschlag:

 

6200
Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände
906.400 €
an
0144
EDV-Software
906.400 €

 

In der Steuerbilanz kann demgegenüber von einer Nutzungsdauer von einem Jahr ausgegangen werden, die im Juli 2021 entsprechend ausgelaufen ist. Der gesamte Restbuchwert kann mithin ausgebucht werden. Buchungsvorschlag:

 

6200
Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände
4.078.800 €
an
0144
EDV-Software
4.078.800 €

 

3. Erfassung des Leasings in Handels- und Steuerbilanz

Für die bilanzielle Abbildung des Leasings ergibt sich keine Änderung durch die Verkürzung der Nutzungsdauer in der Steuerbilanz. Profitieren wird hiervon der Leasinggeber, bei dem die Wirtschaftsgüter in der Bilanz ausgewiesen sind. Die Leasingsonderzahlung ist über die Dauer des Leasingverhältnisses entsprechend durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu verteilen (2.130 / 3 = 710 ? pro Jahr); die Leasingraten sind entsprechend monatliche Kosten (12 Raten à 100 €). Buchungsvorschlag:

 

1900
Aktive Rechnungsabgrenzung
1.420,00 €
       
1400
Abziehbare Vorsteuer
632,70 €
       
6498
Mietleasing bewegliche Wirtschaftsgüter für technische Anlagen und Maschinen
1.910,00 €
an
3300
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
3.962,70

 

Hinweis:

Durch die Möglichkeit der deutlich schnelleren Abschreibung in der Steuerbilanz sowie dem Umstand, dass der Finanzierungsvorteil aus dem Leasing bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG teilweise durch den Fiskus abgeschöpft wird, könnte sich die Vorteilhaftigkeit des Leasingmodells in der Praxis ggf. umkehren. Dies ist entsprechend zu prüfen.26

Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob sich hieraus auch Änderungen für die Beurteilung der Leasingerlasse ergeben, da die Nutzungsdauern nunmehr für die Steuerbilanz geändert worden sind. M. E. sollte insoweit eine Abkopplung erfolgen, so dass sich keinerlei Auswirkungen auf die Beurteilung ergeben, wem das Wirtschaftsgut bilanziell zuzuordnen ist.


4. Latente Steuern

Aufgrund der Bewertungsunterschiede in Handels- und Steuerbilanz, bei denen sich insgesamt ein höheres Aktivum in der Handelsbilanz ergibt, was sich entsprechend im S. 281Verlauf der künftigen Jahre wieder abbaut, hat die X-GmbH latente Steuern gem. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB zu passivieren. Grundsätzlich sind die latenten Steuern unter Beachtung sämtlicher bestehender bilanzieller Differenzen zu ermitteln.27 Unterstellt, es bestehen keinerlei weiteren Differenzen, ergibt sich für die X-GmbH eine temporäre Differenz von 4.215.133 €. Bei einem Steuersatz von 32,275 % (15 % Körperschaftsteuer zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag sowie ein Gewerbesteuersatz von 16,45 % in Hamburg) ergibt sich eine abzugrenzende latente Steuer von 1.360.434,78 €. Buchungsvorschlag:

 

7645
Aufwendungen aus der Zuführung und Auflösung von latenten Steuern
1.360.434,78 €
an
3065
Passive latente Steuern
1.360.434,78 €

 

Fazit

Das BMF hat nun die bestehenden Ankündigungen wahr gemacht und ein Schreiben auf den Weg gebracht, welches den Steuerpflichtigen die Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von einem Jahr einheitlich für Computer-Hardware und Software erlaubt. Auch wenn dies im Schreiben mit keiner Silbe erwähnt ist, darf dieses Zugeständnis an die Nutzungsdauer als erneute Corona-Hilfe aufgefasst werden. Ob diese als solche mit dem Beihilferecht der EU vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Gerade Abschreibungsregelungen waren schon einmal Gegenstand eines Beihilfeverfahrens vor dem EuGH; entsprechende Steuern mussten vom betroffenen Staat (Spanien) von den Unternehmen zurückgefordert werden.28 Steuerpflichtige sollten sich zudem vor Augen halten, dass die Finanzgerichtsbarkeit möglicherweise ebenfalls nicht an die kürzere Nutzungsdauer gem. dem BMF-Schreiben gebunden ist und später erfolgende Gerichtsverfahren zu einer Verböserung führen könnten. Schließlich dürfte eine undifferenzierte Anwendung des Erlasses in der Handelsbilanz nicht möglich sein, so dass entsprechende Differenzen entstehen dürften.

Gleichwohl wird das Schreiben eine Vielzahl von Unternehmen in Deutschland betreffen, die sich im Zuge der vermehrten Arbeit ihrer Arbeitnehmer aus dem Home-Office auch entsprechende Geräte angeschafft haben. Ebenso besteht eine Entlastung für Arbeitnehmer, die keine entsprechenden Geräte von ihren Arbeitgebern zur Verfügung gestellt bekommen haben und sich solche selbst anschaffen mussten. Praktiker und Berater dürften daher mit gemischten Gefühlen auf den Erlass blicken, dessen Anwendung einer Abwägung im Einzelfall bedarf.

 

Autor

Dr. Volker Endert
ist Head of Tax and Finance eines mittelständischen Industrieunternehmens, in eigener Kanzlei als Syndikus-Steuerberater tätig und assoziiertes Forschungsmitglied am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität Hamburg.

Fundstelle(n):
BBK 2021 Seite 273 - 281
NWB XAAAH-73455


1Vgl.  :013 NWB GAAAH-72616.

2Vgl. z. B. Wengerofsky, Bund-Länder-Beschluss: Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter rückwirkend zum , NWB Experten-Blog v. .

3Vgl. Beschlusspapier zur Videoschaltung vom , S. 6, abrufbar unter https://go.nwb.de/nedj4.

4Vgl. Handelsblatt v. , Bundesländer blockieren Scholz, S. 9.

 :013 NWB GAAAH-72616.

6Vgl. Beschlusspapier zur Videoschaltung v. , S. 6, abrufbar unter https://go.nwb.de/nedj4.

7Vgl.  :013 NWB GAAAH-72616, Rz. 1.

 :013 NWB GAAAH-72616, Rz. 2 f.

9Zur Klassifizierung von Peripheriegeräten als geringwertige Wirtschaftsgüter vgl. Endert/Sepetauz, Bilanzierung von Computern und Peripheriegeräten, BBK 15/2013 S. 707 NWB TAAAE-41391.

10Vgl. Verordnung (EU) Nr. 617/2013 der Kommission vom  zur Durchführung der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Computern und Computerservern, ABl. EU L 175 v. , S. 13.

11Vgl.  :013 NWB GAAAH-72616, Rz. 3.

12Vgl.  NWB PAAAA-78703.

13Vgl.  IV C 6 - O 1000/07/0018, BStBl 2007 I S. 369 NWB KAAAC-42077.

14Vgl. Falterbaum et al., Buchführung und Bilanz, 23. Aufl. 2020, S. 143.

15Sämtliche Buchungen erfolgen nach dem SKR 04.

16Zur Erfassung von geringwertigen Wirtschaftsgütern im Anlagenspiegel vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 1995, § 253 HGB Rz. 410, § 268 HGB Rz. 77.

17Vgl. Schubert/Andrejewski in Grottel et. al. (Hrsg.), Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 253 Rz. 228.

18Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 12. Aufl. 2021, § 253 Rz. 145 f., m. w. N.; deutlich auch Ballwieser in Schmidt/Ebke (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 4, 4. Aufl. 2020, § 253 Rz. 17 f.; Tiedchen in Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Bd. 2, 2013, § 253 Rz. 91.

19Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Kap. E Rz. 971 f.

20Vgl. auch Ballwieser in Schmidt/Ebke (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 4, 4. Aufl. 2020, § 253 Rz. 19.

21169.600/12 ∙ 5 = 70.667 € bei Aufrundung.

22A. A. hingegen Scheffler in Prinz/Kanzler, NWB Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, Rz. 2810.

23Vgl. , BStBl 2011 II S. 696 NWB JAAAD-84129.

24Vgl. , BStBl 1992 II S. 1000 NWB JAAAA-93891.

25Vgl. hierzu allgemein Brandis in Blümich, EStG/KStG/GewStG/Nebengesetze, 155. Erg.-Lfg. 11/2020, § 7 EStG Rz. 206 f.

26Ausführlich zur Vorteilhaftigkeit des Leasings gegenüber einer Anschaffung unter Einbezug von Steuern Kruschwitz/Lorenz, Investitionsrechnung, 19. Aufl. 2019, S. 138 ff.

27Allgemein zur Ermittlung latenter Steuern Hirschberger, Latente Steuern in der Buchhaltung, BBK 13/2011 S. 617 NWB QAAAD-85865.

28Vgl.  NWB CAAAF-18378; siehe auch  NWB UAAAH-03387.

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