Die Haftung des faktischen Geschäftsführers einer Unternehmergesellschaft für Umsatzsteuer
I. Nichtamtliche Leitsätze
1. Wer sich zur Führung einer Kapitalgesellschaft Strohleute bedient und ansonsten die finanziellen und steuerlichen Geschicke dieser bestimmt, ist als faktischer Geschäftsführer zu betrachten, der unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 69, 35 AO für die Umsatzsteuerschulden dieser einzustehen hat.
2. Im Hinblick auf Umsatzsteuerschulden ist der Fiskus so zu bedienen, wie auch die anderen Gläubiger (Grundsatz der anteiligen Tilgung). Wird gegen diese Pflicht schuldhaft verstoßen, so ergibt sich für den faktischen Geschäftsführer wie auch für den ordentlichen Geschäftsführer eine Haftung entsprechend dieser Tilgungsquote.
3. Der Haftungsschuldner hat nach § 93 Abs. 1 AO bei Bestimmung der Haftungsquote mitzuwirken; verweigert er diese Mitwirkung darf die Finanzverwaltung die Haftungsquote gemäß § 162 AO schätzen. Dabei kann die Schätzung zu einer Tilgungsquote von 100 % gelangen.
II. Sachverhalt
Der Kläger wurde mit Haftungsbescheid gemäß § 191 AO vom für Umsatzsteuerschulden der V-UG i. H. von insgesamt 117.688,35 € (Umsatzsteuer, Verspätungszuschlag sowie Zinsen zur Umsatzsteuer) betreffend die Jahre 2012 bis 2014 bis zum Zeitpunkt der Gewerbeabmeldung der V-UG in Anspruch genommen.
Die im Jahr 2012 gegründete V-UG war im Transportgewerbe tätig. Überwiegend erhielt sie ihre Aufträge (Kleintransporte im Paketdienst) von der W- und von der L-GmbH, beides Firmen des Klägers, bei denen er Alleingesellschafter bzw. auch Geschäftsführer war. Auch die Fahrzeuge zur Ausführung der Transporte wurden der V-UG von der W-GmbH vermietet. Abgerechnet wurde in der Regel im Gutschriftverfahren.
Alleinige Gesellschafterin der V-UG war zunächst die damalige Ehefrau des Klägers – Frau CO, dann Herr BG. Zunächst war Frau CO auch alleinige Geschäftsführerin, später waren dies Herr VX und sodann Frau EG. Letztere erhielt nur ein Mini-Job-Gehalt von 400 € pro Monat. Dabei erklärten VX, BG und EG, dass sie nur als Strohleute für den Kläger agierten bzw. nach dessen Weisungen handeln mussten.
Im Jahr 2012 bis 2013 unterhielt die V-UG ein Geschäftskonto bei der B 1, wobei Frau CO und der Kläger verfügungsbefugt waren. Im Jahr 2013 transferierte der Kläger von diesem Geschäftskonto insgesamt 38.497 € auf sein Privatkonto. Später wurde ein Geschäftskonto bei der B 2 unterhalten, hinsichtlich dessen Frau EG verfügungsbefugt war, der Kläger aber die Bankkarte mit Zugangscode erhielt. Auch von diesem Konto erfolgten zahlreiche Barabhebungen zugunsten des Klägers.
Auch ansonsten nahm der Kläger Zugriff auf das Vermögen der V-UG, so finanzierte diese den Bau seines privaten Schwimmbads im Jahr 2012, beglich 2012 Kraftstoffrechnungen für die dem Kläger gehörende L-GmbH sowie eine Heizöllieferung an den Kläger im Jahr 2013.
Über den Kläger erfolgte auch die Kommunikation mit dem Steuerberater der V-UG. Die Erstellung von Rechnungen sowie die Lohnabrechnungen der V-UG erfolgten nach den Vorgaben des Klägers. Für die V-UG sind keine Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2012 bis 2014 abgegeben worden.
Am wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der V-UG mangels Masse vom Insolvenzgericht abgelehnt. Die insoweit unstrittigen Umsatzsteuerschulden der V-UG wurden im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung bzw. von der Steuerfahndung ermittelt.
Dem Haftungsbescheid gegenüber dem Kläger ging eine erfolglose Inhaftungnahme der EG voran. Gegen BG und VX ergingen wegen deren Vermögenslosigkeit keine Haftungsbescheide.
Mangels Mithilfe bei der Sachverhaltsaufklärung durch den Kläger ging das Finanzamt von einer Haftungsquote von 100 % aus. Dabei zahlte die V-UG lediglich ihre Steuerschulden sowie die Sozialabgaben für ihre Arbeitnehmer nicht. Löhne sowie die Forderungen der W-GmbH wurden allerdings bedient.
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