
Aktuelles Steuerwissen zu PV-Anlagen
Photovoltaikanlagen sind in der Mandantschaft weit verbreitet. Die Besteuerung bereitete in den letzten Jahren Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber hatte ein Einsehen und besserte mittlerweile zweimal nach: Zum einen reformierte er mit dem Jahressteuergesetz 2022 das grundlegende Besteuerungsregime, indem er in der Ertragsteuer eine Steuerbefreiung einführte und in der Umsatzsteuer den Nullsteuersatz. Hierzu sind jeweils umfangreiche BMF-Schreiben ergangen.
Zum anderen regelte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2024 für Anlagen, die ab dem 1.1.2025 angeschafft, hergestellt oder erweitert werden, eine gesetzliche Vereinfachung. Offene Fragen gibt es dennoch genug. Grund genug, sich hier einen guten Überblick zu den Grundlagen und wesentlichen Problembereichen zu verschaffen.
Steuerbefreiung von Photovoltaikanlagen nach § 3 Nr. 72 EStG
1. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
a) Persönlicher Anwendungsbereich
Die Steuerbefreiung für bestimmte PV-Anlagen (§ 3 Nr. 72 Satz 1 EStG) gilt für natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und Körperschaften.
b) Sachlicher Anwendungsbereich
Die tatsächliche Steuerbefreiung hängt vom Installationsort und der installierten Bruttoleistung ab. Begünstigt sind mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene PV-Anlagen, die sich auf, an oder in einem bestimmten Gebäude befinden (d. h. keine Freiflächenanlagen). Zudem darf die Freigrenze für die max. Leistung der Anlage für das jeweilige Gebäude einerseits und eine subjektbezogene Höchstgrenze (Freigrenze) andererseits nicht überschritten sein.
aa) Unterschiedliche Gebäudearten mit gebäudebezogener Freigrenze
(1) Einfamilienhäuser und nicht Wohnzwecken dienende Gebäude
Gemäß § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a EStG sind PV-Anlagen auf, an oder in Einfamilienhäusern (EFH) – einschließlich Nebengebäuden, wie z. B. Gartenhäuser, Garagen, Carports – oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden – d. h. betrieblich genutzte Gebäude, wie z. B. Hallen – begünstigt, wenn die installierte Bruttoleistung nicht mehr als 30 kWp beträgt.
Fall 1: A besitzt zwei EFH. Während er das EFH 1 für private Wohnzwecke nutzt, vermietet er das EFH 2 an eine Familie. Auf dem Dach des EFH 1 befindet sich eine PV-Anlage mit 25 kWp installierter Bruttoleistung. Die PV-Anlage auf dem Dach des vermieteten EFH 2 bringt hingegen 40 kWp installierter Bruttoleistung.
Aufgabe: Sind beide PV-Anlagen nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigt?
Lösung: Nein, während die PV-Anlage des EFH 1 nach § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a EStG begünstigt ist, übersteigt die PV-Anlage des EFH 2 den Grenzwert von 30 kWp und ist daher nicht begünstigt.
(2) Sonstige Gebäude
Nach § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. b EStG gilt für sonstige Gebäude eine Höchstgrenze von 15 kWp je Wohn- oder Gewerbeeinheit. Gemeint sind hier Gebäude, die nicht EFH oder Betriebsgebäude sind, also Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Immobilien oder auch Wohnungseigentum.
(3) Besonderheit: Marktstammdatenregister maßgebend
Die Steuerbefreiung stellt auf die installierte Leistung lt. Marktstammdatenregister ab. Betreibt jemand eine PV-Anlage mit der Pflicht zum Netzanschluss, besteht eine Registrierungspflicht zum Marktstammdatenregister. Gleichwohl gibt es Fälle, in denen „Inselanlagen“ betrieben werden, die nicht an das Netz angeschlossen werden. Für solche Anlagen existiert eine Ausnahme von der Registrierungspflicht zum Marktstammdatenregister, sodass diese bei ausbleibender Registrierung auch nicht in die Berechnung der jeweiligen kWp-Grenze einbezogen werden.
Fall 2: A betreibt auf dem Dach seines EFH eine an das Netz angeschlossene PV-Anlage mit einer installierten Bruttoleistung von 29 kWp. Darüber hinaus gibt es noch eine Inselanlage auf einem Schuppen hinter seinem Haus mit einer Leistung von 2,4 kWp. Diese Inselanlage ist nicht an das Stromnetz angeschlossen, sondern mündet direkt in ein Ladekabel für sein Elektrofahrzeug. Er hat sie nicht im Marktstammdatenregister registriert.
Aufgabe: Ist die Inselanlage ebenfalls i. R. des § 3 Nr. 72 EStG zu berücksichtigen?
Lösung: Nein, zu berücksichtigen ist ausschließlich die PV-Anlage auf dem Dach seines EFH. Diese ist nach § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a EStG begünstigt, da die in das Marktstammdatenregister eingetragene Leistung nicht mehr als 30 kWp beträgt.
(4) Besonderheit: Gewerbeimmobilien mit mehreren Einheiten
Bei Gewerbeimmobilien mit mehreren Gewerbeeinheiten gilt lt. BMF eine Grenze von 15 kWp pro Einheit analog § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. b EStG.
Fall 3: A vermietet eine Büroimmobilie mit vier verschiedenen Büroetagen. Alle Etagen sind an unterschiedliche Mieter vermietet. Auf dem Dach der Immobilie befindet sich eine PV-Anlage mit einer installierten Leistung von 50 kWp. Vor der Anschaffung der Anlage im Jahr 2022 hatte A im Jahr 2021 einen IAB geltend gemacht. Die Finanzverwaltung möchte die ursprüngliche Bildung des IAB jetzt rückgängig machen, weil die PV-Anlage nach Auslegung des BMF-Schreibens v. 17.7.2023 unter analoger Anwendung von § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. b EStG begünstigt sei (4 Einheiten x 15 kWp pro Einheit = max. 60 kWp pro Einheit).
Aufgabe: A möchte die Rückgängigmachung des IAB nicht akzeptieren. Welche Handlungsoptionen hat er?
Lösung: A könnte sich im Einspruchs- und ggf. Klageverfahren auf eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift berufen und argumentieren, dass es sich trotz mehrerer Gewerbeeinheiten nach wie vor um ein nicht Wohnzwecken dienendes Gebäude nach § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a EStG handelt, dessen 30 kWp-Grenze in diesem Fall überschritten wäre, sodass die Anlage zwingend steuerpflichtig wäre
HINWEIS
Die zuvor dargestellte Rechtslage gilt für PV-Anlagen, die zwischen dem 1.1.2022 und 31.12.2024 angeschafft, hergestellt oder erweitert wurden. Mit dem JStG 2024 hat der Gesetzgeber für Anlagen, die ab dem 1.1.2025 angeschafft, hergestellt oder erweitert werden, eine Vereinfachung gesetzlich geregelt. Demnach entfällt die Unterscheidung der verschiedenen Gebäudearten, und es sind ab 2025 immer 30 kWp je Wohn-/Gewerbeeinheit anzuwenden. Dies führt bei Gebäuden mit mehreren Einheiten (z. B. gemischt genutzte Gebäude, Mehrfamilienhäuser) zu einer stärkeren Begünstigung.
bb) Subjektbezogene 100 kWp-Freigrenze
Neben der gebäudebezogenen Höchstgrenze gibt es auch eine subjektbezogene Höchstgrenze von 100 kWp je Stpfl. oder Mitunternehmerschaft. So wird sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der Steuerbefreiung nicht durch Verteilung von Anlagen auf viele verschiedene Gebäude unterwandert wird, sowie vor allem Privatpersonen und Betreiber kleinerer Anlagen begünstigt werden. Das BMF-Schreiben v. 17.7.2023 stellt zudem klar, dass es sich dabei um eine Freigrenze handelt.
Fall 4: Bis zum 31.12.2023 besitzt A drei EFH, die jeweils mit einer PV-Anlage mit einer installierten Bruttoleistung von 28 kWp (insgesamt also 84 kWp) ausgestattet sind. Zum 1.1.2024 erwirbt er dann noch ein weiteres EFH mit einer PV-Anlage von 28 kWp.
Aufgabe: Ordnen Sie den Sachverhalt in Bezug auf eine mögliche Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG ein!
Lösung: Bis zum 31.12.2023 unterschreitet jede der drei Anlagen für sich genommen die Höchstgrenze von 30 kWp pro EFH (§ 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a EStG) und auch die subjektbezogene Höchstgrenze von 100 kWp wird unterschritten. Dies ändert sich zum 1.1.2024 mit dem Erwerb eines weiteren EFH mit einer 28 kWp-Anlage. Die Leistung der vier PV-Anlagen insgesamt beträgt nun 112 kWp, sodass A die subjektbezogene 100 kWp-Grenze überschreitet. Alle PV-Anlagen werden dadurch steuerpflichtig (Freigrenze).
Eine Besonderheit, die das BMF-Schreiben ebenfalls klarstellt, betrifft das Verhältnis zwischen der gebäudebezogenen und der subjektbezogenen Freigrenze. Demnach sind nur solche PV-Anlagen in die 100 kWp-Grenze einzubeziehen, die für sich genommen die Anforderungen der Steuerbefreiung erfüllen. Anlagen, die bereits isoliert betrachtet nicht begünstigt wären, weil es sich um Freiflächenanlagen handelt oder die gebäudebezogenen Höchstgrenzen überschritten werden, sind daher nicht in die Berechnung der 100 kWp-Grenze einzubeziehen.
Fall 5: A ist Landwirt und Unternehmer. Auf einem freien Feld betreibt er eine Freiflächenanlage mit einer installierten Leistung von 90 kWp. Zusätzlich hat er auf dem Dach seines EFH eine Anlage mit einer Bruttoleistung von 25 kWp installiert.
Aufgabe: Sind bei A alle PV-Anlagen i. R. der Prüfung der subjektbezogenen Grenze zu berücksichtigen?
Lösung: Nein, nach Auffassung der Finanzverwaltung ist nur die Anlage auf dem Dach des EFH begünstigt, da die Freiflächenanlage nicht in die Berechnung der subjektbezogenen 100 kWp-Grenze einbezogen wird.
Anders als in anderen Bereichen des Steuerrechts (z. B. bei der Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften nach der Spiegelbildmethode), gilt des Weiteren bei Beteiligungen an Personengesellschaften für die Gesellschafter bei der Berechnung der Höchstgrenzen nicht das Transparenzprinzip. Anlagen, die eine Mitunternehmerschaft betreibt, werden für die Berechnung der 100 kWp-Grenze daher nicht dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet. Stattdessen „schirmt“ die Personengesellschaft im Kontext von § 3 Nr. 72 EStG ab.
Fall 6: A betreibt eine PV-Anlage mit 25 kWp installierter Bruttoleistung auf dem Dach seines EFH. Zusammen mit seiner Ehefrau betreibt er darüber hinaus in einer Ehegatten-GbR noch PV-Anlagen mit insgesamt 200 kWp installierter Leistung.
Aufgabe: Sind bei A alle PV-Anlagen i. R. der Prüfung der subjektbezogenen Grenze zu berücksichtigen?
Lösung: Die Anlagen der GbR werden nach Verwaltungsauffassung nicht transparent dem jeweiligen Mitunternehmer zugerechnet, sodass bei A i. R. der Prüfung der subjektbezogenen 100 kWp-Grenze nur die Anlage auf dem Dach seines EFH zu berücksichtigen ist.
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