Mann mit Brille und Bart guckt verschlagen

Kapitaleinkünfte – Aktuelles zum Jahreswechsel 2024/2025

Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit aktuellen Themen rund um die Einkünfte aus Kapitalvermögen auseinander. Zum Jahreswechsel 2024/2025 sind lediglich wenige gesetzliche Neuerungen geplant. Seitens der Gerichte und der Finanzverwaltung gibt es demgegenüber eine Vielzahl von Neuigkeiten aus den letzten Monaten zu vermelden. Ergänzt werden die Ausführungen um Überlegungen zum Jahresende und eine Checkliste bewährter Jahresendstrategien.

Ausgewählte Inhalte in Kürze:

  • Ein Nutzungsersatz bei Rückabwicklung eines Darlehensvertrags führt entgegen der bisherigen Verwaltungsmeinung nicht zu steuerpflichtigen Einkünften.
  • Die Besteuerung von ausländischen Investmentfonds in Deutschland war bis zum Jahr 2017 europarechtswidrig.

Nutzungsersatz bei Rückabwicklung eines Darlehensvertrags

In der Vergangenheit wurden viele Verbraucherdarlehensverträge wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung rückabgewickelt. Im Rahmen dieser Rückabwicklung erhielten die ehemaligen Darlehensnehmer einen Nutzungsersatz.

Bisherige Verwaltungsmeinung
Die Finanzverwaltung ordnete bereits vor Jahren einen Nutzungsersatz bei Rückabwicklung von Darlehensverträgen und auf rückerstattete Kreditbearbeitungsgebühren sowie gezahlte Prozess- und Verzugszinsen als steuerpflichtigen Kapitalertrag ein, bei dem nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG eine Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug besteht.[1]

BFH, Urteile v. 7.11.2023
Zur Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags entschied der BFH am 7.11.2023[2] in den zur Veröffentlichung bestimmten Urteilen VIII R 7/21 und VIII R 16/22 Folgendes:

  • Der Bezug eines Nutzungsersatzes begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird.
  • Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.
  • Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.

Beide Entscheidungen wurden mittlerweile amtlich im BStBl veröffentlicht, womit diese von der Finanzverwaltung allgemein angewendet werden. Anhängigen Einsprüchen wird im Sinne der BFH-Rechtsprechung stattgegeben.

Ebenso wurden die Revisionsverfahren VIII R 30/19, VIII R 5/21, VIII R 11/21, VIII R 13/21, VIII R 21/21, VIII R 5/22, VIII R 6/22, VIII R 7/22 und VIII R 5/23 in nicht veröffentlichten Urteilen entschieden.

Investmentfonds: Besteuerung von Auslandsfonds bis 2017 europarechtswidrig

Das in den Jahren 2004-2017 geltende InvStG befreite inländische Investmentfonds von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004). Demgegenüber unterlagen ausländische Investmentfonds der beschränkten Steuerpflicht (§ 5 Abs. 2 KStG).

Bereits seit längerer Zeit kritisiert der EuGH das Besteuerungssystem auf Ebene der Eingangsseite der Investmentfonds in unterschiedlichen Staaten.[3]

Nunmehr folgt der BFH dieser Ansicht in mehreren Entscheidungen.

Immobilienfonds

  • Der Ausschluss eines luxemburgischen Spezialimmobilienfonds von der persönlichen Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Steuerbefreiung ist bei einer Veranlagung mittels geltungserhaltender Reduktion des nationalen Rechts zu gewähren.[4]

Investmentfonds mit inländischen Aktien

  • Der Ausschluss ausländischer Fonds von den für inländische Fonds geltenden Regelungen des § 11 Abs. 1 und 2 InvStG 2004 verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Deshalb hat ein ausländischer Investmentfonds, der unter der Geltung des InvStG 2004 mit Kapitalertragsteuer belastete Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen hat, einen Anspruch auf Erstattung der unionsrechtswidrig erhobenen Kapitalertragsteuer.
  • Zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs muss der ausländische Investmentfonds innerhalb der Festsetzungsfrist einen Freistellungsbescheid beantragen. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Kapitalerträge zugeflossen sind.
  • Der Erstattungsanspruch ist aus unionsrechtlichen Gründen zu verzinsen.

Hinweis
Ab dem Jahr 2018 wurde das InvStG dahingehend geändert, dass in- und ausländische Investmentfonds mit ihren inländischen Einkünften körperschaftsteuerpflichtig sind (§§ 6-7, 29 InvStG). Damit ist nach Ansicht des Gesetzgebers die Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Investmentfonds beseitigt.[5]

[1] Zuletzt BMF, Schreiben v. 19.5.2022 - IV C 1 - S 2252/19/10003 :009 TAAAI-62209, BStBl 2022 I S. 742, Rz. 8b.

[2] BFH, Urteil v. 7.11.2023 - VIII R 7/21 SAAAJ-63265; BFH, Urteil v. 7.11.2023 - VIII R 16/22 IAAAJ-63264.

[3] Zum Beispiel EuGH, Urteil v. 10.5.2012 zum französischen Investmentsteuerrecht in den verbundenen Rs. C-338/11 und C-339/11 bis C-347/11 „Santander“ WAAAE-10415 sowie EuGH, Urteil v. 10.4.2014 - Rs. C-190/12 „Emerging Markets“ EAAAE-61789 zum polnischen Investmentsteuerecht und zuletzt auch in Deutschland mit EuGH, Urteil v. 27.4.2023 - Rs. C-537/20 „L Fund“ FAAAJ-77930.

[4] BFH, Urteil v. 11.10.2023 - I R 23/23 GAAAJ-58231.

[5] BT-Drucks. 18/8045 S. 49.

Auszug aus Ronig, NWB-EV 12/2024 S. 353 sowie Themen-Special „Kapitaleinkünfte – Aktuelles zum Jahreswechsel 2024/2025“

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