
Firmenwagen: Erschütterung des Anscheinsbeweises für eine private Nutzung
Bei der Prüfung, ob ein Firmenwagen überhaupt privat genutzt wird, sind alle Erkenntnisse zu berücksichtigen, die den Anscheinsbeweis erschüttern können. Einzubeziehen ist ein Fahrtenbuch dabei auch dann, wenn es nicht ordnungsgemäß ist, aber zur Beantwortung der Frage beitragen kann. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG regelt nur die Bewertung der Entnahmen aus der Privatnutzung. Ohne ordnungsgemäßes Fahrtenbuch kommt danach die 1 %-Regelung zur Anwendung.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG regelt nur die Bewertung der Entnahmen aus der Privatnutzung
Sehr interessant ist eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs1 zum Fahrtenbuch.
Zum Einstieg eine Quizfrage: Stimmen Sie der folgenden Aussage zu?
„Ein Fahrtenbuch ist steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn es ordnungsgemäß ist.“
Wenn ein Mandant mir diese Frage gestellt hätte, dann hätte ich ohne zu zögern mit „Ja“ geantwortet. Doch so absolut ist das nicht richtig. Das hat der VIII. Senat des BFH jetzt in einem steuerzahlerfreundlichen Urteil herausgearbeitet. Es sind vielmehr zwei Dinge zu unterscheiden.
Erstens die Frage, ob überhaupt ein Firmenwagen privat genutzt wird. Um darauf eine Antwort zu finden, sind alle Erkenntnisse zu berücksichtigen, die den Anscheinsbeweis erschüttern können. Einzubeziehen ist dabei ein Fahrtenbuch auch dann, wenn es nicht ordnungsgemäß ist, aber zur Beantwortung der Frage beitragen kann.
Anders sieht es aus, wenn davon auszugehen ist, dass ein Firmenwagen auch privat genutzt wurde. Dann stellt sich die Frage, wie die Privatentnahme zu bewerten ist. Wird ein Firmenwagen zu mehr als 50 % betrieblich genutzt, sind dann grundsätzlich für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung anzusetzen – zuzüglich der Kosten für die Sonderausstattung einschließlich der Umsatzsteuer. Es kommt also die 1 %-Regelung zur Anwendung. Dies gilt auch für geleaste Fahrzeuge.
Insoweit ist ausdrücklich in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG geregelt: Die private Nutzung kann abweichend davon mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
Die entscheidende Aussage in dem aktuellen BFH-Urteil lautet: § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG regelt nur die Bewertung der Entnahmen aus der Privatnutzung. Die Norm beschränkt jedoch nicht die beweisrechtlichen Möglichkeiten zur Erschütterung des Anscheinsbeweises für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge.2
Berücksichtigung sämtlicher Umstände bei Prüfung einer möglichen Privatnutzung
Lassen Sie uns zum besseren Verständnis den Streitfall ansehen. Vereinfacht war es so: Ein Freiberufler hatte ein Fahrtenbuch geführt. Daraus ergab sich seiner Meinung nach, dass der Firmenwagen überhaupt nicht privat genutzt worden war. Das war auch nicht vollkommen unplausibel, weil er über ein vergleichbares Fahrzeug im Privatvermögen verfügte. Das Fahrtenbuch war aber unleserlich und es fehlten auch wesentliche Angaben, etwa zu den besuchten Firmen.
Das Finanzamt teilte ihm daraufhin mit, das Fahrtenbuch sei nicht ordnungsgemäß und daher nicht anzuerkennen. Der Steuerpflichtige erstellte daher eine lesbare Abschrift und ergänzte die fehlenden Angaben. Das reichte dem Finanzamt aber nicht. Die Anforderungen an ein zeitnah geführtes, ordnungsgemäßes Fahrtenbuch seien nicht erfüllt.
Das Finanzamt nahm dies zum Anlass, eine Privatnutzung zu unterstellen. Mit der Begründung: Der Anscheinsbeweis, wonach ein Firmenwagen grundsätzlich auch privat genutzt wird, könne nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch entkräftet werden. Die Entnahme bewertete das Finanzamt nach der 1 %-Regelung.
Das FG München3 hatte das in erster Instanz noch für richtig gehalten.4 5 – Wir hatten in unserer Oktober-Ausgabe 20216 darüber berichtet. – Der Bundesfinanzhof hat das Urteil des FG München jetzt jedoch aufgehoben.
Die höchsten deutschen Steuerrichter haben deutlich gemacht: Bei der Prüfung, ob der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erschüttert ist, müssen sämtliche Umstände berücksichtigt werden. Ein Fahrtenbuch darf nicht von vornherein mit der Begründung außer Betracht gelassen werden, es sei nicht ordnungsgemäß.7
Wichtig für die Praxis ist die Klarstellung: Zur Erschütterung des Beweises des ersten Anscheins ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss nicht beweisen, dass eine private Nutzung der von der Anscheinsbeweisregel erfassten Fahrzeuge nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt – und im Zweifelsfall nachgewiesen – wird, wonach die Möglichkeit besteht, dass es sich anders darstellt als im Normalfall.8
Gute Karten haben Steuerpflichtige, wenn für private Fahrten ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht, das dem Firmenwagen in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Bei einer Gleichwertigkeit der Fahrzeuge ist nämlich – so der Bundesfinanzhof – keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das betriebliche Fahrzeug zu nutzen.9
Angemessenheit der Anwendungen für Luxusfahrzeuge war nicht entscheidungserheblich
Wir haben den Streitfall bewusst vereinfacht, um die allgemeingültige Botschaft des Bundesfinanzhofs herauszuarbeiten. Tatsächlich war es deutlich komplizierter. Es handelte sich um keinen 08/15-Fall, der häufig vorkommt.
Das stimmt. – Der Freiberufler, der als für den Brandschutz zuständiger Prüfsachverständiger hohe Einkünfte erzielte, war offensichtlich ein großer Autofan. Im Betriebsvermögen hatte er neben einem dicken BMW einen Lamborghini Aventador. Nach seinen Angaben wurden beide Fahrzeuge ausschließlich betrieblich genutzt. Das war – wie bereits gesagt – auch nicht vollkommen unglaubwürdig. Zum Privatvermögen gehörten nämlich ein Ferrari 360 Modena Spider und ein Jeep Commander. Also Fahrzeuge, die in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind.
Was die grundsätzlichen Aussagen zum Fahrtenbuch angeht, die wir Ihnen gerade erläutert haben, spielen diese Besonderheiten aber keine Rolle. Sie gelten auch, wenn ein Steuerpflichtiger privat einen Fiat Panda und betrieblich einen VW Polo fährt.
Im Streitfall stellte sich aber auch die Frage, in welcher Höhe die Kosten für die Firmenwagen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Das ist bekanntlich nur möglich, soweit sie als angemessen anzusehen sind. Und dabei spielt es natürlich eine entscheidende Rolle, dass es sich bei dem Lambo – wie die Fans sagen – um einen Sportwagen der Luxusklasse handelt. Die Leasingrate für den 12-Zylinder mit einem Hubraum von 6,5 Litern und einer Leistung von 740 PS betrug immerhin rund 6.500 € im Monat.10
Das FG München hatte die Kosten nur zu einem Drittel anerkannt. Wir waren gespannt, wie der Bundesfinanzhof das beurteilt und hatten auf einige grundsätzliche Aussagen zur Angemessenheit der Kosten für Luxusfahrzeuge gehofft. Zumal diese Frage in der Praxis kontrovers diskutiert wird. Dazu ist es aber leider nicht gekommen. Aus verfahrensrechtlichen Gründen musste sich der Bundesfinanzhof dazu nicht äußern.
Die obersten Steuerrichter haben die Sache an das FG München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei haben sie zwar in einer Segelanweisung einige Hinweise zur Prüfung der Angemessenheit gegeben. Es gibt insoweit aber nichts Neues, was Sie wissen müssten. Wir wollen daher darauf nicht weiter eingehen.
Leider steht zu befürchten, dass der ein oder andere Mandant von dem Urteil lesen wird und nicht versteht, dass es nur die Erschütterung des Anscheinsbeweises betrifft. Gegebenenfalls sollten Sie daher klarstellen: Wird ein Fahrzeug privat genutzt, hat sich nichts geändert. Es ist auch weiterhin ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erforderlich, um die Anwendung der 1 %-Regelung abzuwenden.
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